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Modul FRA2: Fortgeschrittene Risikoanalyse 2 - Exam
Modul FRA2: Fortgeschrittene Risikoanalyse 2 - Exam Aufgabe 1) Ein Finanzinstitut analysiert die Risiken seines Anlageportfolios mithilfe quantitativer Risikomodelle, insbesondere Value at Risk (VaR) und Expected Shortfall (ES). Diese Modelle verwenden Wahrscheinlichkeitsverteilungen und statistische Methoden, um Risiken zu quantifizieren und fundierte Geschäftsentscheidungen zu ermöglichen. Das I...

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Modul FRA2: Fortgeschrittene Risikoanalyse 2 - Exam

Aufgabe 1)

Ein Finanzinstitut analysiert die Risiken seines Anlageportfolios mithilfe quantitativer Risikomodelle, insbesondere Value at Risk (VaR) und Expected Shortfall (ES). Diese Modelle verwenden Wahrscheinlichkeitsverteilungen und statistische Methoden, um Risiken zu quantifizieren und fundierte Geschäftsentscheidungen zu ermöglichen. Das Institut integriert sowohl Marktdaten als auch historische Daten in seine Modelle, um genauere Vorhersagen zu treffen und Risikokontrollmechanismen zu verbessern.

a)

a) Beschreibe den Unterschied zwischen Value at Risk (VaR) und Expected Shortfall (ES). Nenne zwei wesentliche Vorteile, die ES im Vergleich zu VaR bietet, unter Verwendung mathematischer Formeln und Konzepte.

b) Ein Portfolio hat eine Verlustverteilung, die als normalverteilt angesehen wird mit einem Mittelwert von \(\mu = 0\) und einer Standardabweichung von \(\sigma = 10\). Berechne den Value at Risk (VaR) für dieses Portfolio auf einem Konfidenzniveau von 99%. Bestimme anschließend den Expected Shortfall (ES) auf demselben Konfidenzniveau und vergleiche die beiden Ergebnisse. Erkläre, was die Resultate bedeuten und wie sie interpretiert werden können.

Lösung:

