Springe zu einem wichtigen Kapitel
Tarifautonomie – Definition & Bedeutung
Die Tarifautonomie ist das Recht, dass Vertreter der Arbeitnehmer, in Form von Gewerkschaften, und Arbeitgeber, repräsentiert durch Arbeitgeberverbände, selbstständig Tarifverträge aushandeln dürfen. In diesen Verträgen werden beispielsweise die Löhne und Gehälter, mit der Einschränkung des Mindestlohns, verhandelt.
Die Tarifautonomie gewährleistet folglich, dass Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände grundsätzlich die Bedingungen in ihren Tarifverträgen ohne staatliche Einmischung frei vereinbaren können.
Die Tarifautonomie gibt es in Deutschland bereits seit 150 Jahren. Dort haben sich Arbeitnehmer erstmals in Gewerkschaften organisiert, um zusammen Druck auszuüben und sich zu unterstützen. Somit wurden bessere Arbeitsbedingungen erkämpft. Rechtlich wurde die Tarifautonomie jedoch erst im Dezember 1918 festgesetzt, als Ergebnis der Revolution von 1918.
Ein Tarifvertrag ist ein zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern abgeschlossener Vertrag. Hierbei verhandeln die Gewerkschaften, anstatt der Mitarbeiter selbst, die Bedingungen. Inhalte sind beispielsweise die Bezahlung, der Urlaubsanspruch, die Arbeitszeiten und die Beendigung des Verhältnisses.
Tarifparteien
Die Parteien, welche den Tarifvertrag verhandeln und abschließen, werden Tarifparteien genannt. Meist bestehen die Tarifparteien aus dem Arbeitgeber und der zuständigen Gewerkschaft, wie beispielsweise die IG Metall, welche die größte Gewerkschaft Deutschlands darstellt. Die IG Metall setzt sich für mehr Gerechtigkeit und bessere Arbeitsbedingungen in der Industrie ein.
Die Tarifparteien sind diejenigen Parteien, welche befugt sind, einen Tarifvertrag zu verhandeln und abzuschließen.
Im Sinne der Tarifautonomie ist es auch vorgeschrieben, dass der Staat nicht in einen Arbeitskampf, wie zum Beispiel einen Streik, eingreifen darf. Streiks oder Arbeitskämpfe sind diejenigen Mittel, mit denen tarifliche Forderungen durchgesetzt werden sollen.
Bei einem Streik verweigern die Arbeitnehmer gemeinsam die Erfüllung des Arbeitsvertrags, um den Arbeitgeber zu einem Entgegenkommen zu bewegen.
Die Lokführergesellschaft GDL ruft immer wieder zum Streik auf, um die tarifliche Forderung von einer Lohnerhöhung durchzusetzen. Bei dem letzten Streik im Jahr 2021 haben mehr als 6000 Beschäftigte gestreikt, nachdem die Gewerkschaft dazu aufrief.
Somit wird auf die Bahngesellschaften Druck ausgeübt, da diese durch den Ausfall vieler Züge Gewinne einbüßen. Im Falle dieses Streiks hat die Bahn gegen den Streik geklagt, was jedoch scheiterte, da Streiks rechtlich zugelassen sind.
Der Arbeitgeber hat jedoch auch gewissen Gegenmaßnahmen, welche ihm bei einem Streik zur Verfügung stehen. Die Aussperrung, die Betriebs- oder Teilbetriebsstilllegung, im Sonderfall auch die Streikbruchprämie, sind Möglichkeiten, um auf einen Arbeitskampf, bzw. Streik, zu reagieren.
Die Streikbruchprämie ist eine Prämie, welcher der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern zusagen kann, damit diese sich nicht an einem Streik beteiligen.
Schauen wir uns hierzu ein Beispiel an:
Die Gewerkschaft des Produktionsunternehmens LIRA ruft die Mitarbeiter zum Streik auf, um eine Lohnerhöhung zu erzielen. An dem Streik beteiligen sich 500 der 850 Mitarbeiter.
Das Unternehmen LIRA muss, dadurch dass die Produktion fast gänzlich stillsteht, sowohl Umsätze als auch Gewinne einbüßen.
