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Der Begriff Billigkeit leitet sich von dem altgriechischen Wort Epikie (ἐπιείκεια) ab und war insbesondere in der frühen Moralethik von Bedeutung. So bezeichnete Billigkeit eine Tugend und eine Handlungsmöglichkeit, bei der von der strikten Gesetzesanwendung in Einzelfällen abgewichen werden konnte, um in der konkreten Situation sich (moralisch) richtig verhalten zu können.
Unter dem Begriff der Billigkeit wird heute ein Maßstab verstanden, der trotz der Allgemeingültigkeit rechtlicher Normen Härtefälle berücksichtigt und diese unter Gerechtigkeitserwägungen mildert. Dazu kann im Einzelfall der gleiche Tatbestand verschieden ausgelegt werden und damit zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Dabei ist Billigkeit ein unbestimmter Rechtsbegriff, der durch die ständige Rechtsprechung konkretisiert wird.
Billigkeit: Definition & Beispiele
Ziel der Anwendung von Billigkeit ist es, gesetzliche Regelungen an einen Einzelfall angemessen anzupassen und dafür von strikten Gesetzesstrukturen abweichen zu können. Dabei hat der Gesetzgeber einerseits Generalklauseln und andererseits spezifische Normen eingeführt.
Als Generalklauseln werden all diejenigen Normen bezeichnet, bei denen der Tatbestand sehr weit gefasst ist, damit möglichst viele Einzelfälle erfasst werden können.
Damit sollen konkrete Einzelfälle gerecht beurteilt werden können. Dies ist natürlich sehr theoretisch, deswegen kannst Du Dir das einmal genauer an zwei Beispielen ansehen:
Ein Beispiel für eine Generalklausel ist § 242 BGB. Darin heißt es:
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Du fragst Dich vielleicht, was unter der Formulierung von "Treu und Glauben" zu verstehen ist. Vereinfacht bedeutet dies, dass sich jeder anständig verhalten sollte. Mit dieser Formulierung wurde versucht, das Gesetz so allgemeingültig wie möglich zu halten, da nicht jeder Einzelfall gesetzlich geregelt werden kann. Im Laufe der Zeit wurde "Treu und Glauben" von der Rechtsprechung immer weiter konkretisiert.
Beispielsweise verstößt derjenige gegen "Treu und Glauben", der einen bestellten Fernseher um Mitternacht liefern möchte.
Ein anderes Beispiel für eine Generalklausel ist § 138 Abs. 1 BGB:
Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
Hier fragst Du Dich wahrscheinlich, was denn mit "guten Sitten" gemeint ist. Auch diese Formulierung wird als unbestimmter Rechtsbegriff bezeichnet und soll möglichst viele Einzelfälle erfassen. Dabei orientiert sich der Begriff vordergründig an moralischen Prinzipien. So ist es etwa sittenwidrig, jemanden gegen Geld zu beauftragen, eine andere Person zu töten. Hier würde der Vertrag gegen die guten Sitten verstoßen.
Neben solchen Generalklauseln gibt es noch spezifische Gesetze, die in der Regel einen engeren Tatbestand als Generalklauseln haben und die im Streitfall zu einer Billigkeitsprüfung führen können:
So legt beispielsweise § 106 S. 1 GewO folgendes fest:
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
Dein Onkel Ole ist leidenschaftlicher Fernfahrer und hat vor 7 Monaten eine neue Arbeitsstelle bei einer Spedition angenommen. Dabei fährt Ole 5 Tage pro Woche 8 Stunden pro Tag zwischen Gießen und Wetzlar, damit er sich als alleinerziehender Vater auch um seine drei Kinder kümmern kann.
Nach einigen Monaten erhält die Spedition einen sehr lukrativen Auftrag für Fahrten nach Litauen und möchte Ole dafür einsetzen. Obwohl einige zuverlässige Kollegen gerne bereit wären, diese Fahrten zu übernehmen, will die Spedition allein Ole dafür einsetzen. Dies würde bedeuten, dass Ole während der Woche sich nicht mehr um seine Kinder kümmern könnte und seine Mutter die Kinderbetreuung übernehmen müsste.