  • a) Beschreibe den Unterschied zwischen Value at Risk (VaR) und Expected Shortfall (ES). Nenne zwei wesentliche Vorteile, die ES im Vergleich zu VaR bietet, unter Verwendung mathematischer Formeln und Konzepte.
    • Value at Risk (VaR): VaR ist ein Maß für das maximale Verlustpotenzial eines Portfolios über einen bestimmten Zeitraum und bei einem vorgegebenen Konfidenzniveau. Es gibt den Verlust an, den ein Portfolio mit einer festgelegten Wahrscheinlichkeit nicht überschreiten wird. Mathematisch sei \(X\) der Verlust des Portfolios, dann ist der VaR auf dem Konfidenzniveau \(\beta\) gegeben durch:\[V@R_{\beta} = \inf \{ x \in \mathbb{R} : P(X \leq x) \geq \beta \}\]
    • Expected Shortfall (ES): ES ist das durchschnittliche Verlustpotenzial eines Portfolios, wenn der Verlust den VaR überschreitet. Es wird auch als Conditional Value at Risk (CVaR) bezeichnet. Mathematisch ist der ES auf dem Konfidenzniveau \(\beta\) gegeben durch:\[ES_{\beta} = \mathbb{E}[X | X \geq V@R_{\beta}]\]
    • Vorteile von ES gegenüber VaR:
      • Berücksichtigung extremer Verluste: Während VaR den Schwellenwert angibt, den Verluste mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nicht überschreiten, berücksichtigt ES die Höhe der Verluste, die diesen Schwellenwert überschreiten. Damit ist ES ein umfassenderes Maß für das Risiko extremer Verluste, da es sowohl die Wahrscheinlichkeit als auch die Schwere der Verluste betrachtet.
      • Subadditivität: ES ist subadditiv, was bedeutet, dass das Risiko eines kombinierten Portfolios nicht größer ist als die Summe der Risiken der einzelnen Portfolios. Mathematisch bedeutet dies:\[ES_{\beta}(A + B) \leq ES_{\beta}(A) + ES_{\beta}(B)\]Diese Eigenschaft macht ES zu einem kohärenteren Risikomaß.
  • b) Ein Portfolio hat eine Verlustverteilung, die als normalverteilt angesehen wird mit einem Mittelwert von \(\mu = 0\) und einer Standardabweichung von \(\sigma = 10\). Berechne den Value at Risk (VaR) für dieses Portfolio auf einem Konfidenzniveau von 99%. Bestimme anschließend den Expected Shortfall (ES) auf demselben Konfidenzniveau und vergleiche die beiden Ergebnisse. Erkläre, was die Resultate bedeuten und wie sie interpretiert werden können.
    • Da die Verluste normalverteilt sind, können wir die entsprechenden Quantile der Standardnormalverteilung verwenden.
    • Berechnung von VaR: Das 99%-Quantil der Standardnormalverteilung ist ungefähr 2.33. Daher ist der VaR gegeben durch:\[V@R_{99\%} = \mu + 2.33 \times \sigma = 0 + 2.33 \times 10 = 23.3\]
    • Berechnung von ES: Der ES kann bei einer Normalverteilung durch die Formel berechnet werden:\[ES_{99\%} = \mu + \sigma \cdot \frac{\phi(z_{\beta})}{1 - \beta}\]Hierbei ist \(\phi\) die Dichtefunktion der Standardnormalverteilung und \(z_{\beta}\) das entsprechende Quantil. Für \(\beta = 0.99\) ist der Wert:\[ES_{99\%} = 0 + 10 \cdot \frac{\phi(2.33)}{0.01}\]Da \(\phi(2.33) \approx 0.026\), erhalten wir:\[ES_{99\%} = 10 \cdot \frac{0.026}{0.01} = 26\]
    • Vergleich der Ergebnisse: Der VaR bei 99% Konfidenzniveau beträgt 23.3, während der ES bei 99% Konfidenzniveau 26 beträgt. Dies zeigt, dass der ES ein höheres Risikomaß darstellt, da er die Schwere der Verluste über dem VaR-Niveau berücksichtigt. In der Praxis bedeutet dies, dass während der maximale Verlust, der mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% nicht überschritten wird, 23.3 beträgt, der durchschnittliche Verlust im schlimmsten 1% der Fälle jedoch 26 beträgt.

Aufgabe 2)

In Deiner Aufgabe sollst Du die Monte-Carlo-Simulation nutzen, um den Erwartungswert und die Varianz einer komplexen Funktion zu bestimmen. Die Funktion, die bewertet werden soll, ist gegeben durch:

  • Funktion: \( f(x) = x^2 + 3x + 2 \)
  • Simulationsparameter: \( N = 10^4 \)
  • Zufallsvariable: Normalverteilte Zufallszahlen mit Mittelwert 0 und Standardabweichung 1 (\texttt{np.random.normal(0, 1, N)})

a)

Implementiere eine Monte-Carlo-Simulation in Python, die die gegebene Funktion \( f(x) = x^2 + 3x + 2 \) auswertet. Verwende eine Schrittweite von \( N = 10^4 \) und generiere normalverteilte Zufallszahlen mit einem Mittelwert von 0 und einer Standardabweichung von 1. Berechne den erwarteten Wert \(E[f(x)] \) mithilfe der Simulation.

Lösung:

Du kannst die Monte-Carlo-Simulation in Python implementieren, um den Erwartungswert der Funktion f(x) zu berechnen. Hier ist eine Schritt-für-Schritt-Anleitung:

  • Importiere die notwendigen Bibliotheken.
  • Generiere normalverteilte Zufallszahlen mit einem Mittelwert von 0 und einer Standardabweichung von 1.
  • Bewerte die Funktion f(x) für diese Zufallszahlen.
  • Berechne den Durchschnitt der bewerteten Funktion, um den Erwartungswert E[f(x)] zu erhalten.