Da LIRA sich nicht auf die Forderung einlassen möchte, bietet sie allen der streikenden Mitarbeitern eine Streikbruchprämie in Hohe von 100€ pro Tag zusätzlich zum normalen Verdienst an. 324 der 500 Streikenden lassen sich auf die Streikbruchprämie ein, was dem Unternehmen hilft, die Produktion wieder aufzunehmen und den Streik zu brechen, da die restlichen Mitarbeiter das Unternehmen nicht zum Erfüllen der Forderung drängen können.
Du findest das Thema interessant? Dann schau dir gern unseren Artikel zum Thema Gewerkschaften und andere Tarifparteien an!
Grenzen der Tarifautonomie
Dem Spielraum der Tarifautonomie sind jedoch auch Grenzen zum Schutz der Arbeitnehmer*innen gesetzt. Dies ist beispielsweise seit 2015 beim Mindestlohn der Fall, sowie beim Mindesturlaubsanspruch. Auch wenn einige Arbeitgeber dagegen klagten, war dies vergeblich, da gesetzliche Mindestansprüche nicht nur für Arbeitsverträge, sondern auch für Tarifverträge gelten. Diese Mindestbedingungen sind vor allem zum Schutz des Arbeitnehmers durch die Bundesregierung festgelegt.
Tarifautonomie in Deutschland
In Deutschland gibt es circa 78.000 laufende Tarifverträge und fast 75 % aller Arbeitsverhältnisse orientieren sich direkt oder indirekt an tarifvertraglichen Regelungen. Insgesamt lässt sich auch sagen, dass sich die deutsche Wettbewerbsfähigkeit deutlich verbessert hat. Grund hierfür ist, dass die Tarifparteien ihre Branche gut kennen und sie somit auf diverse wirtschaftliche Situationen angemessene Regelungen durchsetzen und anwenden können. Ebenfalls können die Mitarbeiter, durch diese branchenspezifischen Kenntnisse der Tarifparteien, am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beteiligt werden, ohne die Unternehmen durch unrealistische Forderungen zu überfordern.
Die Gewerkschaft des Unternehmens Prao ruft zum Streik auf. Die Gewerkschaft fordert eine Lohnerhöhung von 2 %, da bei dieser Erhöhung der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens nicht gefährdet wäre.
Anhand dessen, dass die Gewerkschaft die Branche kennt und weiß, was das Unternehmen an Gewinn macht und was andere Unternehmen der Branche ihren Mitarbeitern zahlen können, wurde eine realistische Erhöhung von 2 % berechnet, bei der das Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben kann.
Verankerung der Tarifautonomie im Grundgesetz (GG)
Die Tarifautonomie ist Teil der Koalitionsfreiheit und als solche als Ausprägung der Vereinigungsfreiheit in Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes verankert.
Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
(Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz)
Eine genaue Konkretisierung liegt im Tarifvertragsgesetz vor.
Der Arbeitskampf, wie Streiks, sind somit auch zulässig und im gleichen Artikel verankert. Arbeitskämpfe sind jedoch verboten, wenn diese aufgrund von politischen Entscheidungen einberufen werden.
Die Regierung hat ein Gesetz verabschiedet, welches den Mindesturlaubsanspruch um zwei Tage kürzt.
Als Reaktion auf dieses Gesetz ruft die Betriebsgewerkschaft des Unternehmens LIRA zum Streik auf. Dieser Streik ist rechtswidrig, da das Unternehmen keinen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen kann.
Der Tarifvertrag ist im Tarifvertragsgesetz beschrieben und dieses ist somit die Rechtsgrundlage aller Tarifverträge.
Formen der Tarifverträge
Bei den Tarifverträgen kannst du zwischen vier Verträgen unterscheiden. Es gibt die Flächen- und Branchentarifverträge, die Haustarifverträge (Firmentarifverträge) und die Manteltarifverträge.
Der Flächen- und Branchentarifvertrag gilt für ganze Regionen oder Branchen und ist somit gültig für alle Arbeitgeber des Arbeitgeberverbands. Der Arbeitgeberverband ist eine Tarifpartei, ebenso wie alle Mitarbeiter dieser Unternehmen und die dazugehörigen Gewerkschaften.
