Visuelles System

Der Mensch hat insgesamt fünf Sinnesorgane. Das sind die Nase, das Ohr, die Haut, die Zunge und das Auge. Durch die Nase kann der Mensch riechen, durch das Ohr hören, durch die Haut fühlen, durch den Mund bzw. die Zunge schmecken und durch das Auge kann der Mensch sehen.

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    Der Sehsinn ist für den Alltag extrem wichtig, da er ca. 80% der Informationen liefert, die der Mensch aus der Umwelt erhält. Auch in der Psychologie spielt die visuelle Wahrnehmung eine große Rolle, denn was Du siehst, ist Teil Deines Erlebens und beeinflusst somit auch Dein Verhalten. In der folgenden Definition wird Dir die visuelle Wahrnehmung und das visuelle System erklärt.

    Die visuelle Wahrnehmung der Umgebung findet im visuellen System statt. Das visuelle System ist ein Teil des Nervensystems, das den Verarbeitungsweg von der Netzhaut über den Sehnerv, den Thalamus und den Hirnstamm bis hin zur Sehrinde im Gehirn umfasst.

    Das visuelle System ist nur eines von mehreren Sinnessystemen, die Dir hilft, die Welt um Dich herum wahrzunehmen. Deshalb findest Du auch zu den anderen Sinnen "Hören", "Geruch" oder "Geschmack" oder zum Thema "Wahrnehmungsprozess" super interessante Erklärungen.

    Aufbau des visuellen Systems – einfach erklärt

    Um ins Verarbeitungszentrum im Gehirn zu gelangen, müssen Sinneseindrücke erst einmal aufgenommen und transportiert werden. Das geschieht in der Regel sehr schnell. Nur 150-200 Millisekunden vergehen bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Mensch ein visuell präsentiertes Objekt erkennt. Aber wie genau sieht der Weg der Information bis zum visuellen Areal im Gehirn aus?

    Das Auge – der optische Apparat

    Das Auge, auch der optische Apparat genannt, ist das Sinnesorgan der visuellen Wahrnehmung und der erste Ort, an dem Sinneseindrücke in Form von Lichtstrahlen eintreffen. Lichtstrahlen werden vorerst einmal vom Auge gebrochen, um das Licht zu fokussieren und ein scharfes Bild auf der Netzhaut (Retina) zu erhalten. Dreiviertel dieser Lichtbrechung finden in der Hornhaut (Cornea) statt. Die Linse wird dann noch für die Feineinstellung benötigt.

    Eine Eigenschaft von Lichtbrechung in Linsen ist die Spiegelung des Bildes. Das bedeutet, dass das Abbild der Umgebung, das auf die Netzhaut projiziert wird, seitenverkehrt ist und zusätzlich auf dem Kopf steht. Am schärfsten ist das Bild am gelben Fleck, der auch Makula (lat. macula lutea) genannt wird. Das liegt daran, dass an dieser Stelle die Dichte der Photorezeptoren besonders hoch ist. Dort wird der Teil der Umgebung abgebildet, den wir direkt mit unserem Blick fixieren. Der Rest des Sichtfeldes wird als Peripherie bezeichnet.

    Photorezeptoren sind fast überall in der Netzhaut zu finden und haben die Aufgabe, Lichtstrahlen in elektrische Signale umzuwandeln, die über das Nervensystem in Form von Aktionspotentialen durch das Gehirn transportiert werden können.

    Ein Aktionspotential ist ein Nervenimpuls, das für die Weiterleitung eines Reizes verantwortlich ist.

    Auf der Netzhaut gibt es jedoch einen Ort, der keine Rezeptoren enthält, da dort die elektrischen Reize gebündelt über den Sehnerv das Auge verlassen. Objekte, die so präsentiert werden, dass ihr Abbild auf diesen blinden Fleck fällt, können deshalb nicht wahrgenommen werden. Anstatt dort aber einen schwarzen Punkt in der Wahrnehmung zu haben, kann diese Lücke "herausgerechnet" werden, indem sie mit Informationen aus ihrer direkten Umgebung und dem anderen Auge aufgefüllt wird.