Nachfolgend findest Du den Python-Code:

 import numpy as np   # Anzahl der Simulationen  N = 10**4   # Generiere normalverteilte Zufallszahlen  x = np.random.normal(0, 1, N)   # Definiere die Funktion f(x)  def f(x):    return x**2 + 3*x + 2   # Wende die Funktion auf die Zufallszahlen an  fx = f(x)   # Berechne den Erwartungswert  expected_value = np.mean(fx)   # Ausgabe des Ergebnisses  print(f'Erwartungswert E[f(x)]: {expected_value}') 

Dieses Skript generiert N = 10^4 normalverteilte Zufallszahlen, bewertet die Funktion f(x) für jede dieser Zahlen und berechnet dann den durchschnittlichen Wert der bewerteten Funktion, der als Erwartungswert dient.

b)

Berechne nun mithilfe Deiner Monte-Carlo-Simulation die Varianz \( \text{Var}(f(x)) \) der Funktion \( f(x) \). Erkläre, welche Schritte bei der Implementierung der Varianzberechnung notwendig sind und wie man die Monte-Carlo-Ergebnisse korrekt interpretiert.

Lösung:

Um die Varianz \( \text{Var}(f(x)) \) der Funktion \( f(x) = x^2 + 3x + 2 \) mit einer Monte-Carlo-Simulation zu berechnen, müssen wir neben dem Erwartungswert auch die Varianz der bewerteten Funktion bestimmen. Hier sind die notwendigen Schritte:

  • Ermittle die bewerteten Funktionswerte wie zuvor beschrieben.
  • Nutze die bewerteten Funktionswerte zur Berechnung der Varianz.
  • Die Varianz wird berechnet als der Mittelwert der quadrierten Abweichungen der bewerteten Funktionswerte vom Erwartungswert.

Hier ist eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie Du dies in Python umsetzen kannst:

import numpy as np# Anzahl der SimulationenN = 10**4# Generiere normalverteilte Zufallszahlenx = np.random.normal(0, 1, N)# Definiere die Funktion f(x)def f(x): return x**2 + 3*x + 2# Wende die Funktion auf die Zufallszahlen anfx = f(x)# Berechne den Erwartungswertexpected_value = np.mean(fx)# Berechne die Varianzvariance = np.var(fx)# Ausgabe der Ergebnisseprint(f'Erwartungswert E[f(x)]: {expected_value}')print(f'Varianz Var(f(x)): {variance}')

Erklärung der Schritte:

  • Zufallszahlen generieren: Wir erzeugen \( N = 10^4 \) normalverteilte Zufallszahlen mit einem Mittelwert von 0 und einer Standardabweichung von 1.
  • Funktion bewerten: Wir wenden die Funktion \( f(x) = x^2 + 3x + 2 \) auf diese Zufallszahlen an.
  • Erwartungswert bestimmen: Wir berechnen den Erwartungswert der bewerteten Funktionswerte.
  • Varianz berechnen: Wir berechnen die Varianz der bewerteten Funktionswerte als den Mittelwert der quadrierten Abweichungen der Funktionswerte vom Erwartungswert. Dies wird durch \( \text{np.var}(fx) \) in numpy erreicht.

Die Varianz gibt uns einen Hinweis darauf, wie weit die Werte der bewerteten Funktion vom Erwartungswert entfernt sind. Eine höhere Varianz bedeutet, dass die bewerteten Funktionswerte stärker schwanken.

