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Du hast sicherlich schon in verschiedenen Kontexten vom Begriff der Wahrnehmungsstörung gehört oder hast zumindest eine grobe Vorstellung davon, was damit gemeint ist. Aber wie genau definiert man Wahrnehmungsstörungen und wie äußern sie sich?
Wahrnehmungsstörungen in der Psychologie
Wahrnehmungsstörungen liegen dann vor, wenn die Erfassung von Sinnesreizen (beispielsweise Hören, Sehen oder Fühlen), die Verbindung der Sinnessysteme untereinander oder die geordnete Abfolge bei der Verarbeitung von Sinnesreizen gestört sind. Eine Art der Wahrnehmungsstörung ist die taktile Wahrnehmungsstörung:
Bei einer taktilen Überempfindlichkeit können Betroffene Berührung schlecht aushalten. Sie können also beispielsweise bestimmte Kleidung oder Stoffe nicht am Körper tragen, da sie diese als unangenehm oder schmerzhaft empfinden.
Störung der Reizaufnahme
Es gibt Schädigungen der Sinnesorgane, die sich zum Beispiel dadurch äußern, dass man schlechter sieht oder hört. Dabei ist die Reizaufnahme aus der Umwelt durch die Sinnesorgane nicht möglich oder gestört. Bis zu einem gewissen Grad können diese Einschränkungen durch Hilfsmittel, wie zum Beispiel Brillen oder Hörgeräte, behoben werden. Eine vollkommene Schädigung der Sinnesorgane liegt dann vor, wenn diese Schädigungen durch solche Hilfsmittel nicht mehr ausgeglichen werden können. Das ist beispielsweise bei vollkommener Blindheit der Fall.
Störung der Verarbeitung
Im Falle einer Störung der Verarbeitung funktionieren die Sinnesorgane, sie können also Reize empfangen. Denn nicht das Empfangen der Reize durch Sinnesorgane ist gestört, sondern die Wahrnehmung und Verarbeitung der Sinneseindrücke im Gehirn. Das ist dann der Fall, wenn Organisation und Interpretation der elektrischen Impulse nicht oder nur unzureichend gelingen. Dadurch kann der Sinnesreiz nicht ins Bewusstsein vordringen.
Der oben dargestellte Kreis der Wahrnehmung beschreibt den Prozess von der Reizaufnahme, bis hin zum Handeln. Dadurch wird verdeutlicht, dass Störungen der Reizaufnahme oder der Verarbeitung auch Auswirkungen auf spätere Schritte, wie unter anderem das reagierende Handeln, haben.
Arten von Wahrnehmungsstörungen
Störungen innerhalb des Wahrnehmungsprozesses können an verschiedenen Stellen auftreten. Anhand dieser unterschiedlichen Ursachen werden Wahrnehmungsstörungen in drei Arten unterteilt:
- die modalitätsspezifische Wahrnehmungsstörung
- die intermodale Wahrnehmungsstörung
- die seriale Wahrnehmungsstörung
Modalitätsspezifische Wahrnehmungsstörungen
Als Modalitäten werden in der Wahrnehmungspsychologie auch die verschiedenen Sinne bezeichnet. Bei einer modalitätsspezifischen Wahrnehmungsstörung liegt also eine Störung der Verarbeitung einer Art von Sinnesreizen vor. Dabei wird unter folgenden Arten unterschieden:
taktil (fühlen)
kinästhetisch (bewegen)
visuell (sehen)
auditiv (hören)
vestibulär (riechen)
Betroffene haben nur Probleme dabei, einen bestimmten Sinnesreiz zu verarbeiten. Zum Beispiel fällt es schwer, visuelle Reize wahrzunehmen. Die anderen Sinnesorgane verarbeiten dagegen weiterhin problemlos die entsprechenden Reize. Wie stark einschränkend diese Art von Störung im Alltag wirken kann, erkennst du am folgenden Beispiel:
Bei einer Prosopagnosie (Gesichtsblindheit) können Betroffene Gesichter sehen, aber nicht verarbeiten. Bei dieser Störung ist somit die Verarbeitung von Gesichtern beschränkt. Das heißt, dass alles andere, das visuell aufgenommen wird, ohne Einschränkung weiterverarbeitet und eingeordnet werden kann. Nur die Unterscheidung von Gesichtern fällt sehr schwer. Solchen Menschen hilft es, Personen durch ihre Stimme, ihre Kleidung, die Frisur oder andere besondere Merkmale zu unterscheiden.
