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Vertiefung Rechtspsychologie II: Forensische Diagnostik im Strafverfahren - Exam
Vertiefung Rechtspsychologie II: Forensische Diagnostik im Strafverfahren - Exam Aufgabe 1) Analyse von Aussagen und Erinnerungen Die Analyse von Aussagen und Erinnerungen dient zur Prüfung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen im Strafverfahren. Prüfung von Aussagequalität und -konsistenz Wahrnehmung und Gedächtnispsychologie Anwendung von Realkennzeichenanalyse (RKA) und Kriterienbasierter Inha...

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Vertiefung Rechtspsychologie II: Forensische Diagnostik im Strafverfahren - Exam

Aufgabe 1)

Analyse von Aussagen und Erinnerungen

Die Analyse von Aussagen und Erinnerungen dient zur Prüfung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen im Strafverfahren.

  • Prüfung von Aussagequalität und -konsistenz
  • Wahrnehmung und Gedächtnispsychologie
  • Anwendung von Realkennzeichenanalyse (RKA) und Kriterienbasierter Inhaltsanalyse (CBCA)
  • Mögliche Verzerrungen und Erinnerungsveränderungen berücksichtigen
  • Formulierung von Gutachten basierend auf psychologischen Erkenntnissen

a)

Teilaufgabe 1:

Erkläre die Realkennzeichenanalyse (RKA) und die Kriterienbasierte Inhaltsanalyse (CBCA). Gehe dabei auf mindestens fünf Kriterien ein, die bei der Beurteilung berücksichtigt werden, und erläutere deren Bedeutung für die Glaubhaftigkeitsprüfung.

Lösung:

Realkennzeichenanalyse (RKA) und Kriterienbasierte Inhaltsanalyse (CBCA)

Die Realkennzeichenanalyse (RKA) und die Kriterienbasierte Inhaltsanalyse (CBCA) sind zwei wissenschaftlich fundierte Methoden zur Überprüfung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen im Strafverfahren. Diese Methoden werden häufig zusammen verwendet, um die Aussagequalität zu bewerten und mögliche Falschaussagen zu identifizieren.

Realkennzeichenanalyse (RKA)

Die RKA ist eine Methode zur Analyse von Aussagen, die auf der Annahme basiert, dass echte Erinnerungen sich in bestimmten sprachlichen und inhaltlichen Merkmalen von falschen Erinnerungen unterscheiden. Diese Merkmale, die sogenannten Realkennzeichen, lassen Rückschlüsse auf die Wahrhaftigkeit einer Aussage zu.

  • 1. Detailreichtum: Echte Erinnerungen enthalten in der Regel viele Details zu Personen, Orten und Ereignissen. Dieser Detailreichtum spricht für die Glaubhaftigkeit der Aussage.
  • 2. Logische Konsistenz: Eine glaubhafte Aussage ist in sich logisch und frei von Widersprüchen. Personen, die die Wahrheit sagen, können in der Regel eine konsistente Geschichte erzählen.
  • 3. Ungeordnete Reproduktion: Personen, die wirklich erlebt haben, was sie berichten, können häufig auch in ungeordneter Reihenfolge berichten und dabei dennoch konsistent bleiben. Bei erfundenen Geschichten ist dies oft nicht der Fall.
  • 4. Eingeständnis von Gedächtnislücken: Echte Zeugen geben oft zu, dass sie sich an bestimmte Details nicht erinnern können. Dies deutet darauf hin, dass sie ehrlich sind und nicht versuchen, eine lückenlose Geschichte zu erfinden.
  • 5. Wiedergabe von Gesprächen: Echte Erinnerungen beinhalten oft spezifische Dialoge und Gespräche, die während des Ereignisses stattfanden. Dies zeigt, dass die Person tatsächlich dabei war und das Gespräch im Gedächtnis behalten hat.

Kriterienbasierte Inhaltsanalyse (CBCA)

Die CBCA ist ein Teil der RKA und beinhaltet spezifische Kriterien, die bei der Analyse der Aussagequalität helfen. Diese Kriterien sind wissenschaftlich validiert und werden genutzt, um Differenzen zwischen authentischen Aussagen und erfundenen Geschichten zu erkennen.

  • 1. Allgemeine Aussagequalität: Hochwertige Aussagen zeichnen sich durch Klarheit, Struktur und Verständlichkeit aus. Diese Qualität spricht für die Glaubhaftigkeit der Aussage.
  • 2. Kontextuelle Einbettung: Glaubwürdige Aussagen sind oft in einen größeren Kontext eingebettet, der das Ereignis umgibt. Dies kann Informationen über vorherige und nachfolgende Ereignisse beinhalten.
  • 3. Ungewöhnliche Details: Echte Aussagen enthalten oft ungewöhnliche oder unerwartete Details, die schwer zu erfinden sind. Solche Details erhöhen die Glaubwürdigkeit der Aussage.
  • 4. Emotionale Beteiligung: Personen, die tatsächlich etwas erlebt haben, zeigen oft emotionale Reaktionen und Beschreibungen, die die emotionale Beteiligung widerspiegeln. Dies kann die Glaubwürdigkeit erhöhen.
  • 5. Spontane Selbstkorrekturen: Echte Zeugen korrigieren sich oft selbst, wenn sie bemerken, dass sie sich geirrt haben. Diese Spontaneität ist ein Zeichen dafür, dass die Person die Wahrheit sagt.

