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Gestaltgesetze – Definition Psychologie
An dieser Stelle kommt die Gestaltpsychologie ins Spiel. Sie nimmt an, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile ist, also dass wir nicht einfach die Struktur aus den Einzelteilen ableiten können. Es muss Regeln geben, die beschreiben, nach welchen Prinzipien wir unsere Sinneseindrücke ordnen. Genau das sind die Gestaltgesetze, wie die folgende Definition aus der Psychologie nochmal aufzeigt:
Gestaltgesetze sind eine Gruppe von Regeln, welche die Wahrscheinlichkeit angeben, dass Teile eines Bildes zu einem Objekt zusammengehören.
Ursprung der Gestaltgesetze: Max Wertheimer und Co.
Begründet wurden sie im 20. Jahrhundert von einigen Psychologen der Universität Berlin, darunter waren Max Wertheimer, Kurt Koffka und Wolfgang Köhler.
Man spricht deshalb auch von der Berliner Schule der Gestaltpsychologie. Diese Ortsbezeichnung ist wichtig, weil es tatsächlich auch noch andere psychologische Schulen auf diesem Gebiet gibt.
Einen Überblick über die weiteren Schulen findest Du in unserem Artikel zum Thema Gestaltpsychologie.
Praktische Anwendung finden diese Regeln oft in der Werbepsychologie oder im Design, wo beispielsweise darauf geachtet wird, wie ein Firmenlogo für den Betrachter möglichst gut aussieht.
Das Logo des Getränkekonzerns Pepsi ist einfach und daher für den Betrachter und potentiellen Kunden ansprechend. Es wird außerdem als Kugel wahrgenommen, obwohl genau genommen nur zwei unterschiedlich farbige Formen zu sehen sind. So wird ein Eindruck von Harmonie erzeugt.
Erklären lässt sich das durch die Gestaltgesetze der guten Gestalt und der Geschlossenheit.
Eigenschaften der Gestaltgesetze
Allgemein kannst Du Dir merken, dass alle Gestaltgesetze dem Wahrscheinlichkeitsprinzip folgen. Das bedeutet, dass immer das wahrgenommen wird, was am einfachsten ist und was, basierend auf unserem Wissen und unseren Erfahrungen, am ehesten wahr sein kann. Die einzelnen Gestaltgesetze liefern dann Hinweise darüber, welche Eigenschaften dazu führen, dass eine mögliche Interpretation des Sinneseindrucks als besonders wahrscheinlich gilt.
Ursprünglich bezogen sich die Regeln ausschließlich auf visuelle Reize. Seitdem konnte gezeigt werden, dass die strukturelle Organisation auch bei anderen Sinnen auf diese Weise funktioniert. Das betrifft bisher zum Beispiel auditive Reize und Eindrücke des Tastsinnes. Meistens werden die Gestaltgesetze allerdings immer noch auf die visuelle Wahrnehmung angewendet, deshalb beschränken wir uns auch in diesem Artikel darauf.
Übersicht: Gestaltgesetze der Wahrnehmung
Wie viele Gestaltgesetze es gibt, ist etwas umstritten. Am häufigsten werden die folgenden neun dazu gezählt:
Gesetz der Nähe
Gesetz der Ähnlichkeit
Gesetz der Prägnanz
Gesetz der guten Fortsetzung
Gesetz der Geschlossenheit
Gesetz des gemeinsamen Schicksals
Gesetz der gemeinsamen Region
Gesetz der verbundenen Elemente
Gesetz der Gleichzeitigkeit
Im Folgenden findest Du zu jedem Gestaltgesetz der Wahrnehmung noch eine Erklärung mit Anwendung und Beispiel.
Gestaltgesetz der Nähe – Beispiel
Das Gestaltgesetz der Nähe besagt, dass zwei naheliegende Elemente mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einem Objekt gehören als Elemente mit größeren Abständen.
Wenn diese Punkte gezeigt werden, würde die Mehrheit nach dem Gesetz der Nähe dazu tendieren, die rechten vier Punkte zu gruppieren, genauso wie die linken drei Punkte. Das liegt daran, dass die Abstände dieser Punkte untereinander deutlich geringer sind, als die Abstände der rechten zu den linken Punkten.
Gestaltgesetz der Ähnlichkeit – Beispiel
Dieses Prinzip beschreibt, dass es wahrscheinlicher ist, dass sich Punkte ähneln, die zum selben Objekt gehören. Ähnliche Elemente werden deshalb als ein Objekt wahrgenommen.
Das Merkmal, in dem die Punkte ähnlich sind, ist hier die Farbe. Die pinken Punkte werden deshalb als eine Einheit wahrgenommen, die dunkelblauen als eine andere.
