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In dieser Erklärung erfährst Du, was der Begriff Deliktsfähigkeit überhaupt bedeutet, ab wann jemand in Deutschland deliktsfähig ist und auf welcher gesetzlichen Grundlage die Deliktsfähigkeit beruht.
Deliktsfähigkeit Definition
Im Deliktsrecht stellt sich die Frage, wer deliktsfähig ist und was unter dem Begriff der Deliktsfähigkeit zu verstehen ist.
Die Deliktsfähigkeit ist die Fähigkeit, eine unerlaubte Handlung zu begehen und dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Die Deliktsfähigkeit ist abhängig von der Einsichtsfähigkeit des Verursachers einer unerlaubten Handlung.
Deliktsfähigkeit bedeutet also geistig in der Lage zu sein, sich der Ausführung einer unerlaubten Handlung und dessen Auswirkungen und Konsequenzen bewusst zu sein. Es wäre ungerechtfertigt, Menschen, die diese Erkenntnisfähigkeit nicht haben, für eine unerlaubte Handlung haftbar zu machen.
Die Einsichtsfähigkeit ist die Fähigkeit, zu erkennen, welche rechtlichen Konsequenzen das eigene Handeln haben kann. Es geht darum, ob derjenige, der einen Schaden verursacht hat, erkennen konnte, dass sein Handeln nicht rechtmäßig ist.
Personen, die nicht die nötige Einsichtsfähigkeit haben, werden durch das Gesetz geschützt, indem sie als deliktsunfähig gelten. Sie müssen nicht in gleichem Maße haften, wie Personen, die deliktsfähig sind.
Unter einer unerlaubten Handlung kannst Du Dir etwa eine Körperverletzung oder eine Sachbeschädigung vorstellen.
Durch die unerlaubte Handlung, die häufig als Delikt bezeichnet wird, kommt es regelmäßig zu einem Schaden.
Unter anderem diese Schäden können geltend gemacht werden:
- Sachschaden
- Behandlungskosten
- Schmerzensgeld
Für den entstandenen Schaden muss grundsätzlich derjenige aufkommen, der deliktsfähig ist und den Schaden verursacht hat. Diese Person muss den Schaden ersetzen, also Schadensersatz leisten.
Deliktsfähigkeit BGB
Die Deliktsfähigkeit ist insbesondere im zweiten Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) im Abschnitt der unerlaubten Handlungen von Bedeutung. Dieser Abschnitt umfasst die §§ 823 bis 853 BGB. Gesetzlich geregelt ist die Deliktsfähigkeit einer Person innerhalb des BGB und dort in § 827 und § 828 BGB. Mittels der Deliktsfähigkeit lässt sich feststellen, ob eine Person für eine verursachte Handlung zur Verantwortung gezogen werden kann oder nicht.
- § 827 BGB: Regelungen zum Ausschluss und zur Minderung der VerantwortlichkeitFälle, bei denen eine Person im Zustand der Bewusstlosigkeit oder krankhaften Einschränkung der Geistesfähigkeit einen Schaden verursacht hat
- § 828 BGB: Vorschriften, ab welchem Alter ein Mensch deliktsfähig ist und was die Konsequenz davon ist, wenn Minderjährige einen Schaden verursachen
Weitere Informationen über diese gesetzlichen Grundlagen erhältst Du noch im weiteren Verlauf der Erklärung.
Abgrenzung Deliktsfähigkeit und Schuldfähigkeit
Der Begriff der Deliktsfähigkeit kann schnell mit dem Begriff der Schuldfähigkeit verwechselt werden . Die Begriffe müssen jedoch deutlich voneinander abgegrenzt werden.
Die Deliktsfähigkeit ist ausschließlich dem Zivilrecht zuzuordnen. Sie ist darauf bezogen, dass im Falle einer unerlaubten Handlung, der entstandene Schaden durch einen zivilrechtlichen Schadensersatz ausgeglichen werden soll. Die Schuldfähigkeit ist hingegen ein Begriff aus dem Strafrecht.
Die Schuldfähigkeit einer Person ist die Voraussetzung dafür, dass diese für die Begehung einer Straftat strafrechtlich verurteilt werden kann. Nicht schuldfähig sind Kinder unter 14 Jahren und Personen, denen wegen einer erheblichen geistigen Einschränkung die Fähigkeit fehlt, das Unrecht der begangenen Tat zu erkennen.