    Visuelles System – vom Sinnesorgan zum visuellen Cortex

    Um zu verstehen, was genau passiert, wenn der Mensch mit dem Auge etwas sieht, wird der Vorgang vom Sinnesorgan bis zu dem visuellen Cortex erklärt. Als Erstes nimmt der Mensch mit dem Auge Bilder wahr. Dann verlassen die Informationen, also die wahrgenommenen Bilder, als elektrische Reize das Auge über den Sehnerv. Der rechte und der linke Sehnerv kreuzen sich an der Sehnervenkreuzung (Chiasma Opticum) und gelangen an den seitlichen Kniehöcker.

    Über die Kniehöcker gelangen die Informationen weiter an die Sehstrahlung (Weg bis zum visuellen Cortex). Über die Sehstrahlung führt der Weg weiter in die primäre Sehrinde im Okzipitallappen des Gehirns. Der visuelle Cortex (der gesamte Kortex) befindet sich im Okzipitallappen (befindet sich im äußeren Teil des Gehirns). Sind die Informationen im Okzipitallappen, werden die Informationen weiterverarbeitet, sodass Wahrnehmung möglich wird.

    Die genaue Funktion des seitlichen Kniehöcker ist in der Neurowissenschaft bis heute nicht bekannt, allerdings gibt es Hinweise darauf, dass hier Aufmerksamkeit eine Rolle spielt, durch die Eindrücke verstärkt oder herausgefiltert werden können.

    Funktion des visuellen Systems

    Nachdem Du den Weg vom Auge bis ins Gehirn kennengelernt hast, ist eine Frage noch offen: Wie wird aus dem Licht, welches in die beiden Augen einstrahlt, eine vollständige psychische Repräsentation der Umgebung? Oder genauer gesagt: Wie bleiben die Merkmale der Umwelt bei dem Transport der Daten erhalten? Dafür ist die Retina zuständig.

    Die Retina

    Obwohl die Einordnung und damit das Verständnis und die eigentliche Wahrnehmung erst im Gehirn stattfinden, leistet die Retina bereits Vorarbeit. Es werden wichtige Merkmale des visuellen Eindrucks schon kodiert (umgewandelt) und es erfolgt eine Bearbeitung des Bildes.

    Die Zellen der Retina haben folgende Aufgaben:

    • Umwandlung in ein elektrochemisches Signal (Transduktion)
    • Encodieren (Verschlüsseln) der Wellenlänge
    • Helligkeitsadaption (Anpassung an die Helligkeit der Umgebung)
    • Komprimierung der Daten
    • räumliches Filtern

    Transduktion

    Die Transaktion, also die Umwandlung von Lichtreizen in ein elektrochemisches Signal, erfolgt über die bereits erwähnten Photorezeptoren, von denen es in der Retina zwei Typen gibt: Stäbchen und Zapfen. Stäbchen sind besonders bei Nacht sensitiv und vor allem in der Peripherie (äußerer Bereich) vorhanden. Zapfen sind dagegen tagsüber sensitiv und für das Farbsehen zuständig. Da sich überwiegend Zapfen in der Fovea (Zentrum des gelben Fleckes) befinden, ist die räumliche Auflösung hoch.

    Encodieren der Wellenlänge

    Während es nur eine Art von Stäbchen gibt, findet man in der Retina gleich drei verschiedene Typen von Zapfen. Alle drei sind für unterschiedliche Wellenlängen auf dem Farbspektrum sensitiv, sodass sie auf verschiedene Farben reagieren und somit die Farbwahrnehmung ermöglichen.

    Die Farben sind blau, grün und rot. Um nun die Wellenlänge zu encodieren bzw. entschlüsseln, muss die Farbwahrnehmung verstanden werden.