Gestaltgesetze der guten/einfachen Gestalt/ Prägnanz – Beispiel
Die Konturen, die die wahrscheinlichste Gestalt ergeben, werden gruppiert. Das ist meist die vertrauteste oder einfachste Gestalt. Deshalb spricht man auch vom Gesetz der Einfachheit oder Prägnanz.
Ein häufig verwendetes Beispiel für dieses Gesetz ist die folgende Figur. Was siehst Du auf diesem Bild?
Wenn Dein Gehirn nach den Gestaltgesetzen arbeitet, müsste die Antwort eindeutig sein. Die Abbildung zeigt zwei gleich große, übereinander liegende Quadrate, von denen eins um 45° gedreht wurde. Quadrate sind uns bekannt und daher eine gute Gestalt.
Diese Figur wirkt deshalb wahrscheinlicher, als die Alternative, die Du unten siehst. Denn die ursprüngliche Figur könnte auch so wahrgenommen werden, dass sie ein Achteck in der Mitte und acht Dreiecke zeigt, die an den Spitzen aneinander gelegt wurden. Auf diese Idee würde zunächst aber kaum jemand kommen, da sie uns unwahrscheinlich und fremd erscheint. Somit ist das keine gute Gestalt.
Gestaltgesetz der guten Fortsetzung – Beispiel
Dieses Prinzip wird auch Gesetz der durchgehenden Linie genannt. Gemeint ist damit, dass die Punkte gruppiert werden, die die sanfteste Linie ergeben. Praktisch gesehen sind diese Linien meistens die Konturen oder Grenzen von Objekten.
Welche dieser Punkte gehören Deiner Ansicht nach zu einer Linie?
Jetzt siehst Du zwei Möglichkeiten, wie Du das obere Bild interpretieren könntest.
Nach dem Gesetz der guten Fortsetzung solltest Du Dich eindeutig für die linke Variante entschieden haben, bei der sich die beiden Linien kreuzen. Diese Abbildung ist plausibler, da beide Linien gerade durchgehend sind und keinen unsanften Knick machen.
Gestaltgesetz der Geschlossenheit – Beispiel
Alle Objekte sind geschlossen, das heißt, sie haben Konturen, die sie von der Umwelt abgrenzen. Deswegen nehmen wir bevorzugt Gestalten wahr, die geschlossen wirken. Diese müssen nicht einmal vollständig geschlossen sein, denn wir können die fehlenden Stücke in unserer Vorstellung unterbewusst einfügen.
Obwohl es keine durchgehende Kontur gibt, wird die obere Figur als ein Objekt (Quadrat) wahrgenommen.
Die rechte Struktur wird mit höherer Wahrscheinlichkeit als ein Objekt wahrgenommen als die linke, da eine geschlossene Einheit zumindest angedeutet wird.
Gestaltgesetze – gemeinsames Schicksal Beispiel
Alles, was sich gemeinsam bewegt, wird als Einheit wahrgenommen.
Wenn Du am Himmel mehrere Vögel siehst, die in die gleiche Richtung fliegen, vielleicht sogar in einer Formation, wirst Du wahrscheinlich annehmen, dass es sich dabei um einen Schwarm handelt. Dann ist es extrem unwahrscheinlich, dass die Vögel alle Einzeltiere sind, die sich nur durch Zufall auf diesem kurzen Streckenabschnitt in die gleiche Richtung bewegen.
Gestaltgesetz der gemeinsamen Region – Beispiel
Alles, was sich in einem abgegrenzten Bereich befindet, wird gruppiert. Wir gehen dann davon aus, dass es sich bei der Begrenzung um die Kontur eines Objekts handelt, sodass alle darin liegenden Punkte Teil von diesem Objekt sind.
Gestaltgesetz der verbundenen Elemente – Beispiel
Wir empfinden verbundene Elemente als zusammengehörig, demzufolge ist im unteren Bild in dem Punkte-Feld ein E sichtbar.
Gestaltgesetze der Gleichzeitigkeit – Beispiel
Das Gleichzeitigkeitsprinzip besagt, dass alles, was sich zum selben Zeitpunkt verändert, mit höherer Wahrscheinlichkeit als eine Struktur empfunden wird. Alternativ wird auch vom Gesetz der Synchronizität gesprochen.
Die Punkte, die gleichzeitig farbig blinken, werden als zusammengehörig empfunden.
Probleme von Gestaltgesetzen
Ein Kritikpunkt an den Gestaltgesetzen ist, dass sie nicht immer eindeutig sind. Deshalb führen sie nicht immer zu einer fehlerfreien Entscheidung. Zum Beispiel kann es vorkommen, dass sich zwei Gestaltgesetze widersprechen.