Ole wendet sich völlig verzweifelt an seinen Anwalt. Dieser erklärt ihm, dass der Arbeitgeber zwar grundsätzlich nach § 106 S. 1 GewO über Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsleistung entscheiden kann, aber im vorliegenden Fall diese Weisung unbillig wäre.
Um festzustellen, ob du eine Billigkeitsprüfung an einem Fall beziehungsweise Sachverhalt durchführen kannst, bieten sich folgende Schritte an:
Schritt | Beispiel |
Ausgangsfall | Du hast einen Kredit von 100.000 € bei der Bank "SmarterMoney" aufgenommen und willst diesen nach einem Jahr auf 200.000 € verdoppeln. Die Bank möchte für die Erhöhung jedoch eine Sicherheit und verlangt eine Bürgschaft. Die einzige Person, die dir dafür einfällt, ist Deine 18-jährige Schwester Martina, die keinen Schulabschluss hat, von Arbeitslosengeld II lebt und am liebsten auch gar nicht arbeiten gehen möchte.Die Bank setzt deine Schwester unter Druck, bis sie schließlich nachgibt und den Bürgschaftsvertrag unterschreibt. Dies bedeutet, dass, wenn du die Kreditraten nicht mehr bezahlen kannst, deine Schwester für den Kredit aufkommen muss. |
1. Wird der Sachverhalt von Gesetzen erfasst, die einen engen Tatbestand und eine strikte Rechtsfolge ohne Ermessensspielraum haben?Nein, dann prüfst Du weiter. | Es gibt kein spezifisches Gesetz, das verbietet, dass jemand für einen solch hohen Kredit bürgen darf. Der abgeschlossene Bürgschaftsvertrag verstößt somit nicht gegen ein Gesetz mit einem engen Tatbestand. |
2. Wird der Sachverhalt von spezifischen Gesetzen erfasst, die die Anwendung von Billigkeit direkt veranlassen? Wenn nicht, dann geht es auch hier weiter. Nein, dann prüfst Du weiter. | Auch gibt es kein spezifisches Gesetz, die in einem solchen Fall direkt eine Billigkeitsprüfung veranlasst. |
3. Wird der Sachverhalt von einer Generalklausel erfasst? Nein, dann ist eine Anwendung von Billigkeit nicht möglich. | Aber der konkrete Fall wird von der Generalklausel § 138 Abs. 1 BGB (Sittenwidrigkeit), die Du bereits kennengelernt hast, erfasst.Zur Erinnerung – der Wortlaut von § 138 Abs. 1 BGB lautet:"Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig."In diesem Beispielsfall wird Deine Schwester Martinabei Eintritt der Bürgschaft finanziell überfordert. Dies hätte die Bank sehen müssen, hat aber dennoch auf Martina Druck ausgeübt und sich somit sittenwidrig verhalten. Der Bürgschaftsvertrag verstößt gegen die guten Sitten und ist somit nichtig. |
Sofern eine Billigkeitsprüfung notwendig und möglich ist, schreibst Du Dir am besten zunächst einmal alle Interessen der einen und der anderen Partei auf. Danach sammelst du Argumente für die eine und andere Seite und wägst diese gegeneinander ab. So werden sämtliche Umstände der jeweiligen Partei berücksichtigt.
Billigkeit: Anwendung in Recht & Jura
Der Begriff der Billigkeit findet in allen juristischen Gebieten des Zivilrechts, Strafrechts und öffentlichen Rechts Anwendung und wird in vielen Gesetzen zitiert.
Relevanz von Billigkeit im Strafrecht
So gibt es im Strafrecht Vorschriften, die direkt eine Billigkeitsprüfung ermöglichen. Beispielsweise besteht nach § 153 Abs. 1 StPO die Möglichkeit, ein Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen.
Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht.
Wie Du an dem Wortlaut erkennen kannst, kann das Verfahren eingestellt werden. Das bedeutet, dass in bestimmten Einzelfällen der Ermessensspielraum zur Einstellung führen kann.
