Eine Möglichkeit, das Verhalten zu erforschen, ist die vergleichende Verhaltensforschung der Psychologie.
Vergleichende Verhaltensforschung – Definition
Die Verhaltensforschung hat die zentrale Aufgabe, neue Erkenntnisse über das Verhalten zu erlangen. Diese werden in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen benötigt, zum Beispiel der Biologie und Psychologie. Die Definition der vergleichenden Verhaltensforschung lautet wie folgt:
Vergleichende Verhaltensforschung ist ein Begriff zur Bezeichnung der wissenschaftlichen Erforschung zumeist tierischen Verhaltens. Dabei steht der Vergleich verschiedener Arten im Vordergrund.
Vergleichende Verhaltensforschung – Funktion
Die vergleichende Verhaltensforschung hat die Funktion das Verhalten von verschiedenen Tierarten zu vergleichen, seltener auch von Menschen. Somit hat die Verhaltensforschung in der Psychologie die Funktion, durch den Vergleich mehr über die Gemeinsamkeiten und den Ursprung des Verhaltens zu erfahren. Der Vergleich kann sehr hilfreich sein, um zu weitreichenderen Erkenntnissen zu kommen.
Klassische vergleichende Verhaltensforschung
Die vergleichende Verhaltensforschung wird auch oft klassische vergleichende Verhaltensforschung genannt. Die Verhaltensforschung ist ein wichtiger Teilbereich der Verhaltensbiologie, die für die wissenschaftliche Erforschung von zumeist tierischem Verhalten verantwortlich ist.
Neben der Biologie finden die Ergebnisse der Verhaltensforschung in mehreren wissenschaftlichen Disziplinen Beachtung. Dazu gehören:
- die Psychologie
- die Soziologie
- die Pädagogik
- die Kognitionswissenschaften
Wenn du mehr zu den verschiedenen Themen der Verhaltensforschung erfahren willst, kannst du dir auch die Artikel zum adaptiven Verhalten und zur evolutionären Anpassung anschauen!
In der Verhaltensbiologie gibts es weitere Zweige, wie beispielsweise:
- die Humanethologie
- der Behaviorismus
- die Verhaltens-Neurologie
- die Verhaltens-Endokrinologie
- die Verhaltensökologie
Vergleichende Verhaltensforschung Grundlagen Ethologie
Die vergleichende Verhaltensforschung wird häufig auch Ethologie genannt. Dieser Begriff wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich vom Zoologen Isidore Geoffroy Saint-Hilaire geprägt und später auch ins Deutsche übernommen.
Die Bezeichnung ist abgeleitet vom altgriechischen "ethos" (Gewohnheit, Sitte, Brauch) und "lógos" (Lehre, Lehrsatz). Ethologie bedeutet also dem Wortsinne nach "die Wissenschaft/Lehre der Gewohnheiten".
Gelegentlich wird der Begriff der Ethologie allerdings auch für die gesamte Verhaltensbiologie verwendet. Die Ethologie ist ein Teilgebiet der Zoologie und eine Nachbardisziplin der Psychologie. Die vergleichende Verhaltensforschung gehört daher auch teilweise zur Psychologie.
Verhaltensforschung
Die Beobachtung und Analyse tierischen Verhaltens durch den Menschen reicht tausende Jahre zurück. Sie war lebensnotwendig, wenn man Tiere jagen musste. Als sicher belegt gilt die Erforschung des Tierverhaltens seit dem klassischen Altertum (vom 4. Jahrtausend v. Chr. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr.). Bereits Aristoteles (384–322 v. Chr.) hielt in seiner "Historia animalium" fest, dass es wichtig sei, zu untersuchen, ob das Verhalten durch innere Antriebe gesteuert werde und wie man die Ursachen erklären könne.
Die erste wissenschaftliche Betrachtung des Verhaltens von Tieren begann mit der Frage nach der Ontogenese der Verhaltensweisen und der Herkunft ihrer Angepasstheit. Die Basis dafür war Charles Darwins (1809–1882) Hauptwerk "Über die Entstehung der Arten". Darwin etablierte mit seinem Werk die Hypothese, dass das Verhalten, genau wie körperliche Merkmale, vererbbar ist.