Aufgabe 3)

In einem mittelständischen Unternehmen soll ein neues IT-System eingeführt werden. Identifiziere und klassifiziere die potenziellen Risiken, die in diesem Projekt auftreten könnten, unter Berücksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenspotenzial.

a)

Erstelle eine vollständige Risikomatrix für das IT-Projekt. Nutze dazu die Einteilung der Risiken nach Eintrittswahrscheinlichkeit (niedrig, mittel, hoch) und Schadenspotenzial (niedrig, mittel, hoch). Wähle mindestens fünf verschiedene Risiken, die sowohl technische als auch betriebliche Aspekte berücksichtigen.

Lösung:

Risikomatrix für das IT-Projekt

Um eine vollständige Risikomatrix für das IT-Projekt zu erstellen, werden potenzielle Risiken sowohl nach ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit als auch nach ihrem Schadenspotenzial klassifiziert. Dafür werden die Kategorien niedrig, mittel und hoch genutzt. Hier sind fünf verschiedene Risiken, die sowohl technische als auch betriebliche Aspekte berücksichten:

  • Risikofaktor 1: Datenverlust durch Systemfehler
    • Eintrittswahrscheinlichkeit: Mittel
    • Schadenspotenzial: Hoch
  • Risikofaktor 2: Verzögerung bei der Implementierung
    • Eintrittswahrscheinlichkeit: Hoch
    • Schadenspotenzial: Mittel
  • Risikofaktor 3: Unerwartete Kostensteigerungen
    • Eintrittswahrscheinlichkeit: Mittel
    • Schadenspotenzial: Mittel
  • Risikofaktor 4: Sicherheitsverletzungen durch Cyberangriffe
    • Eintrittswahrscheinlichkeit: Niedrig
    • Schadenspotenzial: Hoch
  • Risikofaktor 5: Widerstand der Mitarbeiter gegen neue Systeme
    • Eintrittswahrscheinlichkeit: Hoch
    • Schadenspotenzial: Niedrig

Risikomatrix:

       | Niedrig                    | Mittel                    | Hoch-------|----------------------------| --------------------------|------------------------Hoch   | Sicherheitsverletzungen    | Datenverlust durch        | Verzögerung bei der        | durch Cyberangriffe         | Systemfehler              | Implementierung-------|----------------------------| --------------------------|------------------------Mittel | -                          | Unerwartete                 |        |                            | Kostensteigerungen       ----------------------------| --------------------------Niedrig| Widerstand der             | -                          |       | Mitarbeiter gegen           |                          |       | neue Systeme                 | 

Die Matrix erleichtert es, potenzielle Risiken des IT-Projekts zu visualisieren und ihre Auswirkungen zu bewerten. Aus dieser Analyse können gezielte Maßnahmen zur Risikoabwehr entwickelt werden.

b)

Führe eine SWOT-Analyse für das geplante IT-System durch. Identifiziere speziell Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen, die durch externe und interne Faktoren entstehen können. Diskutiere, wie die bisherigen Risikoerkenntnisse aus der Risikomatrix und SWOT-Analyse verwendet werden können, um das Projekt erfolgreicher zu gestalten.

Lösung:

SWOT-Analyse für das geplante IT-System

In diesem Abschnitt analysieren wir die Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen (SWOT) des geplanten IT-Systems. Dabei berücksichtigen wir sowohl interne als auch externe Faktoren.

Stärken (Strengths):

  • Effizienzsteigerung: Das neue IT-System wird die Geschäftsprozesse automatisieren und beschleunigen.
  • Bessere Datenanalyse: Fortschrittliche Analysetools können wertvolle Einblicke in Unternehmensdaten liefern.
  • Verbesserte Kommunikation: Eine nahtlose Kommunikation zwischen Abteilungen wird durch integrierte Kommunikationsplattformen gefördert.

Schwächen (Weaknesses):

  • Hohe Anfangsinvestitionen: Die Einführung des IT-Systems erfordert erhebliche finanzielle Ressourcen.
  • Komplexität: Die Komplexität des neuen Systems könnte zu Bedienungsproblemen führen und Schulungen notwendig machen.
  • Abhängigkeit von Technologie: Das Unternehmen wird stärker von der Technologie abhängig, was bei Ausfällen problematisch sein kann.