    Die Farbwahrnehmung ist das Ergebnis des Zusammenspiels von Lichteigenschaften (z. B. Reflexion oder Verlangsamung von Licht) und Absorptionseigenschaften (Empfang von Licht) von Rezeptoren.

    Helligkeitsadaptation

    Eine Möglichkeit in der Retina ist das Anpassen an die Lichtverhältnisse (die Helligkeitsadaption). Das kann über einen Wechsel zwischen Stäbchen- und Zapfen-Sehen geschehen. Wenn viel Licht vorhanden ist, kommen Zapfen zum Einsatz, da Stäbchen viel zu sensitiv dafür sind. Sobald die Lichtintensität reduziert wird, ist ein Wechsel auf das Stäbchen-Sehen von Vorteil, da diese aufgrund der hohen Sensitivität eine deutlich bessere Sicht erlauben. Der Wechsel ist jedoch kein schneller und fließender Übergang, sondern erfordert eine kurze Anpassungsphase, weshalb sich unsere Augen an plötzliche Helligkeit oder Finsternis erst gewöhnen müssen.

    Datenkomprimierung

    Die Informationen von den ungefähr 125 Millionen Photorezeptoren werden an nur eine Million nachgeschaltete Ganglienzellen weitergeleitet, sodass die Daten davor stark zusammengefasst werden müssen. Deshalb ist die Datenkomprimierung ein wichtiger Prozess der Retina.

    Eine Ganglienzelle ist eine Nervenzelle, deren Zellkörper außerhalb des zentralen Nervensystems liegt.

    Die Zellen sind dabei so miteinander verschaltet, dass die Aktivierung einer Rezeptorzelle durch einen Lichtreiz automatisch die nachfolgende Nervenzelle aktiviert. Mehrere Rezeptorzellen leiten ihren Reiz an eine Nervenzelle weiter. Damit die Nervenzelle aktiviert wird, reicht es, dass eine einzige der vorgeschalteten Rezeptorzellen durch einen Lichtreiz aktiviert wird. Der Vorteil dieses Systems ist die erhöhte Sensitivität: Auch wenn nur eine Rezeptorzelle einen Lichtreiz empfängt, wird ein elektrisches Signal weitergeleitet. Der Nachteil: Aus dem entstandenen elektrischen Reiz kann nicht mehr zurückverfolgt werden, bei welcher Rezeptorzelle der Lichtreiz eingetroffen ist. Daraus erfolgt eine Reduktion der Sehschärfe.

    Räumliches Filtern

    Um die Effizienz der Kodierung zu erhöhen, ist das visuelle System in der Lage, Kanten besonders zu betonen. Dadurch ist weniger neuronale Aktivität für größere Flächen notwendig. Durch das räumliche Filtern ist es den Menschen möglich, sich vor Ort zu orientieren.

    Konstanzleistungen des visuellen Systems

    Objekte aus der Umwelt verändern ständig ihr Aussehen. Das kann daran liegen, dass der Mensch sich näher an die Objekte aus der Umwelt heran bewegen, oder dass die Lichtbedingungen anders sind. Trotzdem ist das visuelle System durch die Konstanzleistungen in der Lage, das gleiche Objekt von unterschiedlichen Winkeln oder Helligkeit wahrzunehmen. Die Objektmerkmale bleiben stabil, auch wenn sie sich physikalisch verändern.

    Zu den Konstanzleistungen gehören:

    • Größenkonstanz
    • Farbkonstanz
    • Helligkeitskonstanz
    • Formkonstanz

    Aus der Sehrinde werden die Daten über zwei neuronale Pfade im Gehirn weitergeleitet. Die "Was-Bahn" in Richtung Schläfenlappen ist für die Objekterkennung, darunter die Wahrnehmung von Farben, Mustern und Formen zuständig. Es gibt dort eine Region, die nur auf Gesichter anspringt. Die Aufgabe der "Wo-Bahn" liegt in der Erkennung von Bewegung und räumlichen Position.