Unter der Ontogenese wird die Entwicklung eines Einzelwesens bzw. eines einzelnen Organismus verstanden, in Abgrenzung zur Stammesentwicklung bzw. Phylogenese.
Die Verhaltensbiologie fand im 20. Jahrhundert den Eingang in den akademischen Lehrbetrieb der Hochschulen. Wichtiger Vertreter dieser Nachbardisziplin der Verhaltensgenetik waren:
- der Ethologe William Morton Wheeler (1865–1937)
- der Psychologe John Broadus Watson (1878–1958)
- der Biologe Johan Bierens de Haan (1883–1958)
- der Zoologe Nikolaas Tinbergen (1907–1988)
- der Zoologe Konrad Lorenz (1903–1989)
Abb. 1: Tinbergen (rechts) und Lorenz (links)
Verhaltensforschung Psychologie
Die klassische vergleichende Verhaltensforschung, die zunächst als "Tierpsychologie" bezeichnet wurde, wurde schließlich in den 1930er-Jahren von Oskar Heinroth (1871–1945), Konrad Lorenz (1903–1989) und Nikolaas Tinbergen (1907–1988) begründet. Sie gingen von dem damals grundlegend neuen Ansatz aus, dass die vielfältigen und komplexen Verhaltensabläufe der Tiere aus Grundbausteinen des Verhaltens aufgebaut sind. Diese nannte man Erbkoordinationen bzw. Instinktbewegungen.
Die Forscher bemühten sich in erster Linie um eine genaue Beschreibung der Verhaltensweisen einzelner Tierarten. Dazu nahmen sie Ethogramme zur Hilfe und arbeiteten experimentell. Außerdem gingen sie, im Gegensatz zum Behaviorismus, von inneren, spontanen Antrieben für das Verhalten aus. Die Forscher verglichen (aufgrund der unterstellten Vererbbarkeit der Verhaltensweisen) das Verhalten verwandter Arten in einer ähnlichen Weise miteinander, wie auch anatomische Merkmale miteinander verglichen werden. Daher auch der Begriff "vergleichende Verhaltensforschung".
Ethogramme sind exakte Beschreibungen aller bei einer Tierart beobachtbaren Verhaltensweisen.
Der Behaviorismus (engl. behaviorism, von engl. behavior = Verhalten) erforscht das Verhalten von Menschen und Tieren mit naturwissenschaftlichen Methoden. Dabei beschränkt man sich auf das rein von außen beobachtbare Verhalten als Reaktion auf einen Reiz. Die geistigen Prozesse, zum Beispiel Emotionen, die Motivation oder Wünsche, die der Reaktion zugrunde liegen, werden also vernachlässigt.
Lies dir gerne unsere Artikel zum Behaviorismus durch, wenn du mehr darüber erfahren möchtest!
Die Instinkttheorie
Die Instinkttheorie ist eine der Grundlagen der vergleichenden Verhaltensforschung. Oskar Heinroth hatte das Verhalten von diversen Gänse- und Entenarten studiert und festgestellt, dass bestimmte Bewegungsweisen von Tieren gleichen Geschlechts und gleicher Art mit immer denselben Gesten bzw. Körperhaltungen ausgeführt werden. Diese formkonstanten Bewegungen nannte Heinroth "arteigene Triebhandlungen".
Ähnliche Verhaltensweisen fand Heinroth bei unterschiedlichen Tieren, die zu verwandten Arten gehörten. So besitzen Gänse und Enten arteigene Triebhandlungen. Bei verschiedenen Gänsearten ähneln sich diese Verhaltensmuster allerdings. Diese Beobachtung kann ein Hinweis auf einen evolutionären Ursprung dieser Verhaltensweisen sein. Es kann also darauf hindeuten, dass das Verhalten sich bei einer Art entwickelt hat, und dann genetisch an die Unterarten weitergegeben wurde.