Solltest Du mehr über die strafrechtlichen Regelungen erfahren wollen, kannst Du Dir die Erklärung zum Strafrecht ansehen.
Feststellung, ob: | |
| Deliktsfähigkeit |
| Schuldfähigkeit |
Deliktsfähigkeit – Verschuldensformen
Bevor die verschiedenen Stufen der Deliktsfähigkeit thematisiert werden, ist es notwendig, die unterschiedlichen Verschuldensformen zu kennen.
Unter dem Begriff Verschulden wird ein pflichtwidriges und zurechenbares Handeln oder Unterlassen verstanden.
Verschuldensformen | |
Vorsatz | Vorsätzlich handelt, wer mit Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges im Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit der Handlung tätig wird. |
Fahrlässigkeit | Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. |
Vorsatz
Eine Verschuldensform ist der Vorsatz.
Der Vorsatz ist das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges im Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit der Handlung.
Derjenige, der den Schaden verursacht, muss diesen Schaden als Erfolg also herbeiführen wollen. Er muss das Ziel verfolgen, dass ein Schaden eintritt oder den Schadenseintritt zumindest in Kauf nehmen. Dabei muss er auch wissen, dass der Schaden eintritt und ihm muss bewusst sein, dass die Handlung, die zum Schaden führt, unerlaubt ist.
Jeremy ist wütend auf Leon, weil er vor ihm in eine Parklücke gefahren ist, obwohl Jeremy zuerst vor Ort war. Deshalb parkt er sein Auto ein Stück weiter und geht zum Auto von Leon, der bereits weggegangen ist. Dann zerkratzt er den Lack des Autos von Leon mit seinem Autoschlüssel.
Jeremy handelte vorsätzlich, weil er den Schaden am Auto von Leon verursachen wollte und ihm bewusst war, dass das Zerkratzen des Autos eines anderen nicht erlaubt ist.
Fahrlässigkeit
Was unter der Fahrlässigkeit zu verstehen ist, kannst Du § 276 Abs. 2 BGB entnehmen:
Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
Jemand handelt also fahrlässig, wenn er nicht so aufmerksam und vorsichtig ist, wie es in der Situation angebracht und notwendig wäre. Der Handelnde hätte die Folgen seiner Handlung bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraussehen müssen. Statt diese Sorgfalt zu beachten, hat er jedoch unachtsam gehandelt und die Sorgfalt nicht hinreichend berücksichtigt.
Finja fährt auf einer Landstraße und möchte den Lastwagen, der vor ihr fährt, überholen. Dazu schaut sie in den Rückspiegel und nach vorn, kann jedoch nicht mit Sicherheit feststellen, ob ihr auf der Gegenspur ein Auto entgegenkommt. Finja geht aber fest davon aus, dass die Gegenspur frei ist und sie, auch wenn ihr ein Auto entgegenkommen sollte, ausweichen kann.
Sie beginnt dennoch den Überholvorgang, stellt aber mit Schrecken fest, dass ein Auto aus der anderen Richtung kommt, als sie sich bereits fast neben dem Lkw befindet. Sie bremst stark ab, schafft es aber nicht rechtzeitig, sondern weicht zur Seite aus und rammt den Lkw. Mit Glück verletzt sich niemand, allerdings ist der Lkw beschädigt.
Finja wollte den Unfall nicht verursachen und hat auch nicht mit einem Schaden gerechnet, sodass sie nicht vorsätzlich handelte. Allerdings hätte sie, wenn sie nicht mit vollkommener Sicherheit feststellen kann, dass ihr kein Auto entgegenkommt, nicht überholen dürfen. Indem sie dennoch überholte, hat sie die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und daher fahrlässig gehandelt.
Im Bereich der Fahrlässigkeit kannst Du zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit unterscheiden.
Form der Fahrlässigkeit | Definition | Beispiel |
Grobe Fahrlässigkeit | Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders grobem Maße außer Acht gelassen wird. | Grob fahrlässig handelt eine Person beispielsweise, wenn sie einen Verkehrsunfall verursacht, weil sie auf ihr Handy schaut oder über eine rote Ampel fährt. |
Leichte Fahrlässigkeit | Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn eine Person ihre Sorgfaltspflicht nur in geringem Umfang verletzt. | Leicht fahrlässig handelt jemand beispielsweise, wenn er die Pfanne mit sich erhitzendem Fett eine Minute aus den Augen lässt, um sich die Hände zu waschen und das Fett in dieser Minute Feuer fängt. |
Stufen der Deliktsfähigkeit
Es gibt verschiedene Stufen der Deliktsfähigkeit. Grundlegend lassen sich drei verschiedene Stufen im Rahmen der Deliktsfähigkeit voneinander unterscheiden. Diese sind:
Deliktsunfähigkeit
beschränkte Deliktsfähigkeit
vollständige Deliktsfähigkeit
Die Deliktsunfähigkeit bedeutet, dass die Person nicht haftbar ist. Deliktsunfähig ist derjenige, der nicht dazu in der Lage ist, sein Handeln richtig einschätzen zu können.