Chancen (Opportunities):

  • Wettbewerbsvorteil: Das neue IT-System kann dem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
  • Neue Geschäftsmöglichkeiten: Ein verbessertes IT-System könnte neue Märkte und Kundensegmente erschließen.
  • Skalierbarkeit: Das IT-System kann mit dem Unternehmen wachsen und zukünftige Erweiterungen unterstützen.

Bedrohungen (Threats):

  • Cyberangriffe: Die Gefahr von Cyberangriffen ist allgegenwärtig und kann schwerwiegende Folgen haben.
  • Technikfehler: Systemfehler oder Ausfälle können zu Betriebsunterbrechungen führen.
  • Mitarbeiterresistenz: Widerstand der Mitarbeiter gegen die Einführung neuer Systeme kann die Implementierung erschweren.

Integration der Risikoerkenntnisse und SWOT-Analyse

Durch die Kombination der Erkenntnisse aus der Risikomatrix und der SWOT-Analyse können wir gezielte Strategien entwickeln, um das Projekt erfolgreicher zu gestalten:

  • Risikominderung: Maßnahmen wie regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen und Notfallpläne können Cyberattacken und Technikfehlern vorbeugen.
  • Schulungen: Um die Schwächung durch die Komplexität des Systems zu minimieren, sollten umfassende Schulungen für die Mitarbeiter durchgeführt werden.
  • Finanzplanung: Eine sorgfältige Finanzplanung hilft, die anfänglichen Kosten zu decken und Unerwartete Kostensteigerungen einzudämmen.
  • Mitarbeiterintegration: Wechselseitige Kommunikation und Mitarbeiterbeteiligung können helfen, Widerstände gegen das neue System abzubauen.
  • Technologie-Upgrades: Regelmäßige Updates und Systemverbesserungen stellen sicher, dass das IT-System leistungsfähig und sicher bleibt.

Durch die proaktive Adressierung der potenziellen Risiken und die Nutzung der identifizierten Chancen kann das Unternehmen das IT-System erfolgreich implementieren und nachhaltige Vorteile daraus ziehen.

Aufgabe 4)

In dieser Aufgabe betrachten wir zwei klassische stochastische Prozesse: den Wiener-Prozess und den Poisson-Prozess. Der Wiener-Prozess ist ein Standardmodell für Brownsche Bewegungen und zeichnet sich durch seine stetigen Pfade und Normalverteilung aus. Der Poisson-Prozess hingegen modelliert zählbare Ereignisse über feste Zeiträume und ist ein diskreter Sprungprozess.Weitere Details:

  • Wiener-Prozess:
  • Startwert: 0, d.h., W(0) = 0
  • Unabhängige Zuwächse: W(t) - W(s) für t > s unabhängig von der Vergangenheit
  • Normalverteilung: Zuwachs W(t) - W(s) \sim N(0, t-s)
  • Stetige Pfade: Trajektorien sind fast sicher stetig
  • Formel: \[ W(t) \sim N(0, t) \]
  • Poisson-Prozess:
  • Startwert: 0, d.h., N(0) = 0
  • Unabhängige Zuwächse: N(t) - N(s) für t > s unabhängig von der Vergangenheit
  • Ganzzahlig und nicht abnehmend: Anzahl der Ereignisse
  • Exponentielle Zwischenzeiten: Zeitabstände zwischen aufeinanderfolgenden Ereignissen sind exponentialverteilt
  • Formel: \[ P(N(t) = k) = \frac{(\lambda t)^k e^{-\lambda t}}{k!} \]

a)

Zeige anhand der Definitionen und Eigenschaften der Wiener- und Poisson-Prozesse, dass die Zuwächse der Prozesse unabhängig sind. Zeige insbesondere, was dies für ihre Verteilungen bedeutet.