Ein Flächen- und Branchentarifvertrag macht beispielsweise Sinn, um die Lebenshaltungskosten verschiedener Regionen zu berücksichtigen. Diese Verträge werden somit an die regionalen Umstände angepasst.
Die Haustarifverträge, auch Firmentarifverträge, werden zwischen einem Unternehmen und einer Gewerkschaft abgeschlossen. Ein Arbeitgeberverband entfällt als Tarifpartei.
Bei den Manteltarifverträgen werden generelle Arbeitsbedingungen, wie Arbeitszeiten, Kündigungsfrist und Urlaubsanspruch, festgelegt.
Die Manteltarifverträge legen die Arbeitsbedingungen hinsichtlich der Arbeitszeit fest (Urlaubsanspruch, Fristen und Arbeitszeiten). Sie werden meist langfristig abgeschlossen.
Weiterhin gibt es die besonderen Tarifverträge. Hierbei werden besondere Arbeitsbedingungen, wie vermögenswirksame Leistungen im Tarifvertrag mit aufgenommen.
Bei all diesen Arbeitsbedingungen, welche im Tarifvertrag mit aufgenommen werden können, herrscht die Tarifautonomie. Sie werden alle ohne staatliches Einwirken festgelegt, mit der Rücksicht auf den Arbeitnehmerschutz.
Der Tarifvertrag hat Vorrang gegenüber der Betriebsvereinbarung. Dies ist im Art. 77 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) geregelt und bedeutet, dass im Vertrag vorgeschriebene Arbeitsbedingungen, wie der Lohn oder der Urlaubsanspruch, nicht Teil der Betriebsvereinbarung sein können.
Vorteile und Nachteile der Tarifautonomie
Die Tarifautonomie bringt viele Vorteile mit sich. Durch die Gewerkschaften bekommen die Arbeitnehmer eine bessere Verhandlungsposition, da nicht jeder Mitarbeiter seine eigenen Vertragsbedingungen verhandeln muss. Außerdem bieten Tarifverträge meist ein höheres Einstiegsgehalt und es werden regelmäßig Gehaltserhöhungen verhandelt. Zudem hat ein Tarifvertrag einen höheren Kündigungsschutz inne und die Regelungen sind, durch die gute Verhandlungsposition der Gewerkschaften, oft humaner und arbeitnehmerfreundlicher.
Was genau sind jedoch die Nachteile der Tarifautonomie?
Der Vorteil, dass die Gewerkschaften die Bedingungen verhandeln, kann auch zu einem Nachteil werden. Schätzt zum Beispiel ein Mitarbeiter seine Arbeit besser als die von anderen ein, kann dieser keine individuellen Konditionen verhandeln, da die Verträge allgemein gültig sind. Ebenfalls sind die Aufstiegsmöglichkeiten geringer, da die Entgeltgruppen fest vorgeschrieben sind. Ein Aufstieg in der Entgeltgruppe ist meist nur durch eine direkte Beförderung möglich. Der letzte Nachteil der Tarifautonomie ist die Friedenspflicht. Diese schreibt vor, dass während der Vertragslaufzeit nicht gestreikt werden darf. Solange ein Vertrag gilt, können Mitarbeiter also nicht streiken, um gewisse Forderungen, wie bessere Arbeitsbedingungen, zu erhalten.
Vorteile der Tarifautonomie bzw. des Tarifvertrags | Nachteile der Tarifautonomie bzw. des Tarifvertrags |
Durch die Gewerkschaften bekommen Arbeitnehmer eine gute Verhandlungsposition. | Das Aushandeln individueller Konditionen entfällt aufgrund von allgemeinen Verträgen. |
Stellen mit Tarifvertrag haben meist ein höheres Einstiegsgehalt. | Die Aufstiegsmöglichkeiten sind schwieriger, da Arbeitnehmer in eine Entgeltgruppe geordnet werden. |
Gewerkschaften verhandeln regelmäßig Gehaltserhöhungen. | Während der Vertragslaufzeit darf nicht gestreikt werden. Grund dafür ist die Friedenspflicht. |
Arbeitnehmer mit einem Tarifvertrag liegt ein erhöhter Kündigungsschutz inne. | |
Die Regelungen im Vertrag sind humaner und Arbeitnehmerfreundlicher gegenüber anderen Verträgen. |
Tarifautonomie – Das Wichtigste
- Tarifautonomie = Das Recht von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden Verträge, unabhängig von der Staatsgewalt, zwischen Tarifparteien autonom zu verhandeln
- Tarifvertrag = Ein zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden abgeschlossener Vertrag
- Tarifparteien = Parteien, welche befugt sind, Tarifverträge abzuschließen
- Tarifautonomie sowie Arbeitskämpfe (inklusive Streiks), sind gesetzlich im Grundgesetz verankert
- Der Arbeitnehmer hat ebenfalls Möglichkeiten, den Arbeitskämpfen entgegenzuwirken:
- Streikbruchprämie = eine Prämie, welcher der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern zusagen kann, damit diese sich nicht an einem Streik beteiligen.
