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Ausgehend vom Liberalismus ist der Neoliberalismus ein System der Werte, Normen und Denkweisen, welches sich auf das Wirtschaftsgeschehen fokussiert. Was genau der Neoliberalismus ist, welche Unterschiede er zum Liberalismus aufzeigt, welche Ziele er verfolgt und vieles mehr wirst Du in diesem Artikel lernen.
Neoliberalismus – Einfach erklärt
Wie Du vielleicht aus unserem Artikel zum Liberalismus schon weißt, ist der Liberalismus grundsätzlich eine politische Bewegung und beruht auf dem Ziel, Freiheit für jeden Einzelnen zu gewährleisten. Durch diese Freiheit sei nur ein glückliches und erfolgreiches Zusammenleben innerhalb der Gesellschaft möglich.
Erstmals wurde der Begriff des Neoliberalismus 1933 vom französischen Politiker Pierre-Etienne Flandin verwendet. Auf dem 1938 statt findenden Colloque Walter Lippmann, auf dem die Thesen des Buches "The Good Society" diskutiert werden sollten, entflammte eine Diskussion wie der Liberalismus eine Alternative zum an Bedeutung verlierenden Kapitalismus einerseits und dem menschenverachtenden Faschismus andererseits werden könnte. So entstanden die ersten neoliberalen Ideen.
Anders als beim klassischen Liberalismus lehnt der Neoliberalismus staatliche Eingriffe nicht ab, beschränkt sie jedoch. So sollen Monopolbildungen möglichst unterbunden werden und untere Gesellschaftsschichten durch Konkurrenz der Unternehmen profitieren. So vermag der Neoliberalismus den Einfluss des Staates gering halten, aber dennoch (soziale) Sicherungssysteme etablieren.
Insbesondere während der Finanzkrise 2008 und der Corona-Krise wurden die Grenzen des staatlichen Einfluss auf die Wirtschaft immer wieder diskutiert.
Seit 2020 erschüttert die Corona-Pandemie die gesamte Welt. Durch Schließungen von Gastronomie und Einzelhandel wurden Forderungen nach staatlichen Hilfsmaßnahmen laut. So wurden Unternehmen, wie die Lufthansa, mit hohen Zuwendungen bedacht.
Ähnlich wie bei der Corona-Krise musste der Staat auch bei der Finanzkrise 2008 agieren. Um das Überleben von großen und kleinen Unternehmen zu sichern, wurden Hilfsmaßnahmen, wie das Konjunkturpaket I, erlassen. Dieses Konjunkturpaket sah beispielsweise längeres Kurzarbeitergeld und neue Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen vor. Der Grundsatz des Liberalismus sieht einen solchen Eingriff zwar nicht vor, der Neoliberalismus erlaubt solche staatlichen Eingriffe in Ausnahmesituationen, da dadurch sowohl die Wirtschaft als auch Bürger*innen geschützt werden.
Wichtige Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit dem Neoliberalismus sind Deregulierung und Privatisierung.
Die Deregulierung bezeichnet das Ausschalten in der Wirtschaft geltender Regeln. Damit soll der Markt beeinflusst werden, zum Beispiel zugunsten eines Unternehmens.
In der EU wird die Problematik der Deregulierung zum Beispiel bei Champagner deutlich. So ist umstritten, wann sich ein Schaumwein "Champagner" nennen darf. Da sich die EU zuletzt gegen eine Deregulierung entschied, darf der Titel "Champagner" nur benutzt werden, wenn er aus der Champagne-Region in Frankreich stammt.
Privatisierung bedeutet, dass staatliche Unternehmen in den Privatbesitz übergehen. Somit hat der Staat weniger Verantwortung und kann mit dem Verkauf des Unternehmens staatliche Schulden begleichen oder anderweitig einsetzen, um die Wirtschaft zu unterstützen.
Die Deutsche Bahn AG, die Deutsche Telekom AG, Deutsche Postbank und viele weitere Unternehmen wurden im Laufe der Jahre (teil)privatisiert. Zuvor befanden sie sich im staatlichen Eigentum.