Gegen eine deliktsunfähige Person kann also wegen ihrer unerlaubten Handlung kein Anspruch auf Schadensersatz geltend gemacht werden. Deliktsunfähig sind:
- alle Kinder vor der Vollendung des siebten Lebensjahres (§ 828 Abs. 1 BGB)
- und Personen, die bewusstlos oder deren geistigen Fähigkeiten so weit eingeschränkt sind, dass ihre freie Willensbestimmung ausgeschlossen ist (§ 827 S. 1 BGB)
Beschränkt deliktsfähig sind die Personen, die zwischen sieben und 18 Jahren alt sind. Sie müssen für die unerlaubte Handlung nur haften, wenn sie die erforderliche Einsichtsfähigkeit haben, um die Konsequenzen ihres Handelns zu erkennen (§ 828 Abs. 3 BGB).
Beschränkt deliktsfähig sind also Personengruppen, die die Konsequenzen ihres Verhaltens nicht abschätzen und daher die Tragweite ihrer Entscheidungen nicht erkennen können. Welche Personen genau deliktsfähig, beschränkt deliktsfähig oder deliktsunfähig sind, wird im Folgenden ausführlicher erklärt.
Deliktsfähigkeit Alter
Ob jemand deliktsfähig ist, hängt entscheidend davon ab, wie alt er ist. Vom Alter abhängig ist die Einsichtsfähigkeit, die der Einzelne bei seinem Handeln hat. Es gilt grundsätzlich: je älter eine Person ist, desto mehr Verantwortung kann und muss sie für ihr Verhalten übernehmen und desto mehr Einsichtsfähigkeit hat sie.
Je nachdem, wie alt eine Person ist, kann ihre Deliktsfähigkeit einer der oben genannten Stufen zugeordnet werden. Um welche Altersstufen es sich dabei handelt, kannst Du auch § 828 BGB entnehmen.
Alter | Gesetzliche Regelung | Deliktsfähigkeit |
0 bis 7 Jahre | § 828 Abs. 1 BGB | Deliktsunfähigkeit |
7 bis 10 Jahre bei Verkehrsunfällen | § 828 Abs. 2 BGB | Deliktsunfähigkeit |
7 bis 18 Jahre | § 828 Abs. 3 BGB | beschränkte Deliktsfähigkeit |
über 18 Jahre | - nicht gesetzlich geregelt - | vollständige Deliktsfähigkeit |
Deliktsfähigkeit Kinder
In § 828 BGB ist die Deliktsfähigkeit von Kindern geregelt. Die Deliktsfähigkeit von Kindern kann in drei Altersstufen unterteilt werden. Unterschieden wird zwischen den Altersstufen von:
0 bis 7 Jahren (§ 828 Abs. 1 BGB)
7 bis 10 Jahren (§ 828 Abs. 2 BGB)
7 bis 18 Jahren (§ 828 Abs. 3 BGB)
Kinder bis 7 Jahre
In § 828 Abs. 1 BGB heißt es:
Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.
Das bedeutet, dass Kinder unter sieben Jahren nicht für ihre unerlaubte Handlung haften müssen. Sie gelten als deliktsunfähig.
In diesem Alter wird davon ausgegangen, dass das Bewusstsein für die Konsequenzen einer unerlaubten Handlung noch nicht vorhanden ist, sodass es an der Einsichtsfähigkeit fehlt. Auch wenn ein Kind bewusst eine Sache einer dritten Person zerstören will, kann es nicht abschätzen, welche rechtlichen Konsequenzen sein Handeln haben könnte.