Intermodale Wahrnehmungsstörungen
Im Gegensatz zur modalitätsspezifischen Wahrnehmungsstörung liegt bei der intermodalen eine gleichzeitige Störung der Verarbeitung von Reizen bei verschiedenen Sinnesorganen vor. Die Störung bezieht sich also auf das Zusammenspiel der einzelnen Wahrnehmungen bzw. Sinnesorgane, was folgendes Beispiel verdeutlicht:
Ein erfolgreiches Zusammenspiel des visuellen und akustischen Sinnes liegt dann vor, wenn wir fernsehen: Das Ohr hört und das Auge sieht.
Eine Person, die jedoch Probleme hat, auditive und kinästhetische Reize miteinander zu verbinden, hat beispielsweise ein Problem damit, zeitgleich eine Melodie hören und rhythmisch zu dieser zu klatschen.
Seriale Wahrnehmungsstörungen
Menschen mit serialen Wahrnehmungsstörungen sehen häufig nur den Schritt, der gerade stattfindet und haben Schwierigkeiten dabei, die nächsten Schritte der Tätigkeit in ihr Handeln zu integrieren.
Bei der serialen Wahrnehmungsstörung ist der Betroffene nicht fähig, Sinnesreize in eine (sinnvolle) Reihenfolge zu bringen. Dabei kann die räumliche oder zeitliche Reihenfolge von Reizen nicht erkannt oder verarbeitet werden.
Beim Auftreten dieser Symptome sollte man vor der Diagnose einer Wahrnehmungsstörung jedoch Erkrankungen in anderen Bereichen ausschließen. Dazu zählen zum Beispiel Erkrankungen des Gedächtnisses und der entsprechenden Hirnfunktionen, die bei Demenz oder Alzheimer gestört sind.
Ein Beispiel für die seriale Wahrnehmungsstörung ist das Vergessen oder Vertauschen von Schritten in der Abfolge einer Tätigkeit:
Jede*r weiß, dass Socken vor den Schuhen angezogen werden. Wenn du dich allerdings an die falsche Reihenfolge hältst, bei der die Schuhe vor den Socken angezogen werden, liegt vermutlich eine solche seriale Wahrnehmungsstörung vor.
Ursachen von Wahrnehmungsstörungen
Ursachen von Störungen in der Wahrnehmung können durch Fehlbildungen der Organe verursacht werden, die sich bereits im Mutterleib oder bei der Geburt entwickeln können. Dazu gehört auch die Störung der Hirnfunktion. Das Gehirn kann zum Beispiel empfangene Reize nicht einordnen:
Schlaganfälle kommen meistens durch eine Durchblutungsstörung im Gehirn zustande. Danach kann es zu Schwierigkeiten bei der Planung und Durchführung von alltäglichen Tätigkeiten kommen, die sonst nie eine Herausforderung dargestellt haben. Oft fällt der Gebrauch von Alltagsgegenständen, wie einer Zahnbürste oder der Mikrowelle, auf einmal sehr schwer. Man spricht in diesem Falle auch von einer Werkzeugstörung.
Ursachen können aber auch der Konsum von giftigen, halluzinogenen oder bewusstseinsverändernden Substanzen sein. Haben diese Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem, kann deren Missbrauch zu Wahrnehmungsstörungen führen.
Ausprägungen von Wahrnehmungsstörungen und deren Symptome
Nicht jede Wahrnehmungsstörung äußert sich in den gleichen Symptomen. Die Symptomatik hängt vor allem davon ab, auf welches Sinnesorgan sich die Störung auswirkt. Eine Wahrnehmungsstörung kann auch gleichzeitig mehrere Sinnesorgane einschränken. Das führt dann dazu, dass viele unterschiedliche Symptome bei den Betroffenen auftreten.
Auditive Wahrnehmungsstörung: Hören
Bei einer auditiven Wahrnehmungsstörung hat man Probleme, Geräusche richtig einzuordnen. Zum Beispiel nimmt man alle akustischen Reize gleich stark wahr, was zu einer Reizüberflutung führten kann.