Unterschied zwischen Neoliberalismus und Liberalismus
Da erste Ansätze des klassischen Liberalismus bereits im 17. Jahrhundert entstanden, galten diese Mitte des 20. Jahrhunderts bereits teilweise als veraltet. Durch die Überarbeitung und Anpassung dieser Theorien entwickelte sich der Neoliberalismus.
Nicht selten werden die zwei Begriffe verwechselt. Wichtig für Dich ist, dass der Neoliberalismus eine überarbeitete, moderne Ausarbeitung des Liberalismus ist. Der Neoliberalismus beschäftigt sich deutlich mehr mit der Wirtschaft und weniger mit sozialen und allgemein gesellschaftlichen Problemen.
Der Liberalismus ist bekanntlich ein Gesellschaftsmodell, dass sich mit dem Ziel beschäftigt, die Freiheit des Einzelnen soweit wie möglich zu gewährleisten.
Wenn Du mehr zum Liberalismus und seiner Entstehung wissen willst, schaue Dir gerne unseren Artikel dazu an!
Die Idee des Liberalismus wurde zur Zeit der Erbmonarchie und als Gegenbewegung zu dieser implementiert. Demnach wollte man aus einem veralteten Weltbild, in dem Staat und Kirche über dem Individuum standen, ausbrechen. Somit setzt der Liberalismus seinen Fokus auf die Freiheit des Einzelnen.
Der Neoliberalismus nimmt diesen Gedanken zwar auf, entwickelt ihn im 20. Jahrhundert jedoch weiter. Zu diesem Zeitpunkt herrschten auch andere gesellschaftliche, politische, soziale und wirtschaftliche Fragestellungen, zu denen sich der Neoliberalismus schließlich hinwendete. Da sich zu dieser Zeit die Wirtschaft im Vergleich zum 17. und 18. Jahrhundert sehr weit entwickelt hatte und sowohl das Produktionswachstum, als auch der Wohlstand der Bürger*innen im Vordergrund stand, galt es, den Liberalismus daran anzupassen.
Der Neoliberalismus stellt somit nicht die individuelle Freiheit der Einzelperson und die Minimierung des staatlichen Einflusses in den Vordergrund, sondern konzentriert sich auf eine freie Wirtschaftspolitik.
Neoliberalismus – Vor- und Nachteile
Wie jede Staatsform weist der Neoliberalismus Vor- und Nachteile auf, die auch heute noch oft diskutiert werden. In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten Punkte für Dich zusammengefasst:
Vorteile | Nachteile |
Bevölkerung kann sich frei entfalten | Soziale Schichtenbildung wird verstärkt |
Staat mischt sich wenig in die Wirtschaft ein | Steuerentlastungen kommen vorrangig oberen Einkommensschichten zugute |
Staat betreibt Ordnungspolitik:Wirtschaft wird nach den Prinzipien des Marktes und Wettbewerbs betrieben | Wirtschaftlicher Druck:Widerspruch mit dem liberalen Prinzip, dass jeder frei handeln soll/kann |
Staat wird mit einbezogen und kann in Ausnahmesituationen in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen (Corona-Pandemie, Finanzkrise etc) | Kapitalistische und imperialistische Ideen setzen sich häufig durch:"Schere zwischen Arm und Reich" wird immer größer |
Neoliberalismus – Kritik
Die Umsetzung des Neoliberalismus wird häufig kritisiert. Der weltbekannte US-amerikanische Systemkritiker Noam Chomsky äußerte sich folgendermaßen zur Implementierung des Neoliberalismus:
Massive Zunahme sozialer und ökonomischer Ungleichheit, gravierende Rückschläge für die ärmsten Nationen und Völker der Welt, die katastrophale Verschlechterung der globalen Umweltbedingungen, eine instabile Weltwirtschaft – aber munter sprudelnde Quellen wachsenden Reichtums für die Wohlhabenden."
An diesem Zitat wird deutlich, dass die Idee des Neoliberalismus häufig missbraucht oder falsch umgesetzt wird. Häufig wird der Neoliberalismus als eine Form des Kapitalismus gesehen und mit dem Begriff Lobbyismus, der durch privates Interesse die Wirtschaft korrumpiert, in Verbindung gebracht.