Ella ist vier Jahre alt und zerreißt im Kindergarten ein Kartenspiel, weil sie wütend über ihre Niederlage ist. Normalerweise müsste eine deliktsfähige Person für den Schaden, der entstanden ist, aufkommen und ihn ersetzen. Allerdings ist Ella erst vier Jahre alt und damit gem. § 828 Abs. 1 BGB nicht für den Schaden, den sie einem anderen zugefügt hat, verantwortlich. Die Zerstörung des Kartenspiels hat also für Ella keine rechtlichen Konsequenzen.
Kinder im Alter zwischen 7 und 18 Jahren
§ 828 Abs. 3 BGB legt fest, dass Minderjährige im Alter zwischen sieben und 18 Jahren grundsätzlich beschränkt deliktsfähig sind.
Bei der beschränkten Deliktsfähigkeit kommt es darauf an, ob der Minderjährige die nötige Einsichtsfähigkeit besitzt, um zu erkennen, welche Konsequenzen seine Handlung hat. Personen, die zwischen sieben und 18 Jahren alt sind, können daher unter Umständen deliktsfähig sein - falls sie denn die notwendige Einsichtsfähigkeit besitzen.
Ob ein Minderjähriger diese Einsichtsfähigkeit hat, ist je nach Einzelfall zu beurteilen. Es kann sein, dass eine Zwölfjährige bereits die Tragweite ihrer Entscheidung einschätzen kann, wohingegen ein Dreizehnjähriger diese Fähigkeit noch nicht hat. Grundsätzlich ist aber etwa das Einsichtvermögen eines Sechzehnjährigen bei Weitem höher ausgeprägt als bei einer Zehnjährigen.
Marvin ist vierzehn Jahre alt und hat Streit mit seinem Mitschüler Lukas. Der Streit eskaliert so stark, dass Marvin Lukas ins Gesicht schlägt, woraufhin seine Nase gebrochen ist. Lukas muss in ein Krankenhaus und es entstehen Behandlungskosten. Es stellt sich die Frage, ob Marvin deliktsfähig ist und daher für den Schaden aufkommen muss.
Marvin ist unter 18 Jahre alt und daher gem. § 828 Abs. 3 BGB beschränkt deliktsfähig. Es kommt daher darauf an, ob er die nötige Einsichtsfähigkeit besitzt, um zu erkennen, dass sein Verhalten unerlaubt war und es rechtliche Konsequenzen hat. Bei einem Alter von vierzehn Jahren kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Jugendliche weiß, dass es falsch ist, einen anderen ins Gesicht zu schlagen. Im Normalfall weiß ein Vierzehnjähriger auch, dass dieses Verhalten rechtliche Konsequenzen hat, sodass er die notwendige Einsichtsfähigkeit besitzt. Marvin muss daher den Schaden, den er verursacht hat, ersetzen.
Besonderheiten bei Verkehrsunfällen
In § 828 Abs. 2 BGB ist eine Ausnahme für Kinder im Alter von sieben bis zehn Jahren im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen vorgesehen.
Wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.
Es handelt sich um eine Ausnahme von der Regelung in § 828 Abs. 3 BGB. Dort wird festgelegt, dass Minderjährige im Alter von 7 bis 18 Jahren beschränkt deliktsfähig sind. Im Gegensatz dazu bestimmt § 828 Abs. 2 BGB, dass Kinder im Alter von sieben bis zehn Jahren bei einem Verkehrsunfall nicht verantwortlich sind.
Wenn der Schaden vorsätzlich herbeigeführt wurde, gilt der Ausschluss der Verantwortlichkeit nicht.
Der Grund für diese Ausnahmeregelung ist, dass Kinder im Straßenverkehr häufig von der Schnelligkeit und der Unübersichtlichkeit überfordert sein können. Bei einer Verursachung eines Schadens in einer typischen Überforderungssituation haftet das Kind nicht für den Schaden.
Deshalb ist die Haftung beispielsweise nicht in einer Situation ausgeschlossen, in der das Kind ein parkendes Auto beschädigt, weil von parkenden Autos normalerweise keine Überforderungssituation im Straßenverkehr ausgeht.
Anna ist neun Jahre alt und mit ihrem Fahrrad in der Stadt unterwegs. Sie fährt hinter mehreren Autos und übersieht dabei, dass sie vor ihr bremsen, weil die Ampel auf Rot geschaltet wurde. Anna kann erst zu spät reagieren und fährt deshalb in das vor ihr fahrende Auto. Dadurch entsteht ein Schaden an der Stoßstange des Wagens.
Frage: Muss Anna für den Schaden, den sie verursacht hat, haften?