Die ethologische Instinkttheorie besagt, dass instinktive Verhaltensweisen, die durch bestimmte Reize (Schlüsselreize) ausgelöst werden, schon im Erbgut verankert sind. Sie haben sich im Laufe der Evolution entwickelt und dienen dazu, Gene an die jeweils weitere Generation zu übergeben. Vereinfacht gesagt: Damit bleibt die (Tier-)Art erhalten.
Instinkte sind also tief verankert. Sie verändern sich demnach sehr langsam und über viele Generationen hinweg. Instinkte dienen nicht nur dem eigenen Überleben, sondern auch dem Schutz der Nachkommen.Ein bekanntes Beispiel für eine solche Instinktbewegung ist die Eirollbewegung der Graugans:
Das Ei stellt den Schlüsselreiz dar. Wenn ein Ei aus dem Nest gerät, reckt die Gans ihren Schnabel über das Ei hinweg und rollt es mithilfe ihres Schnabels zurück ins Nest. Diese Bewegung läuft immer gleich ab und wird auch dann zu Ende geführt, wenn das Ei während des Vorgangs von einem Versuchsleiter entfernt wird. Diese starre und angeborene Form des Verhaltens gilt nach Heinroth als arteigene Triebhandlung und wurde von Konrad Lorenz als Erbkoordination bezeichnet.
Kennzeichnend für die ethologische Instinktforschung in der Verhaltensforschung ist die Betonung der Freilandforschung, also das Beobachten und Erklären des Verhaltens unter natürlichen Umweltbedingungen. Mithilfe von Ethogrammen können Verhaltensprotokolle erstellt werden. Hier werden Häufigkeiten und zeitliche Abfolgen der Verhaltensweisen aufgelistet. Dadurch wird es möglich, sowohl die Häufigkeiten als auch das Aufeinanderfolgen von Verhaltensweisen qualitativ und quantitativ zu beschreiben.
Quantitative Methoden sind zum Beispiel Messungen und die Analyse statistischer Daten, Befragungen und Tests. Bei der qualitativen Forschung werden detailliertere, subjektive und individuelle Erkenntnisse ermittelt, die sich nicht wirklich messen lassen. Wenn du mehr über die Forschungsmethoden erfahren möchtest, kannst du dir gerne unseren Artikel dazu anschauen!
Die zentralen Konzepte der klassischen vergleichenden Verhaltensforschung bzw. Ethologie, so auch das Instinktkonzept, wurden allerdings 1990 von Wolfgang Wickler, einem Schüler von Konrad Lorenz, und 1992 von Hanna-Maria Zippelius, einer Schülerin von Karl von Frisch, kritisiert. Ihrer Kritik vorausgegangen war bereits fast 30 Jahre zuvor in den USA eine ausführliche Analyse, in dem die Instinkt-basierte Ethologie unter anderem als voreingenommen bezeichnet wurde.
Methoden der vergleichenden Verhaltensforschung
Am Beginn der Studien zur Verhaltensforschung steht normalerweise die Beobachtung der Tiere. Um keine verfälschten Ergebnisse zu haben, sollte diese Beobachtung vorzugsweise ohne Beeinflussung durch den Beobachter oder die Beobachterin erfolgen.
Schwierig sind bei diesem Schritt oft:
Hunde machen im Schlaf oftmals Bell- oder Knurrgeräursche. Sollen diese mit dem Bellen oder Knurren eines wachen Hundes gleichgesetzt werden?
Wann Zugvögel in ihre Überwinterungsgebiete fliegen, wird von ihrem Hormonspiegel gesteuert. Der Hormonspiegel der Vögel wiederum wird von der Länge der Tage beeinflusst. Was ist hier also die wichtigere Ursache? Die Tageslänge, die den Hormonspiegel verändert oder der Hormonspiegel, der die Vögel zum Wandern bewegt?
Ist ein bestimmtes beobachtbares Verhalten angeboren oder erlernt?