Lösung:

Um die Unabhängigkeit der Zuwächse der Wiener- und Poisson-Prozesse zu zeigen, nutzen wir deren Definitionen und Eigenschaften.

1. Unabhängige Zuwächse beim Wiener-Prozess:

Der Wiener-Prozess, auch bekannt als Brownsche Bewegung, hat die folgenden Eigenschaften:

  • Startwert: 0, d.h., W(0) = 0
  • Zuwachs: W(t) - W(s) für t > s ist normalverteilt mit einem Mittelwert von 0 und einer Varianz von t-s, d.h. \[ W(t) - W(s) \sim N(0, t-s) \ \]
  • Unabhängigkeit: Für beliebige Zeitpunkte t1 < t2 < ... < tn sind die Zuwächse W(t2) - W(t1), W(t3) - W(t2), ..., W(tn) - W(t(n-1)) unabhängige Zufallsvariablen.

Die Unabhängigkeit der Zuwächse bedeutet, dass der Wert des Prozesses zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen Einfluss auf die zukünftigen Zuwächse hat. Formal bedeutet dies:

  • Wenn s < t und u < v, dann sind W(t) - W(s) und W(v) - W(u) unabhängig.
  • In Verteilungsform bedeutet dies, dass die gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Zuwächse das Produkt der individuellen Verteilungen sind: \[ P(W(t2) - W(t1) \leq x, W(t3) - W(t2) \leq y) = P(W(t2) - W(t1) \leq x) P(W(t3) - W(t2) \leq y) \ \]
2. Unabhängige Zuwächse beim Poisson-Prozess:

Der Poisson-Prozess hat die folgenden Eigenschaften:

  • Startwert: 0, d.h., N(0) = 0
  • Anzahl der Ereignisse: N(t) - N(s) für t > s ist Poisson-verteilt mit dem Parameter λ(t-s), d.h. \[ N(t) - N(s) \sim Poisson(\lambda (t-s)) \ \]
  • Unabhängigkeit: Für beliebige Zeitpunkte t1 < t2 < ... < tn sind die Zuwächse N(t2) - N(t1), N(t3) - N(t2), ..., N(tn) - N(t(n-1)) unabhängige Zufallsvariablen.

Die Unabhängigkeit der Zuwächse bedeutet, dass die Anzahl der Ereignisse in einem Zeitintervall keinen Einfluss auf die Anzahl der Ereignisse in einem anderen, nicht überlappenden Intervall hat. Formal bedeutet dies:

  • Wenn s < t und u < v, dann sind N(t) - N(s) und N(v) - N(u) unabhängig.
  • In Verteilungsform bedeutet dies, dass die gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Zuwächse das Produkt der individuellen Verteilungen sind: \[ P(N(t2) - N(t1) = k, N(t3) - N(t2) = m) = P(N(t2) - N(t1) = k) P(N(t3) - N(t2) = m) \ \]

Zusammenfassend zeigen die Definitionen und Eigenschaften der Wiener- und Poisson-Prozesse, dass die Zuwächse bei beiden Prozessen unabhängig sind. Diese Unabhängigkeit führt dazu, dass ihre Verteilungen über nicht überlappende Zeitintervalle nicht korreliert sind, was mathematisch durch das Produkt der individuellen Wahrscheinlichkeitsverteilungen beschrieben wird.

b)

Bestimme für einen Wiener-Prozess W(t) die Wahrscheinlichkeit, dass W(2) größer ist als 1. Nutze die Eigenschaften der Normalverteilung.

Lösung:

Um die Wahrscheinlichkeit \( P(W(2) > 1) \) für einen Wiener-Prozess \( W(t) \) zu bestimmen, nutzen wir die Eigenschaften der Normalverteilung. Laut der Definition des Wiener-Prozesses ist \( W(t) \sim N(0, t) \), was bedeutet, dass \( W(2) \) normalverteilt ist mit einem Mittelwert von 0 und einer Varianz von 2.