Lösung:
Ob sie den Schaden ersetzen muss, ist davon abhängig, ob sie deliktsfähig ist oder nicht. Grundsätzlich wäre sie im Alter von neun Jahren gem. § 828 Abs. 3 BGB beschränkt deliktsfähig und es käme auf ihre Erkenntnisfähigkeit an. Allerdings ist in § 828 Abs. 2 BGB vorgesehen, dass Kinder im Alter von sieben bis zehn Jahren für Unfälle im Straßenverkehr nicht verantwortlich sind. Der Unfall ereignete sich im fließenden Straßenverkehr und es ist wahrscheinlich, dass er aufgrund einer Überforderung von Anna zustande gekommen ist. Im Alter von sieben bis zehn Jahren ist es in einigen Situationen im fließenden Straßenverkehr schwer abzuschätzen, wie sich die anderen Verkehrsteilnehmenden verhalten. Zudem muss schnell reagiert werden. Anna konnte nicht schnell genug reagieren, um den Unfall zu verhindern. Dabei hat sie den Schaden nicht vorsätzlich herbeigeführt. Daher ist sie gem. § 828 Abs. 2 BGB nicht für den Schaden verantwortlich und muss nicht dafür haften.
Deliktsfähigkeit Erwachsene
Grundsätzlich sind erwachsene Menschen voll deliktsfähig und müssen die Verantwortung für den von ihnen verursachten Schaden übernehmen. Die vollständige Deliktsfähigkeit ist die Voraussetzung für eine Haftung aus unerlaubter Handlung. Sie umfasst die Fähigkeit, eine unerlaubte Handlung (§§ 823 ff. BGB) zu begehen, die den Verursacher zum Schadensersatz verpflichtet.
Deliktsfähig sind alle Personen, die die nötige Einsichtsfähigkeit haben, um zu erkennen, dass ihr Verhalten rechtliche Konsequenzen hat. Das ist grundsätzlich bei allen volljährigen Personen der Fall, deren kognitiven Fähigkeiten nicht eingeschränkt sind.
Mit dem Begriff kognitive Fähigkeiten ist gemeint, dass die Person, die den Schaden verursacht hat, nicht in einem Zustand der Bewusstlosigkeit oder sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit (§ 827 S. 1 BGB) befindet.
Ab welchem Zeitpunkt jemand volljährig ist, ist in § 2 BGB geregelt. Dort heißt es:
Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein.
Der Grund dafür, dass volljährige Menschen grundsätzlich deliktsfähig sind, ist, dass davon ausgegangen werden kann, dass sie die nötige Einsichtsfähigkeit besitzen und die Verantwortung für ihr eigenes Verhalten übernehmen können. Volljährige Menschen erkennen normalerweise, dass der von ihnen verursachte Schaden zu rechtlichen Konsequenzen führt. Sie wissen, dass sie diesen Schaden ersetzen müssen.
Max ist 20 Jahre alt und hat sich in jüngster Vergangenheit ein neues Auto gekauft. Da er wenig Fahrerfahrung hat, baut er schon einige Wochen nach dem Autokauf einen Unfall, bei dem er in ein parkendes Auto fährt. Fiona ist die Eigentümerin des geparkten Wagens und verlangt Schadensersatz von Max.
Frage: Ist Max deliktsfähig?
Lösung:
Grundsätzlich ist jeder Mensch, der volljährig ist, in Deutschland deliktsfähig. Volljährig ist jemand ab dem 18. Lebensjahr, § 2 BGB. Max ist 20 Jahre alt, sodass er volljährig ist. Bei der Frage nach der Deliktsfähigkeit kommt es entscheidend darauf an, ob der Einzelne die Einsichtsfähigkeit besitzt, die Tragweite des eigenen Handelns zu erkennen. Dadurch, dass Max volljährig ist, ist davon auszugehen, dass er erkennen kann, dass die Verursachung eines Unfalls einen Schaden entstehen lässt. Des Weiteren kann er auch nachvollziehen, dass dieser Schaden ersetzt werden muss und dass sein Verhalten rechtliche Konsequenzen hat. Er besitzt als volljährige Person die nötige Einsichtsfähigkeit und ist damit deliktsfähig.