Hier widersprechen sich das Gesetz der Nähe und das Gesetz der verbundenen Elemente.
In unklaren Fällen kann das Gehirn die Informationen trotzdem so verarbeiten, dass wir die Realität korrekt wahrnehmen. Allerdings ist das kognitiv deutlich anspruchsvoller und verbraucht auch mehr Energie.
Gestaltgesetze werden deshalb als Heuristiken eingesetzt. Das bedeutet, sie liefern zwar nicht in jedem Fall die richtige Antwort, trotzdem lohnt sich die Anwendung, da durch die Automatisierung dieses Prozesses sehr viel Energie gespart wird. Da die Gesetze aber nicht mit Sicherheit zur richtigen Aussage führen, plädieren manche Psychologen auch dafür, das Wort Prinzipien zu verwenden.
Gestaltgesetze – Beispiele Alltag
Du hast bisher schon die wichtigsten Gestaltgesetze kennengelernt und weißt jetzt, was die einzelnen Prinzipien aussagen. Damit Du ein noch besseres Verständnis dafür bekommst, wie sie alltägliche Wahrnehmung möglich machen, siehst Du hier noch ein alltagsnahes Beispiel.
Hier siehst Du eine Lichterkette. Bevor Du weiter liest, kannst Du schon einmal darüber nachdenken, welche Gestaltgesetze hier von Bedeutung sein könnten.
Folgende Faktoren sind hier relevant:
- Gesetz der verbundenen Elemente, denn die einzelnen Lämpchen sind über ein Kabel verbunden.
- Gesetz der guten Fortsetzung, da die Kette eine sanfte Kontur ergibt.
- Gesetz der Ähnlichkeit, da die Glühbirnen oft gleich aussehen.
- Gesetz der Nähe, denn die Lämpchen liegen im Vergleich zu anderen Objekten relativ nah beieinander.
- Gesetz der Gleichzeitigkeit, weil die Lichter beim Einschalten gleichzeitig anfangen zu leuchten oder bei manchen Einstellungen auch synchron blinken.
Deshalb sind wir in der Lage, eine Lichterkette als ein geschlossenes Objekt wahrzunehmen.
Damit Du bis zur nächsten Prüfung auch wirklich Expert*in für Gestaltgesetze bist, kannst Du einmal im Alltag die Augen offen halten. Wenn Du aufmerksam hinsiehst, fallen Dir bestimmt viele Situationen auf, in denen mindestens eins davon Deine Wahrnehmung beeinflusst hat.
Gestaltgesetze - Das Wichtigste
- Gestaltgesetze – Definition Psychologie: Gestaltgesetze beinhalten Faktoren, die dafür sorgen, dass wir mehrere Elemente mit höherer Wahrscheinlichkeit als ein Objekt oder als zusammengehörig wahrnehmen.
- Begründet wurden sie von Psychologen der Berliner Schule der Gestaltpsychologie.
- Gestaltgesetze folgen dem Wahrscheinlichkeitsprinzip.
- Gestaltgesetze der Wahrnehmung: Die wichtigsten neun sind die Gesetze der Nähe, Ähnlichkeit, Prägnanz, Geschlossenheit, guten Fortsetzung, gemeinsamen Schicksals, gemeinsamen Region, Gleichzeitigkeit und verbundenen Elemente.
- Sie werden als Heuristiken verwendet, manche Psychologen sprechen deshalb eher von Prinzipien.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Gestaltgesetze
Wie viele Gestaltgesetze gibt es?
Bei dieser Frage gehen die Meinungen auseinander. Nicht alle Aufzählungen enthalten dieselben Gesetze. Meistens werden allerdings 4–10 Gestaltgesetze genannt.
Was sind Wahrnehmungsgesetze?
Wahrnehmungsgesetze sind Prinzipien, die beschreiben, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen. Vor allem bei Stimuli, die auf unterschiedliche Art und Weise wahrgenommen werden können, liefern sie Regeln dafür, welche dieser Interpretationen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit erlebt wird.
Was sind Gestaltprinzipien?
Gestaltprinzipien sind Faktoren, die dafür sorgen, dass wir mehrere Elemente mit höherer Wahrscheinlichkeit als ein Objekt wahrnehmen. Dazu zählen zum Beispiel Nähe und Ähnlichkeit.
Was ist das Gesetz der Ähnlichkeit?
Das Gesetz der Ähnlichkeit ist eins der von Max Wertheimer definierten Gestaltprinzipien. Es besagt, dass Elemente, die sich ähnlich sehen, mit höherer Wahrscheinlichkeit als ein Objekt wahrgenommen werden, als welche, die dies nicht tun. Das liegt daran, dass sich Punkte innerhalb eines Objekts eher ähneln als ein Objekt und der Hintergrund.
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