Das heißt, \( W(2) \sim N(0, 2) \).

Das bedeutet, \( W(2) \) hat eine Normalverteilung mit Mittelwert \( \mu = 0 \) und Standardabweichung \( \sigma = \sqrt{2} \).

Wir möchten nun \( P(W(2) > 1) \) berechnen. Dafür standardisieren wir die Zufallsvariable \( W(2) \) zu einer Standardnormalverteilung \( Z \sim N(0,1) \).

Die Standardisierung erfolgt durch folgende Transformation:

\( Z = \frac{W(2) - \mu}{\sigma} \)

Da \( \mu = 0 \) und \( \sigma = \sqrt{2} \), erhalten wir:

\( Z = \frac{W(2)}{\sqrt{2}} \)

Wir müssen nun \( P(Z > \frac{1}{\sqrt{2}}) \) berechnen.

Die kumulative Verteilungsfunktion (CDF) der Standardnormalverteilung \( Z \) wird mit \( \Phi \) dargestellt. Wir verwenden diese, um unsere Wahrscheinlichkeit zu berechnen:

\( P(Z > z) = 1 - \Phi(z) \)

Wir setzen \( z = \frac{1}{\sqrt{2}} \) ein und erhalten:

\( P(Z > \frac{1}{\sqrt{2}}) = 1 - \Phi(\frac{1}{\sqrt{2}}) \)

Aus Standardnormalverteilungstabellen können wir den Wert von \( \Phi(\frac{1}{\sqrt{2}}) \) ablesen. Dieser Wert ist ungefähr 0.767.

Daher ist:

\( P(Z > \frac{1}{\sqrt{2}}) = 1 - 0.767 = 0.233 \)

Zusammengefasst beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass \( W(2) > 1 \):

\( P(W(2) > 1) = 0.233 \)

Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass \( W(2) \) größer als 1 ist, etwa 23.3% beträgt.

c)

Finde die Wahrscheinlichkeit, dass ein Poisson-Prozess N(t) mit Rate \lambda = 3 zur Zeit t = 5 genau 4 Ereignisse erreicht hat. Verwende die Poisson-Verteilung.

Lösung:

Um die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, dass ein Poisson-Prozess \( N(t) \) zur Zeit \( t = 5 \) genau 4 Ereignisse erreicht hat, verwenden wir die Poisson-Verteilung. In diesem Fall haben wir eine Rate \( \lambda = 3 \), und wir wollen für \( t = 5 \) und \( k = 4 \) berechnen.

Die Poisson-Verteilung wird durch die folgende Formel beschrieben:

\( P(N(t) = k) = \frac{(\lambda t)^k e^{-\lambda t}}{k!} \)

Setzen wir die gegebenen Werte ein:

    • \( \lambda = 3 \)
    • \( t = 5 \)
    • \( k = 4 \)

Erhalten wir:

\( P(N(5) = 4) = \frac{(3 \times 5)^4 e^{-3 \times 5}}{4!} \)

Berechnen wir nun die einzelnen Teile der Gleichung:

    • \( 3 \times 5 = 15 \)
    • \( 15^4 = 50625 \)
    • \( 4! = 4 \times 3 \times 2 \times 1 = 24 \)
    • \( e^{-15} \)

Setzen wir diese Werte nun in die Formel ein:

\( P(N(5) = 4) = \frac{50625 \times e^{-15}}{24} \)

Um den genauen Wert zu berechnen, brauchen wir den Wert von \( e^{-15} \). Diesen können wir aus einer Tabelle oder mittels eines Taschenrechners ermitteln:

    • \( e^{-15} ≈ 3.059 \times 10^{-7} \)

Setzen wir diesen Wert ein:

\( P(N(5) = 4) = \frac{50625 \times 3.059 \times 10^{-7}}{24} ≈ 0.000645 \)

Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Poisson-Prozess zur Zeit \( t = 5 \) genau 4 Ereignisse aufweist, etwa 0,000645 beträgt.

d)

Vergleiche die Trajektorien eines Wiener-Prozesses und eines Poisson-Prozesses hinsichtlich ihrer Stetigkeit. Erkläre den Unterschied in den Trajektorien der beiden Prozesse und welchen Einfluss dies auf die Modellierung von realweltlichen Phänomenen haben könnte.