- Aussperrung aus dem Betrieb
- Betriebs- oder Teilbetriebsstilllegung
- Die Mindestanforderungen sind gesetzlich vorgegeben, beispielsweise durch einen Mindestlohn
- Formen von Tarifverträgen:
- Flächen- bzw. Branchentarifverträge = Tarifverträge für ganze Branchen oder Regionen
- Haustarifverträge = Tarifverträge, welche zwischen Gewerkschaften und einzelnen Arbeitgebern abgeschlossen werden
- Manteltarifvertrag = Tarifverträge, welche Arbeitsbedingungen hinsichtlich der Arbeitszeit festlegen
- Die Friedenspflicht ist die Pflicht von Arbeitnehmern mit Tarifverträge nicht während der Laufzeit dieser an einem Arbeitskampf teilzunehmen.
Lerne schneller mit den 1 Karteikarten zu Tarifautonomie
Melde dich kostenlos an, um Zugriff auf all unsere Karteikarten zu erhalten.
Häufig gestellte Fragen zum Thema Tarifautonomie
Was versteht man unter einem Tarifvertrag?
Ein Tarifvertrag ist ein zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern abgeschlossener Vertrag. Hierbei verhandeln die Gewerkschaften, anstatt der Mitarbeiter selbst, die Bedingungen. Inhalte sind beispielsweise die Bezahlung, der Urlaubsanspruch, die Arbeitszeiten und die Beendigung des Verhältnisses.
Warum gibt es Tarifautonomie?
Tarifautonomie bzw. Tarifverträge gibt es, damit die Beschäftigten am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beteiligt werden. Der Ursprung der Tarifautonomie bzw. Tarifverträge liegt 150 Jahre zurück.
Was versteht man unter einer Tarifautonomie?
Die Tarifautonomie ist das Recht von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, Verträge unabhängig von staatlichen Vorgaben zu verhandeln. Arbeitsverträge werden zwischen den Tarifparteien demnach autonom verhandelt.
Wo ist Tarifautonomie verankert?
Die Tarifautonomie ist im Grundgesetz Art. 9 Abs. 3 verankert. Eine genaue Konkretisierung erfolgt im Tarifvertragsgesetz.
Über StudySmarter
StudySmarter ist ein weltweit anerkanntes Bildungstechnologie-Unternehmen, das eine ganzheitliche Lernplattform für Schüler und Studenten aller Altersstufen und Bildungsniveaus bietet. Unsere Plattform unterstützt das Lernen in einer breiten Palette von Fächern, einschließlich MINT, Sozialwissenschaften und Sprachen, und hilft den Schülern auch, weltweit verschiedene Tests und Prüfungen wie GCSE, A Level, SAT, ACT, Abitur und mehr erfolgreich zu meistern. Wir bieten eine umfangreiche Bibliothek von Lernmaterialien, einschließlich interaktiver Karteikarten, umfassender Lehrbuchlösungen und detaillierter Erklärungen. Die fortschrittliche Technologie und Werkzeuge, die wir zur Verfügung stellen, helfen Schülern, ihre eigenen Lernmaterialien zu erstellen. Die Inhalte von StudySmarter sind nicht nur von Experten geprüft, sondern werden auch regelmäßig aktualisiert, um Genauigkeit und Relevanz zu gewährleisten.
Erfahre mehr