Bei einer Lärmempfindlichkeit nimmt man Geräusche sehr viel stärker wahr, als bei einem "normalen" Hörvermögen. Ein Geräusch, das nicht besonders laut ist (z. B. das Tropfen eines Wasserhahns), wird in diesem Fall als sehr laut und somit eventuell nicht nur als störend und irritierend, sondern auch als belastend und schmerzhaft empfunden.
Visuelle Wahrnehmungsstörung: Sehen
Hier fällt es Betroffenen schwer, Formen oder Größen zu erkennen oder richtig einzuschätzen. Das Gehirn hat
Schwierigkeiten, das Gesehene richtig zu verarbeiten und dadurch fällt es Betroffenen beispielsweise schwer, Details in einem Bild zu erkennen.
Denk dafür nur einmal an das Beispiel mit der Prosopagnosie zurück, das du oben bereits kennengelernt hast. In diesem Fall bezog sich diese Störung speziell auf das Erkennen von Gesichtern.
Visuell-konstruktive Wahrnehmungsstörung: Räumliche Wahrnehmung
Im Fall einer visuell-konstruktiven Wahrnehmungsstörung kommen zu den Symptomen der visuellen Wahrnehmungsstörung noch Probleme mit dem räumlichen Denken hinzu. Die mentale Verbindung zwischen dem Gesehenen und einer Bewegung fällt schwer.
Das führt zum Beispiel zu Störungen der Feinmotorik oder zur Entwicklung einer Lese-Rechtschreib-Schwäche. Schwierigkeiten mit der Motorik können sich unter anderem folgendermaßen äußern:
Betroffene einer visuell-konstruktiven Wahrnehmungsstörung haben beim Dosenwerfen sehr große Schwierigkeiten, mit dem Ball den Dosenturm zu treffen.
Körperliche/taktile Wahrnehmungsstörung: Berührungen
Die taktilen Störungen werden in zwei Unterarten aufgeteilt. Diese unterscheiden sich darin, ob ein Reiz zu stark oder zu schwach wahrgenommen wird. Man spricht dann jeweils von einer Überempfindlichkeit oder Unterempfindlichkeit.
Überempfindlichkeit
Reize im Gehirn werden nicht genügend gehemmt und gefiltert. Das heißt, die Reize werden sehr stark wahrgenommen und schon kleinste Berührungen können als schmerzhaft oder unangenehm empfunden werden. Menschen mit einer überempfindlichen taktilen Störung können manche Berührungen schlecht aushalten, was sich unter anderem so äußern kann:
Die Haut schmerzt beispielsweise schon beim Eincremen. Außerdem wird das Tragen bestimmter Stoffe und Kleidungsstücke am Körper als sehr unangenehm empfunden.
Unterempfindlichkeit
Bei der Unterempfindlichkeit werden Reize und deren Empfindung zu stark gehemmt. Man spürt dabei den eigenen Körper sehr wenig und ist somit temperatur- und schmerzunempfindlich. Kleinere Probleme ergeben sich beispielsweise dadurch, dass etwas noch unbewusst festgehalten wird, da der Kontakt nicht gespürt wird. Es kann aber auch zu drastischen Handlungen wie Selbstverletzungen kommen, nur um den Körper überhaupt zu spüren.
Kinästhetische/propriozeptive Wahrnehmungsstörung: Kraft-, Bewegungs- und Stellungssinn
Bei dieser Störung ist die eigene Körperwahrnehmung geschädigt. Betroffene haben Schwierigkeiten damit, sich selbst und ihren eigenen Körper zu spüren. Folgende Handlungen fallen ihnen häufig schwer:
- grob- oder feinmotorische Handlungen
- die richtige Einschätzung von Distanzen
- die richtige Einschätzung der Kraft des eigenen Körpers im Kontakt mit anderen Menschen
Wahrnehmungsstörungen bei Kindern
Wahrnehmungsstörungen bei Kindern können zu Problemen in der Entwicklung führen. Zum Beispiel können Kinder, die unter einer akustischen Wahrnehmungsstörung leiden, auch Probleme bei der Sprachentwicklung zeigen.