Du gehst mittags in die Schulcafeteria und holst Dir ein Stück Pizza. Nachdem Du dies aufgegessen hast, steckst Du das Besteck, welches einen Gesamtwert von 1,50 € hat, in Deine Schultasche und nimmst es mit nach Hause.
Mit dem Einstecken des Bestecks hast Du einen Diebstahl nach § 242 Abs. 1 StGB begangen. Allerdings kann hier das Verfahren wegen Geringfügigkeit und mangelndem Interesse eingestellt werden.
Hier findest Du auch noch ein anderes, vertiefendes Beispiel für die Billigkeit im Strafrecht:
In § 4 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) heißt es, dass eine Entschädigung nur dann gezahlt wird, wenn es der Billigkeit entspricht. Dies ist natürlich sehr theoretisch, deswegen hilft Dir vielleicht folgendes Beispiel:
Arthur wurde von einem deutschen Gericht wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Tat und weiteren Delikten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Er saß jedoch allein schon 3 Jahre, 3 Monate und 19 Tage in Untersuchungshaft. Dabei war das zu erwartende Strafmaß zunächst wesentlich höher. Erst durch ein spätes Geständnis von Arthur fiel das Urteil milder und die Zeit der Haftstrafe deutlich kürzer aus.
Da sich durch das Geständnis schon abzeichnete, dass das Strafmaß geringer als zunächst angenommen sein würde, wurde Arthur zügig nach seinem Geständnis aus der Untersuchungshaft entlassen. Er möchte nun mit der Hilfe seines Anwaltes Entschädigung für die 19 Tage Untersuchungshaft erhalten. Hier muss das Gericht also entscheiden, ob es billig ist, Arthur für die 19 Tage, die er über sein Urteil hinaus in Untersuchungshaft saß, eine Entschädigung gemäß § 4 StrEG zu zahlen. Dabei wird, wie bei vielen Billigkeitsentscheidungen, dem Gericht ein Ermessensspielraum eingeräumt. Somit muss das Gericht alle Umstände des Falls in einer Gesamtwürdigung abwägen.
Gegen eine Auszahlung spricht insbesondere, dass es ein vergleichsweise geringer Zeitraum von 19 Tagen Untersuchungshaft war. Zudem war das zunächst erwartete Strafmaß wesentlich höher und Arthur entschied sich erst spät, nämlich nach Jahren, ein Geständnis abzulegen. Seine Entlassung erfolgte auch direkt nach seinem Geständnis. Grundsätzlich war er also selbst dafür verantwortlich, denn er hätte sich wesentlich früher auf den Vorwurf einlassen können, ein Geständnis ablegen und damit aus der Untersuchungshaft entlassen werden können. Dies tat er jedoch nicht. Diese Entscheidung ist ihm allein zurechenbar. Aufgrund dieser Argumente wäre es unbillig, Arthur eine Entschädigung für die 19 Tage Untersuchungshaft gemäß § 4 StrEG zu zahlen.
Dieses Beispiel basiert auf einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle. Wenn Du mehr über den Fall und das Urteil lesen möchtest, findest Du dies unter folgenden Angaben: OLG Celle, 4. Strafsenat, Urteil vom 29.04.2020, 4 StS 2/20.
Relevanz von Billigkeit im öffentlichen Recht
Innerhalb des öffentlichen Rechts nimmt Billigkeit insbesondere im Verwaltungsrecht eine wichtige Rolle ein. So haben regelmäßig sowohl Behörden als auch Verwaltungsgerichte Ermessensspielräume, die sie nach Billigkeitsgründen ausfüllen können. Beispielsweise kann die Finanzbehörde nach § 227 Abgabenordnung (AO) Steuerschulden oder Säumniszuschläge ganz oder teilweise erlassen, wenn deren Einziehung im konkreten Fall unbillig wäre.
Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.