Lösung:

Die Trajektorien eines Wiener-Prozesses und eines Poisson-Prozesses unterscheiden sich erheblich hinsichtlich ihrer Stetigkeit und Struktur:

  • Wiener-Prozess:
  • Startwert: \(W(0) = 0\)
  • Unabhängige Zuwächse: \(W(t) - W(s)\) für \(t > s\) unabhängig von der Vergangenheit
  • Normalverteilung: Zuwachs \(W(t) - W(s) \sim N(0, t-s)\)
  • Stetige Pfade: Trajektorien sind fast sicher stetig

Der Wiener-Prozess ist ein Modell für kontinuierliche Bewegungen, wie sie bei der Brownschen Bewegung eines Partikels in einer Flüssigkeit beobachtbar sind. Da die Trajektorien des Wiener-Prozesses kontinuierlich sind, gibt es keine abrupten Sprünge oder Unstetigkeiten. Das bedeutet, dass die Position des Prozesses zu jedem beliebigen Zeitpunkt t kontinuierlich ohne plötzliches Springen ändert.

  • Poisson-Prozess:
  • Startwert: \(N(0) = 0\)
  • Unabhängige Zuwächse: \(N(t) - N(s)\) für \(t > s\) unabhängig von der Vergangenheit
  • Ganzzahlig und nicht abnehmend: Anzahl der Ereignisse
  • Exponentielle Zwischenzeiten: Zeitabstände zwischen aufeinanderfolgenden Ereignissen sind exponentialverteilt

Der Poisson-Prozess ist ein Modell für diskrete, zählbare Ereignisse in kontinuierlicher Zeit, wie das Eintreffen von Telefonanrufen, das Auftreten von Defekten in einer Produktionslinie oder das Eintreffen von Kunden in einem Geschäft. Die Trajektorien des Poisson-Prozesses zeigen die Anzahl der Ereignisse im Laufe der Zeit. Diese Trajektorien sind stückweise konstant mit sprunghaften Anstiegen an den Ereigniszeitpunkten. Zwischen den Ereigniszeitpunkten ändern sich die Werte der Trajektorien nicht, was zu den charakteristischen Sprungprozessen des Poisson-Prozesses führt. Dies bedeutet, dass der Prozess zu jedem Zeitpunkt entweder unverändert bleibt oder einen diskreten Sprung um genau einen Schritt nach oben macht.

Einfluss auf die Modellierung realweltlicher Phänomene:

  • Wiener-Prozess:
    • Modelliert kontinuierliche Phänomene ohne plötzliche Sprünge.
    • Beispiel: Brownsche Bewegung von Teilchen, Aktienkursbewegungen in kleinen Zeitschritten.
  • Poisson-Prozess:
    • Modelliert diskrete Ereignisse über die Zeit.
    • Beispiel: Eintreffen von Anrufen in einem Callcenter, Auftreten von Defekten in einer Produktionslinie, Kundenankünfte in einem Geschäft.

Zusammenfassend eignen sich Wiener-Prozesse zur Modellierung von Phänomenen, bei denen kontinuierliche, unstetige Veränderungen erwartet werden, während Poisson-Prozesse besser für die Modellierung von diskreten, zählbaren Ereignissen geeignet sind. Die Wahl des Prozesses hängt von der Natur des zu modellierenden Phänomens ab und davon, ob kontinuierliche oder diskrete Trajektorien betrachtet werden müssen.

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