Deliktsunfähigkeit bei Erwachsenen
Es gibt Ausnahmen, in denen auch volljährige Menschen nicht deliktsfähig sind. Diese Deliktsunfähigkeit liegt bei Erwachsenen vor, wenn ihre geistigen Fähigkeiten dauerhaft eingeschränkt sind oder wenn sie sich in einem Zustand der Bewusstlosigkeit befinden. Dies ist in § 827 S. 1 BGB geregelt. Dort heißt es:
Wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, ist für den Schaden nicht verantwortlich.
Befindet sich eine Person in einem solchen Zustand, ist ihre Haftung ausgeschlossen. Das bedeutet, dass sie für den Ersatz des Schadens nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.
Elisa ist 22 Jahre alt und schon seit ihrer Kindheit Schlafwandlerin. In einer Nacht schläft sie bei einer Freundin und steht schlafwandelnd auf. Dabei tritt sie auf das Handy ihrer Freundin, das kaputtgeht. Elisa fragt sich, ob sie den entstandenen Schaden ersetzen muss.
Ob sie den Schaden ersetzen muss, hängt davon ab, ob sie deliktsfähig ist. Grundsätzlich ist Elisa als volljährige Person deliktsfähig. Allerdings könnte ihre Deliktsfähigkeit gem. § 827 S. 1 BGB ausgeschlossen sein. Das ist der Fall, wenn sie den Schaden im Zustand der Bewusstlosigkeit verursacht hat. Während des Schlafwandelns ist eine Person nicht bei vollem Bewusstsein und kann ihr Handeln nicht bewusst steuern. Daher befindet sich Elisa beim Schlafwandeln in einem Zustand der Bewusstlosigkeit, sodass sie gem. § 827 S. 1 BGB deliktsunfähig ist. Daher muss sie den Schaden nicht ersetzen.
Deliktsunfähig sind Erwachsene auch, wenn sie von einer dritten Person durch Getränke oder ähnliche Mittel in einen vorübergehenden Zustand der Bewusstlosigkeit versetzt werden. Das gilt jedoch nicht, wenn sie sich diese Mittel, wie Drogen oder Alkohol, selbst einnehmen. In dem Fall sind sie in gleicher Weise verantwortlich, wie wenn sie den Schaden fahrlässig verursacht hätten, § 827 S. 2 BGB.
Ohne sein Wissen werden Markus Drogen verabreicht. Wenn er in diesem Zustand einen Schaden verursacht, haftet er für den entstandenen Schaden nicht, weil er deliktsunfähig ist, § 827 S. 2 BGB.
Hätte sich Markus dagegen selbst dazu entschieden, Alkohol zu trinken und sich in einen Zustand des Rausches zu versetzen, müsste er für einen verursachten Schaden haften, § 827 S. 1 BGB.
Haftung der Eltern
Eltern haften für ihre Kinder!
Diese Aussage hast Du bestimmt selbst schon einmal gehört.
Allerdings ist diese Aussage in der Form nur bedingt richtig. In § 829 BGB wird geregelt, dass Eltern nur dann für ihre Kinder haften, wenn sie ihrer Aufsichtspflicht nicht ausreichend nachgekommen sind.
Je nach Alter des Kindes sind die Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten dazu verpflichtet, diese über einen gewissen Zeitraum zu beaufsichtigen und sie nur eine gewisse Zeit unbeaufsichtigt zu lassen.
Alter des Kindes | Aufsichtspflicht |
Babys (0 - 3 Jahre) | Erziehungsberechtigte sollten ihr Kind zu jedem Zeitpunkt beaufsichtigen. |
Kleinkinder (4 - 7 Jahre) | Kleinkinder sollten höchstens eine viertel bis halbe Stunde alleine gelassen werden. Eltern haben darauf zu achten, dass die Kinder zu diesem Zeitpunkt keinen Gefahren innerhalb des Hauses ausgesetzt sind (Herdplatte, Treppe). Die Erziehungsberechtigten sollten für ihre Kinder noch erreichbar sein, also in Ruf- oder Sichtweite bleiben. |
Schulkinder (7 - 14 Jahre) | Kinder ab dem siebten Lebensjahr dürfen auch über einen Zeitraum von einer halben Stunde hinaus alleine gelassen werden. Der Zeitraum von zwei Stunden sollte dabei jedoch nicht überschritten werden. |
Jugendliche (14 - 17 Jahre) | Ab einem Alter von 14 Jahren dürfen Jugendliche auch über einen längeren Zeitraum alleine gelassen werden. |
Kommen die Eltern der Aufsichtspflicht nicht nach, müssen sie im Falle einer unerlaubten Handlung ihres Kindes, für den entstandenen Schaden haften.