Auch das ist natürlich sehr theoretisch, deswegen kann Dir dieser Beispielsfall helfen:
Dein alleinstehender Onkel Ulf soll seine Einkommenssteuer bis zum 31. Juli 2021 zahlen. Als er am 20. Juli 2021 auf dem Weg zur Bank ist, um die Überweisung zu veranlassen, gerät er unverschuldet in eine Schlägerei zwischen zwei Banden und wird schwer verletzt. Er schwebt zeitweise in Lebensgefahr und wird monatelang ins künstliche Komma versetzt. Als er nach 8 Monaten aus dem Krankenhaus entlassen wird, entdeckt er zu Hause einen Brief vom Finanzamt, welches Säumniszuschläge festgesetzt hat, da er die Einkommenssteuer nicht rechtzeitig gezahlt hat.
UIf ist natürlich ganz aufgeregt und wendet sich an seinen Anwalt. Sein Anwalt beruhigt ihn und sie stellen einen Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge wegen unbilliger Härter nach § 227 AO, dem auch stattgegeben wird.
Relevanz von Billigkeit im Zivilrecht
Im Zivilrecht ist Billigkeit von enormer Bedeutung. Denn gerade im Rechtsstreit zwischen Bürgern müssen Ansprüche und Gegenansprüche zueinander möglichst im Gleichgewicht stehen. Um dies zu erreichen, muss im Einzelfall eine Billigkeitsprüfung erfolgen.
Billigkeitsprüfung von AGB auf Grundlage von Generalklauseln
So kann eine Billigkeitskontrolle auf allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) angewendet werden.
Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen immer dann vor, wenn es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen handelt, die für eine Vielzahl von Verträgen erstellt und von einer Vertragspartei in den Vertrag einbezogen wurden.
Du hast bestimmt schon einmal von den allgemeinen Geschäftsbedingungen gehört oder gelesen, denn diese sind in unserem Alltag überall zu finden.
Du willst im Internet die neue Spielekonsole "PlayStudy" für 199,- Euro bestellen. Dazu legst Du die Konsole in den digitalen Warenkorb. Bevor Du allerdings die Bestellung abschickst, musst Du erst den AGB des Verkäufers zustimmen.
Aber auch bei Downloads oder Registrierungen musst Du den jeweiligen AGB zustimmen. So hast Du bei Deiner Registrierung auf StudySmarter.de den AGB zugestimmt.
Dabei kann eine Billigkeitskontrolle der AGB rechtlich auf § 242 BGB beruhen.
§ 242 (Leistung nach Treu und Glauben)
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Das heißt, Du prüfst im Rahmen von § 242 BGB die Billigkeit von Rechtsgeschäften. Wie Du schon weißt, wird § 242 BGB auch als Generalklausel bezeichnet, da der Wortlaut der Rechtsnorm sehr weit gefasst ist und ständig durch Gerichte überprüft werden muss.
Um die Billigkeitsprüfung von AGB auf Grundlage von Generalklauseln besser zu verstehen, hilft Dir eines der vorherigen Beispiele:
Angenommen ein Verkäufer schreibt in seine AGB, dass er die Ware grundsätzlich immer mitternachts an Deine Haustür liefert, dann wäre diese Klausel der AGB aufgrund von § 242 BGB unwirksam.
Eine andere Generalklausel, die in Hinblick auf zivilrechtliche Billigkeit genannt werden muss, ist § 138 Abs. 1 BGB. Diese Norm regelt die Sittenwidrigkeit.
§ 138 (Sittenwidriges Rechtsgeschäft, Wucher)
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
Du möchtest dich im Internet auf einer kostenlosen Plattform mit Sportvideos registrieren. Für die Registrierung musst Du den AGB zustimmen. Dort heißt es, dass die Videos nur kostenlos zur Verfügung gestellt werden, wenn man ein zweijähriges Abo für die hauseigene Sportzeitschrift abschließt.
Das ist an sich noch nicht sittenwidrig. Allerdings kostet das geforderte Abo 60,- Euro im Monat, wobei man dafür lediglich vier Zeitschriften bekommt. Eine Zeitschrift, die noch dazu nicht sehr umfangreich ist, würde also 15 € kosten.
Hier gibt es ein auffälliges Missverhältnis zwischen Preis und Leistung, weswegen diese AGB-Klausel gemäß § 138 BGB sittenwidrig und damit unwirksam ist.