Wenn die zuvor beschriebenen Zugvögel sich nun auf den Weg in Richtung Winterquartier machen, fliegen sie von Deutschland aus zuerst nach Westen. Sie fliegen über ganz Frankreich und Spanien. Ungefähr auf der Höhe von Gibraltar wechseln die Vögel ihren Kurs nach Süden. Auch wenn dieses Verhalten gut dokumentiert ist, sind die Gründe dafür noch unbekannt.
Abb. 2 Zugvögel
Von Verhaltensforscherinnen und Verhaltensforschern werden zumeist Freilandversuche und Laborexperimente durchgeführt. Experimente im Labor dienen häufig dem Erforschen der physiologischen Grundlagen des Verhaltens. Beispielsweise können so Hormonkonzentrationen im Blut festgestellt werden. Verhaltensexperimente werden in der Regel an lebenden Tieren durchgeführt, zur Untersuchung von beispielsweise neuronalen oder hormonellen Detailfragen werden auch oft einzelne Zellen untersucht.
Verhaltensforschung Hund
Ein Beispiel für die Bedeutung der Verhaltensforschung ist das Bellen eines Hundes. Für Menschen klingt das Bellen oft nervig und wir haben nicht immer Verständnis dafür. Doch für einen Hund ist es ein wichtiges Kommunikationsmittel, das er für den Austausch mit Artgenossen benötigt. Die verschiedenen Bell-Laute haben also ganz spezifische Funktionen.
Dabei kann es für den Menschen nützlich sein, die Laute einordnen zu können und somit Neues über das Verhalten des Hundes zu lernen. Unter dem Einsatz von Technik zur Analyse der Laute können zum Beispiel die Entwicklung und die Folgen des Bellens gedeutet werden.
Verhaltensforschung Mensch
Selten wird die Verhaltensforschung auch dazu genutzt, mehr über das Verhalten von Menschen zu verstehen. Einige Studien versuchen sich dabei zum Beispiel in der Entschlüsselung der biologischen Grundlagen von Verhalten. Andere konzentrieren sich auf die evolutionäre Herleitung von Verhalten. Komplexe kognitive Vorgänge bei Menschen werden beispielsweise mit schwierigen Puzzleaufgaben untersucht.
Ein Beispiel für menschliche Verhaltensstudien:
Bei Verhaltensstudien mit Menschen kommen häufig interaktive Spiele zum Einsatz. Man kann dabei gut die Kooperationsbereitschaft, Denkstrategien oder das Einfühlungsvermögen untersuchen.
Eine besondere Herausforderung in den psychologischen Experimenten ist es, den Teilnehmenden nicht zu viel über das Erkenntnisinteresse der Forschenden zu verraten. Andernfalls würden diese im Wissen um die Studienziele möglicherweise ihr Verhalten an diese anpassen.
Vergleichende Verhaltensforschung - Das Wichtigste
- Vergleichende Verhaltensforschung ist ein Begriff zur Bezeichnung der wissenschaftlichen Erforschung zumeist tierischen Verhaltens, wobei der Vergleich verschiedener Arten im Vordergrund steht.
- Die vergleichende Verhaltensforschung wird häufig auch Ethologie genannt. Der Begriff Ethologie wird gelegentlich auch für die gesamte Verhaltensbiologie verwendet.
- Die klassische vergleichende Verhaltensforschung wurde in den 1930er-Jahren von Oskar Heinroth, Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen begründet.
- Die Instinkttheorie ist eine der Grundlagen der vergleichenden Verhaltensforschung. Oskar Heinroth hatte das Verhalten von diversen Gänse- und Entenarten studiert und festgestellt, dass bestimmte Bewegungsweisen von Tieren gleichen Geschlechts und gleicher Art mit immer denselben Gesten und Körperhaltungen ausgeführt werden.
Nachweise
- Abb. 1 - Tinbergen und Lorenz by Max Planck Gesellschaft (www.mpg.de) licensed under CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en)
- Abb. 2 - Zugvögel by Regine Tholen on Unsplash licensed under CC0 1.0 (https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/)
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