Was es sich mit der betrieblichen Mitbestimmung auf sich hat und welche gesetzlichen Grundlagen es gibt, erfährst Du in dieser Erklärung.
Betriebliche Mitbestimmung – Definition
Die betriebliche Mitbestimmung ist eine Möglichkeit für Arbeitnehmer*innen auf Augenhöhe mit der Betriebsleitung Entscheidungen für das Unternehmen zu treffen. Der Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung beschränkt sich in der Regel nur auf soziale Fragen. Ökonomische Entscheidungen werden meistens von der Betriebsleitung allein gefällt.
Die betriebliche Mitbestimmung dient vor allem dem Schutz von Arbeitnehmer*innen. Seit der Einführung von betrieblicher Mitbestimmung haben sich die Arbeitsbedingungen erheblich verbessert. Im 19. Jahrhundert, als es noch keine Möglichkeiten der Mitbestimmung gab, mussten die Arbeiter*innen über zwölf Stunden am Tag in Fabriken schuften. Heutzutage hat sich die Regelarbeitszeit auf acht Stunden reduziert.
Alle Unternehmen mit einer deutschen Rechtsform müssen eine Möglichkeit zur betrieblichen Mitbestimmung gewährleisten. Ausgenommen sind Unternehmen mit einer ausländischen Rechtsform, wie beispielsweise eine amerikanische incorporated. Das sind inzwischen schätzungsweise 100 Unternehmen in Deutschland, welche keine Mitbestimmung anbieten.
Betriebliche Mitbestimmung – Möglichkeiten
Zum einen kann man sich als Arbeitnehmer*in in einem der Organe der betrieblichen Mitbestimmung engagieren. Von den verschiedenen Organen muss man nicht einmal selbst Mitglied sein. Schon durch die aktive Teilnahme an etwa Betriebsratswahlen kann man den Betrieb mitgestalten. Aber dazu erfährst Du später mehr.
Außerhalb des eigenen Betriebes kann man sich in einer Gewerkschaft engagieren und damit die Arbeitsweise in einer ganzen Branche mitgestalten.
Bei Betrieben mit flachen Hierarchien sind Übergänge zwischen Führenden und Geführten oft sehr flexibel. Die Unternehmensziele werden oft von vorneherein gemeinsam abgestimmt, um die Motivation von Mitarbeiter*innen hochzuhalten.
Betriebliche Mitbestimmung – Organe
Es gibt verschiedene Organe der betrieblichen Mitbestimmung. Die wichtigsten sind:
Der Betriebsrat (oder Personalrat)
Jugend- und Auszubildendenvertretung
Schwerbehindertenvertretung
Betriebsrat
Ein Betriebsrat ist eine gewählte Vereinigung, welche die Interessen von Arbeitnehmer*innen innerhalb eines Betriebes vertritt.
Die Rechte des Betriebsrates sind vielfältig. In manchen Belangen hat der Betriebsrat nur ein Informationsrecht. Das heißt, die Betriebsleitung muss den Betriebsrat über Entscheidungen informieren, der Rat hat aber kein eigenes Mitspracherecht. Andere Themen darf die Betriebsleitung nur mit Zustimmung des Betriebsrates bestimmen (sog. Mitbestimmungsrecht)
Über die Osterfeiertage gibt es im Lebensmittelhandel immer extrem viel zu tun. Deswegen geben Lebensmittelhändler über diese Feiertage keinen Urlaub. Wenn sich die Geschäftsleitung eine allgemeine Urlaubssperre wünscht, muss sie diese zuerst vom Betriebsrat genehmigen lassen. Bei dieser Entscheidung hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht.
Bei der Mitbestimmung gibt es noch abgemilderte Rechte. So hat der Betriebsrat manchmal die Möglichkeit angehört zu werden oder kann der Geschäftsleitung beratend zur Seite stehen. Auch bei der Einstellung von neuen Mitarbeiter*innen hat der Betriebsrat eine Entscheidungsmöglichkeit.
Mitglied des Betriebsrates kann jeder volljährige wahlberechtigte Angestellte der Firma sein, welcher schon mindestens sechs Monate dem Betrieb angehört. Der Betriebsrat wird auf vier Jahre gewählt. Während der Amtszeit und ein Jahr danach sind Betriebsratsmitglieder nur noch in Ausnahmefällen kündbar.
Personalrat
Der Personalrat hat dieselben Aufgaben, wie ein Betriebsrat. Personalräte findet man im öffentlichen Dienst, also immer dann, wenn das Bundesland oder der Bund der Arbeitgeber ist oder bei anderen öffentlichen Unternehmen, wie z. B. öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehsender.
Jugend- und Auszubildendenvertretung
Die Jugend- und Auszubildendenvertretung kümmert sich um alle Belange von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, welche in einem Betrieb beschäftigt sind. Dabei sprechen sie sich in der Regel stets mit dem Betriebsrat ab.
Eine Jugend- und Auszubildendenvertretung kann gebildet werden, sobald es mehr als fünf Arbeiter*innen unter 18 oder fünf Auszubildende unter 25 Jahre im Unternehmen gibt. Als Vertretung kann jeder, der sein 25. Lebensjahr noch nicht überschritten hat, gewählt werden. Die Amtszeit beträgt in der Regel zwei Jahre.