Spezifische Billigkeitsprüfung im Deliktsrecht
Zudem gibt es im Zivilrecht auch Normen, die eine Billigkeit direkt erwähnen und bei denen Du direkt Bezug auf die Gesetzesnorm nehmen kannst, ohne die Generalklausel von § 242 BGB anzuwenden. So gibt es im Rahmen des Deliktsrechts den § 829 BGB.
Wer in einem der in den §§ 823 bis 826 bezeichneten Fälle für einen von ihm verursachten Schaden auf Grund der §§ 827, 828 nicht verantwortlich ist, hat gleichwohl, sofern der Ersatz des Schadens nicht von einem aufsichtspflichtigen Dritten erlangt werden kann, den Schaden insoweit zu ersetzen, als die Billigkeit nach den Umständen, insbesondere nach den Verhältnissen der Beteiligten, eine Schadloshaltung erfordert und ihm nicht die Mittel entzogen werden, deren er zum angemessenen Unterhalt sowie zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.
Danach kann eine Ersatzpflicht und damit eine Haftung auch dann angenommen werden, obwohl eine Schuldunfähigkeit des Schuldners vorliegt. Dies wird grundsätzlich auch als Billigkeitshaftung bezeichnet. Auch hier möchten wir dir die Billigkeitshaftung an einem Beispiel erläutern:
Der 6-jährige Ben spielt mit seinem Bruder Emil auf dem Rasen vor einem Mehrfamilienhaus. Beide versuchen, mit einer selbst gebauten Steinschleuder leere Getränkedosen, die sie auf einer Mauer platziert haben, umzuschießen. Nach den ersten gelungenen Versuchen verschätzt sich Ben und trifft die 28-jährige Annabelle an der Stirn. Annabelle erleidet eine Platzwunde, die zunächst genäht werden muss und eine dauerhafte Narbe bilden wird. Annabelle möchte Schmerzensgeld und Schadensersatz erhalten. Dabei haben Bens Eltern eine private Haftpflichtversicherung.
Grundsätzlich ist Ben gemäß § 828 Abs. 1 BGB nicht deliktsfähig, da er erst 6 Jahre alt ist. Dies heißt aber grundsätzlich nicht, dass er nicht für den von ihm verursachten Schaden haftet. Hier wäre es nämlich unbillig aufgrund der vorhandenen Haftpflichtversicherung einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch allein aufgrund der Deliktsunfähigkeit abzulehnen. Somit ergeben hier Billigkeitsgründe eine Haftung.
Billigkeitshaftungen werden häufig bei Verkehrsunfällen angenommen, denn bei Verkehrsunfällen entsteht regelmäßig ein hoher Schaden und Schmerzensgeldansprüche. Ein Haftungsausschluss würde dazu führen, dass das Opfer die Folgen allein tragen müsste. Dies wäre unbillig.
Billigkeit - Das Wichtigste auf einen Blick
- Billigkeit als unbestimmter Rechtsbegriff.
- Anwendung des Begriffs in allen drei Rechtsgebieten (Strafrecht, öffentliches Recht, Zivilrecht).
- Ziel einer Billigkeitsprüfung = Reduzierung unbilliger Härten im konkreten Einzelfall.
- Dennoch restriktive Anwendung aufgrund der Gefahr des Rechtsmissbrauchs.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Billigkeit
Was versteht man unter Billigkeit?
Unter dem Begriff der Billigkeit wird heute ein Maßstab verstanden, der trotz der Allgemeingültigkeit rechtlicher Normen Härtefälle berücksichtigt und diese unter Gerechtigkeitserwägungen mildert. Dazu kann im Einzelfall der gleiche Tatbestand verschieden ausgelegt werden und damit zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Dabei ist Billigkeit ein unbestimmter Rechtsbegriff, der durch die ständige Rechtsprechung konkretisiert wird.
Was ist ein Billigkeitsantrag?
Ein Billigkeitsantrag ist die Aufforderung, eine Entscheidung aus Billigkeitserwägungen neu zu beurteilen. Beispiele hierfür sind Billigkeitsanträge bei Kindergeldrückforderungen oder Steuernachzahlungen.
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