Der Lobbyismus beschreibt den Einfluss von Unternehmen und Gruppen auf Politiker*innen. Bekanntlich finden solche beeinflussenden Gespräche im persönlichen Austausch statt. Der Lobbyismus steht stark in der Kritik, da er mithilfe von finanzieller Beeinflussung bis hin zur Korruption versucht, Interessen der Unternehmen durchzusetzen. Da Lobbyismus meist ohne Transparenz betrieben wird, wird er oft als unseriös angesehen.
Vorteile bringt der Neoliberalismus durch Steuersenkungen und -entlastungen vor allem den oberen Einkommensschichten. Insbesondere für ärmere Gesellschaftsschichten ist der Neoliberalismus nicht von Vorteil, da er einen Sozialabbau mit sich bringt.
Neoliberalismus – Vertreter
Genau wie der Liberalismus hat der Neoliberalismus viele Anhänger. Einige davon wirst du nachfolgend kennenlernen.
Friedrich August von Hayek
Friedrich August von Hayek war eine der bedeutendsten Figuren der Wirtschaftsökonomie des 20. Jahrhunderts. Neben zahlreichen Erkenntnissen, Ideen, Theorien und Implementierungen gilt seine Erkenntnis, dass der Wettbewerb als Entdeckungsprozess gesehen werden soll, am bahnbrechendsten. Nach dieser Theorie ist der Wettbewerb die Quelle neuen Wissens.
Seine Zeit an der Universität Chicagos, wo er 1952 hinzog, prägte ihn als Neoliberalen. Hayek war zu dieser Zeit auch Mitglied der "Chicago Boys", einer Gruppe von (neo)liberalen Wissenschaftlern.
Der Grund für seine demokratische Abneigung lässt sich eigentlich damit begründen, dass er befürchtete, dass sich Gesellschaftsschichten anhand das Recht nehmen würden, die Wirtschaft mit Sondergesetzen zu beeinflussen. So befürchtete er beispielsweise die Einführung eines Mindestlohns, der einkommensschwache Gesellschaftsschichten absichern würde. Somit würde der natürliche Laufe der Wirtschaft beeinflusst und eingeschränkt werden.
Obwohl seine wirtschaftlichen Theorien als wichtig und seiner Zeit voraus gesehen werden, werden sie immer wieder stark kritisiert. Denn Hayek unterstützte den 1973 an die Macht gekommene Augusto Pinochet, der bis 1990 Diktator Chiles war. Aber wieso unterstütze der neoliberale Friedrich Hayek einen solchen Politiker, der für den Tod und die Folter von fast 40.000 Menschen verantwortlich war? Pinochet implementierte ein faschistisches, wirtschaftlich neoliberales Militär-Regime.
So sagte Hayek 1981 in einem Interview:
Ich ziehe einen liberalen Diktator einer demokratischen Regierung, der es an Liberalismus mangelt, vor.
Der Wirtschaftsökonom bekam für seine Ansätze 1974 den Nobelpreis verliehen. Dies ist unter heutigen Umständen undenkbar, da er den Terror des chilenischen Regimes über Jahre hinweg unterstütze.
Walter Eucken
Walter Eucken, einer der frühen Verfechter des Neoliberalismus in Deutschland, baute seine Grundidee auf der Forderung auf, eine freie Wirtschaftsform zu schaffen. Diese sollte nicht nur den freien Wettbewerb, sondern auch soziale Sicherung garantieren. Er gilt als Begründer der sogenannten "Freiburger Schule" und dem Ordoliberalismus, einer leichten Abwandlung des Neoliberalismus.
Die Freiburger Schule wurde in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts von Walter Eucken gegründet. Anders als beim klassischen Liberalismus und dem Neoliberalismus verlangt die Freiburger Schule vom Staat aktives Eingreifen.
Als Wirtschaftswissenschaftler betrachtete er sowohl den Wettbewerb, als auch die freie Preisbildung als Basis für eine erfolgreiche Wirtschaft. Sein Ziel war es, einen vollständigen Wettbewerb zu erreichen. Das heißt, dass möglichst keiner eine ökonomische Macht hat.