Die Ursachen für eine Wahrnehmungsstörung bei Kindern sind vermutlich meistens genetisch bedingt. Jedoch können auch andere Auslöser zu einer Wahrnehmungsstörung im Kindesalter führen:
- Geburtsschwierigkeiten (vor allem durch kurzzeitige oder länger andauernder Sauerstoffmangel)
- Frühgeburten
- Drogen- sowie Alkoholmissbrauch der Mutter während der Schwangerschaft
Wahrnehmungsstörungen bei Erwachsenen
Eine Wahrnehmungsstörung bei Erwachsenen liegt dann vor, wenn die oben genannten Symptome (wie zum Beispiel die Lese-Rechtschreib-Schwäche, eine Über- oder Unterempfindlichkeit) im Alltag (unter Ausschluss anderer Erkrankungen) wiederholt auftreten. Wahrnehmungsstörungen entwickeln sich ohne äußere Einflüsse eigentlich nicht erst im Erwachsenenalter. Genetisch bedingte Störungen treten bereits im Kindesalter auf.
Bilden sich diese erst im Erwachsenenalter, hängen sie meistens mit dem Missbrauch von giftigen, halluzinogenen oder bewusstseinsverändernden Substanzen zusammen, die sich auf das zentrale Nervensystem auswirken.
Behandlung von Wahrnehmungsstörungen
Therapiebedürftig sind Wahrnehmungsstörungen dann, wenn der Alltag der Betroffenen darunter leidet. Für die Therapie relevant wird eine Störung auch, wenn sich das Verhalten der/des Betroffenen negativ auf die gesellschaftliche Stellung in Familie und Beruf auswirkt.
Wahrnehmungsstörungen können therapiert, aber nicht geheilt werden. Ziel einer Therapie ist es, durch bewusstes Training die Defizite auszugleichen, die durch die Störung entstehen. Außerdem wird der Umgang mit dieser Störung geschult. Dabei helfen Anwendungen wie Logopädie, Krankengymnastik oder Ergotherapie.
Die Art der Behandlung hängt davon ab, welche Sinneswahrnehmung beeinträchtigt ist. Wichtig ist, dass die Behandlung möglichst früh beginnt, um größere sowie langfristige Schäden und Belastungen zu vermeiden.
Wahrnehmungsstörungen - Das Wichtigste
- Bei einer Wahrnehmungsstörung ist die Wahrnehmung und Verarbeitung der Sinneseindrücke im Gehirn gestört oder die Organisation und Interpretation der elektrischen Impulse gelingt nicht oder nur unzureichend.
- Innerhalb des Wahrnehmungsprozesses können Störungen an verschiedenen Stellen auftreten und werden in drei Arten unterteilt:- modalitätsspezifische Wahrnehmungsstörungen- intermodale Wahrnehmungsstörung- seriale Wahrnehmungsstörung.
- Ursachen für eine Wahrnehmungsstörung können organischen Ursprungs sein oder durch den Missbrauch von giftigen, halluzinogenen oder bewusstseinsverändernden Substanzen sein auftreten.
- Wahrnehmungsstörungen können therapiert, aber nicht geheilt werden.
- Grundsätzlich zielt die Therapie darauf ab, diese Defizite durch bewusstes Training auszugleichen und den Umgang mit dieser Störung zu schulen.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Wahrnehmungsstörungen
Welche Wahrnehmungsstörungen gibt es?
Es gibt folgende Wahrnehmungsstörungen: Modalitätsspezifische, intermodale und seriale Wahrnehmungsstörungen.
Wie äußert sich eine Wahrnehmungsstörung?
Eine Wahrnehmungsstörung äußert sich durch Probleme, verschiedene äußere Reize, die Menschen über ihre Sinnesorgane aufnehmen, richtig zu verarbeiten. Das Gehirn ordnet die Reize falsch zu oder kann ihnen gar keine Bedeutung beimessen.
Kann man eine Wahrnehmungsstörung heilen?
Wahrnehmungsstörungen können therapiert, aber nicht geheilt werden. Grundsätzlich zielt die Therapie darauf ab, diese Defizite durch bewusstes Training auszugleichen und den Umgang mit dieser Störung zu schulen.
Woher kommt eine Wahrnehmungsstörung?
Eine Wahrnehmungsstörung kommt aus verschiedenen Gründen. Sie kann organischen Ursprungs sein und z. B. durch Störungen der Gehirnfunktion ausgelöst werden. Wahrnehmungsstörungen können sich also schon im Mutterleib entwickeln.
Ursachen können jedoch auch der Missbrauch von giftigen, halluzinogenen oder bewusstseinsverändernden Substanzen sein, die sich auf das zentrale Nervensystem auswirken.
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