Die Vertreter können auch an Betriebsratssitzungen teilnehmen. Mögliche Aufgaben sind die Verbesserung der betrieblichen Ausbildung, die Kontrolle der Einhaltung des Berufsbildungsgesetzes und der Ausbildungsordnung sowie Tarifverhandlungen.
Schwerbehindertenvertretung
Die Schwerbehindertenvertretung vertritt die Interessen der schwerbehinderten Arbeitnehmer*innen.
Eine Schwerbehindertenvertretung wird gewählt, wenn es in einem Betrieb mindestens fünf Schwerbehinderte gibt. Die Mitglieder werden für vier Jahre gewählt. Die Mitglieder der Vertretung müssen nicht zwingend selbst schwerbehindert sein. Dies kann zum Beispiel bei geistigen Behinderungen Sinn ergeben, wenn die beeinträchtigte Person nicht selbst in der Lage ist, für ihre Rechte einzustehen.
Die Schwerbehindertenvertretung kontrolliert, ob alle gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Weiterhin sorgen sie für präventive Maßnahmen und Beratungen. Des Weiteren können bei der Schwerbehindertenvertretung Beschwerden abgegeben werden.
Betriebliche Mitbestimmung – Vor- und Nachteile
Die betriebliche Mitbestimmung bringt einige Vor- und Nachteile mit sich:
Vorteile | Nachteile |
- Betrieb wird demokratischer gestaltet (Es gibt keine willkürlichen und spontanen Entscheidungen)
- Entscheidungen werden länger diskutiert
- Betroffene haben ein Mitspracherecht
- Motivation von Arbeitnehmer*innen durch das zusätzliche Mitspracherecht
- Arbeitnehmer*innen fühlen sich mehr zum Betrieb gehörig
| - zusätzliche Kosten (Freistellung des Betriebsrates)
- Entscheidungsprozesse werden verlangsamt
- eigentliche Arbeit kann zu kurz kommen
|
Insgesamt überwiegen die Vorteile bei der betrieblichen Mitbestimmung.
Betriebliche Mitbestimmung – Gesetzliche Grundlagen
Im Laufe der Geschichte der Bundesrepublik wurden einige gesetzlichen Regelungen eingeführt, welche es Mitarbeiter*innen ermöglicht, mehr im Betrieb mitzubestimmen.
Betriebsverfassungsgesetz
In dem 1952 festgelegtem und seitdem öfter erweiterten Betriebsverfassungsgesetz wurden die grundlegenden Fragen zur Aufstellung eines Betriebsrates geklärt. Das Gesetz gilt für alle Betriebe mit mindestens fünf Mitarbeiter*innen. Außer dem Betriebsrat werden auch die gesetzlichen Regelungen zum Jungendbetriebsrat und der Schwerbehindertenvertretung dort festgeschrieben.
Montan-Mitbestimmungsgesetz
Das Montan-Mitbestimmungsgesetz ist aus dem Jahr 1951 und hat für die Eisen- und Stahlindustrie festgelegt, dass in Aktiengesellschaften und GmbHs der Aufsichtsrat nur mit Zustimmung der Arbeitnehmerseite einberufen werden kann.
Mitbestimmungsgesetz
1976 wurde im Mitbestimmungsgesetz festgelegt, wie in Firmen und Konzernen mit mehr als 2.000 Mitarbeiter*innen der Aufsichtsrat zusammengesetzt werden muss. Der Aufsichtsrat muss gleichwertig mit Arbeitnehmervertretern und Anteilseignern besetzt werden. Die Pflichten und Rechte wurden ebenfalls festgelegt.
Drittelbeteiligungsgesetz
Das Drittelbeteiligungsgesetz aus dem Jahr 2004 stellt eine Erweiterung des Betriebsverfassungsgesetzes dar. Es regelt die Mitbestimmungen von Arbeitnehmer*innen in Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten. In Unternehmen in dieser Größe besteht der Aufsichtsrat zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern und zu zwei Drittel aus Anteilseignern.
EU-Regelungen
Die vorher genannten Regelungen wurden alle Stück für Stück in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt. Viele Regelungen wurden auch auf EU-Ebene eingeführt. So wurden 1994 europäische Betriebsräte eingeführt, welche sich um Unternehmen kümmern, die in mehreren Ländern tätig sind. Die europäische Aktiengesellschaft (SE) bekam im Jahr 2001 Regelungen zur Mitbestimmung von Mitarbeiter*innen.
Betriebliche Mitbestimmung - Das Wichtigste
- Die betriebliche Mitbestimmung ist eine Möglichkeit für Arbeitnehmer*innen auf Augenhöhe mit der Betriebsleitung Entscheidungen für das Unternehmen zu treffen.
- Organe der betrieblichen Mitbestimmung sind:
- Betriebsrat (oder Personalrat)
- Jugend- und Auszubildendenvertretung
- Schwerbehindertenvertretung
- Die vermehrte Mitbestimmung von Mitarbeiter*innen sorgt für mehr Vorteile als Nachteile. So sorgt sie für eine erhöhte Motivation und Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter*innen. Dies überwiegt die Nachteile, wie die erhöhten Kosten.
- Die betriebliche Mitbestimmung wurde erst durch verschiedene Gesetze ermöglicht, wie das Betriebsverfassungsgesetz oder das Mitbestimmungsgesetz.
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