Margaret Thatcher
Die ehemalige britische Premierministerin (von 1979 bis 1990) Margaret Thatcher beendete den Wohlfahrtsstaat in Großbritannien und implementierte den Neoliberalismus.
Schon in jungen Jahren war Margaret Thatcher ebenso wie Friedrich Hayek der Ansicht, dass Sozialismus die Freiheit gefährden würde. Drum war es nicht verwunderlich, dass sie Hayek später auch als politischen Berater einsetzte. Als Vertreterin des Neoliberalismus stand sie für die Privatisierung staatlicher Unternehmen und die Deregulierung des Marktes. Auch wenn sie sich selbst als konservativ und nicht als (neo-)liberal bezeichnete, so war ihre Politik stets dem Neoliberalismus zuzuordnen. So sagte sie einst:
Wir wollen eine Gesellschaft, in der die Menschen frei sind, ihre Entscheide zu treffen, um Fehler zu machen, um grosszügig und mitfühlend zu sein"
Thatcher begann damit, Steuern zu senken, staatliche Konzerne wie die British Airways zu privatisieren, Bahnstrecken auszubauen und Sozialwohnungen einzuführen.
Ronald Reagan
Der von 1967 bis 1975 amtierende US-Präsident Ronald Reagan stand für den sogenannten „Trickle-Down-Effect“. Dieser besagt, dass Wohlstand durch Konsum und Investitionen zu den ärmeren Gesellschaftsschichten gelangen würde. Darauf basierend senkte Reagan die Steuern in der Hoffnung, seine Theorie würde Früchte tragen und Unternehmen würden mehr produzieren und folglich Arbeitsplätze schaffen.
Für diese Entscheidung steht er jedoch bis heute in der Kritik, da sich nicht nur die Staatsschulden erhöhten, sondern langfristig auch das Gegenteil erreicht wurde: Einkommen und Vermögen verteilten sich immer ungleicher, sodass einkommensschwachen Haushalten noch weniger zur Verfügung standen als zuvor.
Neoliberalismus – Das Wichtigste
- Anders als beim klassischen Liberalismus lehnt der Neoliberalismus staatliche Eingriffe nicht komplett ab.
- Allerdings sollen staatliche Eingriffe lediglich beschränkt eingesetzt werden.
- Der Neoliberalismus beschäftigt sich deutlich mehr mit der Wirtschaft und kehrt sich von sozialen und allgemein gesellschaftlichen Problemen ab.
- Der Neoliberalismus entstand im 20. Jahrhundert mit dem Zweck.
- Häufig steht der Neoliberalismus in der Kritik:
- Durch das Zulassen staatlicher Eingriffe kommt es zu Korruption (Lobbyismus) und die kapitalistischen Ideen finden sich im neoliberalen System wieder: die Armen werden ärmer und Reiche werden reicher.
- Wichtige Vertreter*innen des Neoliberalismus sind:
- Friedrich August von Hayek
- Margaret Thatcher
- Walter Eucken
- Ronald Reagan
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Neoliberalismus
Was ist der Neoliberalismus einfach erklärt?
Der Neoliberalismus ist eine Neufassung seines Vorgängers, dem Liberalismus. Zusammen mit dem Sozialismus und dem Konservativismus bildet der Liberalismus eine der drei wichtigsten und meistverbreiteten politischen Grundrichtungen.
Was wird am Neoliberalismus kritisiert?
Am Neoliberalismus werden vor allem die Möglichkeit der Korruption und die kapitalistischen Ideen kritisiert.
Wer sind die Vertreter des Neoliberalismus?
- Friedrich August von Hayek
- Margaret Thatcher
- Walter Eucken
- Ronald Reagan
Was sind die Vor- und Nachteile des Neoliberalismus?
Die Vorteile des Neoliberalismus sind:
- Die Bevölkerung kann sich frei entfalten
- Der Staat hat nur einen geringen Einfluss auf die Wirtschaft
- Der Staat kann aber in Ausnahmesituationen in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen
Die Nachteile des Neoliberalismus sind:
- Die Schere zwischen Arm und Reich wird vergrößert
- Steuerentlastungen kommen vorwiegend oberen Einkommensschichten zugute
- Soziale Schichtenbildung wird verstärkt
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