    Entwicklung des visuellen Systems in der Psychologie

    Anders, als das bei manchen Tieren der Fall ist, werden Menschen bereits mit ihrem Sehvermögen geboren. Allerdings ist das Sehvermögen noch nicht fertig ausgebildet, sodass Neugeborene eher verschwommen sehen. Umrisse und Muster können außerdem nur dann wahrgenommen werden, wenn ein hoher Kontrast gegeben ist. Grund dafür ist die Krümmung des Auges, das bis zum Ende des ersten Lebensjahres noch ähnlich wie bei einer Weitsichtigkeit geformt ist.

    Das visuelle System muss also erst im Entwicklungsverlauf trainiert werden und vollständig heranreifen. Dieser Prozess ist normalerweise nach etwa 15 Jahren in allen Funktionen abgeschlossen.

    Dass das Sehvermögen im höheren Erwachsenenalter wieder abnimmt, ist kein Geheimnis. Bereits ab dem 40. Lebensjahr wird die Linse des Auges weniger flexibel, sodass das Scharfstellen des Bildes immer schwerer fällt.

    Visuelles System - Das Wichtigste

    • Die visuelle Wahrnehmung macht ca. 80% der gesamten Information aus der Umwelt aus und ist daher enorm wichtig für den Menschen.
    • Das Sinnesorgan Auge umfasst: die Sehnerven, die lateralen Kniehöcker, die Sehstrahlung und die Sehrinde (primärer visueller Cortex)
    • Lichtstrahlen werden beim Eintreten in das Auge gebrochen und erzeugen somit ein scharfes Bild auf der Netzhaut. Dort befinden sich Photorezeptoren, in denen beim Einstrahlen eine chemische Kettenreaktion ausgelöst wird, an deren Ende ein elektrochemisches Signal entsteht (Transduktion)
    • Es gibt zwei Arten von Photorezeptoren, die sehr sensitiven Stäbchen und die Zapfen, die für das Farbsehen verantwortlich sind. Dafür wird das Licht in drei Wellenlängenbereiche zerlegt (rot, blau, grün), dessen Farbkontrast so verrechnet wird, dass die konkrete Farbe wahrgenommen werden kann.
    • Im Gehirn werden die Informationen in bestehendes Wissen integriert und zu einem vollständigen Bild zusammengefügt, allerdings finden auch in der Retina schon erste Verarbeitungsschritte statt.

    Nachweise

    1. Prisma - Biologie Berufsfachschule (2010). Bildungsverlag EINS / Klett
    Häufig gestellte Fragen zum Thema Visuelles System

    Was ist die visuelle Wahrnehmung?

    Visuelle Wahrnehmung ist die Aufnahme und Verarbeitung optischer Reize. Das visuelle System umfasst den Verarbeitungsweg von der Netzhaut im Auge bis hin zum visuellen Cortex im Gehirn.

    Wie viel Prozent macht die visuelle Wahrnehmung aus?

    Die visuelle Wahrnehmung macht etwa 80% der Informationen aus, die aus der Umwelt eintreffen und im Gehirn analysiert und verarbeitet werden.

    Warum ist die visuelle Wahrnehmung wichtig?

    Die visuelle Wahrnehmung ist wichtig, weil sie bis zu 80% unserer Informationsaufnahme und  -Verarbeitung ausmacht. Sie steuert beispielsweise die Orientierung, die für die Fortbewegung nötig ist und ermöglicht die Erkennung von Objekten in unserer Umwelt. Ein Verlust dieser Fähigkeit stellt eine beträchtliche Einschränkung für das alltägliche Leben dar.

    Was ist ein visueller Eindruck?

    Ein visueller Eindruck ist die Aufnahme eines optischen Reizes aus der Umwelt. Dieser wirkt auf das zuständige Sinnesorgan ein, in diesem Fall die Augen. Visuelle Eindrücke erlauben die Einschätzung der Umwelt im Hinblick auf räumliche Anordnung, Tiefe, Farbe, Helligkeit, und noch vieles mehr.

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