Die Eltern des fünfjährigen Lars lassen ihn länger als zwei Stunden alleine. In dieser Zeit zerstört er das Handy einer Bekannten. Für diesen Schaden, den das Kind verursacht hat, müssen die Eltern haften, weil sie ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind.
Deliktsfähigkeit – Das Wichtigste
Deliktsfähigkeit - Fähigkeit, eine unerlaubte Handlung zu begehen und dafür zur Verantwortung gezogen zu werden.
Gesetzliche Regelung && 827, 828 BGB.
Einsichtsfähigkeit - Fähigkeit, zu erkennen, welche rechtlichen Konsequenzen das eigene Handeln haben kann.
Zwei Verschuldensformen:
- Der Vorsatz ist das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges im Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit der Handlung.
- Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
Drei Stufen der Deliktsfähigkeit:
- Deliktsunfähigkeit bedeutet, dass die Person nicht haftbar ist. Deliktsunfähig ist derjenige, der nicht dazu in der Lage ist, sein Handeln richtig einschätzen zu können.
- beschränkte Deliktsfähigkeit Personen, die zwischen sieben und 18 Jahren alt sind. Sie müssen für die unerlaubte Handlung nur haften, wenn sie die erforderliche Einsichtsfähigkeit hatten, um die Konsequenzen ihres Handelns zu erkennen, & 828 Abs. 3 BGB.
- deliktsfähig vollständig deliktsfähig sind grundsätzlich alle volljährigen Personen.
- Kinder im Alter von 0 bis 7 Jahren sind für den Schaden, den sie verursachen, nicht verantwortlich, & 828 Abs. 1 BGB. Sie sind also nicht deliktsfähig.
- Minderjährige zwischen 7 und 18 Jahren sind für die Konsequenzen ihrer Handlungen verantwortlich, wenn sie die notwendige Einsichtsfähigkeit besitzen und die Tragweite ihrer Handlung einschätzen können, & 828 Abs. 3 BGB.
- Kommt es durch ein Kind von 7 bis 10 Jahren zu einem Unfall im fließenden Straßenverkehr, ist das Kind nicht für den Schaden verantwortlich, & 828 Abs. 2 BGB.
Nachweise
- Brox, Hans/Walker, Wolf-Dietrich (2021). Allgemeiner Teil des BGB. Verlag Franz Vahlen. 45. Auflage.
- Stadler, Astrid (2020). Allgemeiner Teil des BGB. Verlag C.H. Beck oHG. 20. Auflage.
- Brox, Hans/Walker, Wolf-Dietrich (2022). Besonderes Schuldrecht. Verlag C.H. Beck oHG. 46. Auflage.
- Hirsch, Christoph (2020). Schuldrecht Besonderer Teil. Nomos Verlagsgesellschaft. 6. Auflage.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Deliktsfähigkeit
Was bedeutet nicht deliktsfähig zu sein?
Nicht deliktsfähig zu sein bedeutet, dass man nicht die Fähigkeit besitzt sich über das Ausüben einer unerlaubten Handlung und dessen Konsequenzen bewusst zu sein. Nicht deliktsfähig sind sowohl Kinder im Alter von 0 - 7 Jahren sowie Personen, die eine geistige Behinderung haben oder sich in einem Zustand der psychischen oder geistigen Bewusstlosigkeit befinden.
Ist eine GmbH deliktsfähig?
Eine GmbH ist eine juristische Person und kann somit nicht deliktsfähig sein. Dennoch sind die Gesellschafter oder Unternehmer und Mitarbeiter der GmbH deliktsfähig. Entstehen also unerlaubte Handlungen seitens der GmbH hat das Unternehmen dafür dennoch zu haften bzw. für den angerichteten Schaden aufzukommen.
Wer ist bedingt deliktsfähig?
Bedingt deliktsfähig sind alle Personen, die zum Zeitpunkt ihrer unerlaubten Handlung das siebte Lebensjahr erreicht haben, aber noch keine achtzehn Jahre alt sind.
Wann beginnt die Deliktsfähigkeit?
Die Deliktsfähigkeit beginnt ab einem Alter von 18 Jahren. Man geht davon aus, dass Menschen ab 18 Jahren die Fähigkeit besitzen, die eigenen unerlaubten Handlungen zu kennen und dessen Folgen und Konsequenzen abschätzen zu können.
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