Insgesamt bieten die RKA und die CBCA eine fundierte Grundlage für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen. Sie helfen dabei, die Qualität und Konsistenz von Aussagen zu bewerten und mögliche Verzerrungen oder Falschaussagen zu erkennen.

b)

Teilaufgabe 2:

Betrachte den folgenden Fall: Ein Zeuge gibt eine detaillierte Aussage zu einem Überfall, den er beobachtet haben will. Die Aussage enthält zahlreiche Details, die der Zeuge später in einem zweiten Verhör weitgehend wiederholt, jedoch einige widersprüchliche Elemente aufweist.

Analysiere diese Aussage im Hinblick auf die Aussagequalität und -konsistenz. Welche psychologischen Theorien zur Wahrnehmung und zum Gedächtnis würdest Du heranziehen, um diese Widersprüche zu bewerten? Gehe dabei auf mindestens zwei Theorien ein.

Lösung:

Analyse der Aussagequalität und -konsistenz

Um die Aussage des Zeugen zu analysieren und die vorhandenen Widersprüche zu bewerten, müssen wir zunächst die Aussagequalität und -konsistenz betrachten und im Anschluss psychologische Theorien zur Wahrnehmung und zum Gedächtnis heranziehen.

Aussagequalität: Die Aussage des Zeugen enthält zahlreiche Details, was ein positives Kriterium für die Aussagequalität ist. Ein hohes Detailniveau spricht generell für die Glaubhaftigkeit, da echte Erinnerungen tendenziell detailreicher sind.

Aussagekonsistenz: Bei der Konsistenz der Aussagen gibt es jedoch einige widersprüchliche Elemente. Dies könnte die Glaubwürdigkeit der Aussage infrage stellen, ist aber nicht automatisch ein Beleg für eine erfundene Geschichte. Es ist wichtig, die Ursache dieser Widersprüche zu verstehen.

Psychologische Theorien zur Wahrnehmung und zum Gedächtnis

Um die Widersprüche in der Aussage des Zeugen zu bewerten, könnten folgende psychologische Theorien herangezogen werden:

  • 1. Theorie der rekonstruktiven Gedächtnisbildung: Diese Theorie besagt, dass Erinnerungen nicht wie eine exakte Wiedergabe eines Films im Gehirn gespeichert werden, sondern rekonstruiert werden. Bei jeder Abrufung der Erinnerung kann es zu Veränderungen kommen. Details können vergessen, verfälscht oder sogar durch falsche Informationen ersetzt werden. Das bedeutet, dass Widersprüche in den Aussagen des Zeugen durchaus darauf zurückzuführen sein könnten, dass die entsprechende Erinnerung an den Überfall im Laufe der Zeit verändert oder durch neue Informationen beeinflusst wurde.
  • 2. Theorie der falschen Erinnerungen: Diese Theorie geht davon aus, dass es unter bestimmten Umständen möglich ist, sich an Ereignisse zu erinnern, die so nicht stattgefunden haben. Faktoren wie Suggestion durch den Verhörenden, medialer Einfluss oder Stress können dazu führen, dass der Zeuge falsche Details erinnert und in seine Geschichte einbaut. Dies kann erklären, warum es in der zweiten Aussage des Zeugen widersprüchliche Elemente gibt.

Weitere wichtige Punkte zur Bewertung der Widersprüche:

  • Stress und emotionale Belastung: Die Beobachtung eines Überfalls kann zu erheblichen Stress und emotionaler Belastung führen, die sich negativ auf die Genauigkeit der Wahrnehmung und des Gedächtnisses auswirken können. Unter Stress wird das Gedächtnis empfindlicher für Fehler und Widersprüche.
  • Einfluss durch Suggestivfragen: Während des Verhörs können suggestive Fragen oder Andeutungen des Verhörenden dazu führen, dass der Zeuge unbewusst seine Antwort anpasst oder Details hinzufügt, die nicht ursprünglich in seiner Erinnerung waren.

Insgesamt sollten die genannten Theorien und Einflussfaktoren berücksichtigt werden, um die Widersprüche in der Aussage des Zeugen zu bewerten. Widersprüche allein sind nicht zwingend ein Beweis für eine erfundene Geschichte, sondern können auch natürliche Folge der rekonstruktiven Natur des Gedächtnisses und der Wahrnehmung sein.

c)

Teilaufgabe 3:

Diskutiere mögliche Verzerrungen und Veränderungen im Gedächtnis, die bei Zeugenaussagen auftreten können. Nutze mindestens zwei spezifische Beispiele aus der Forschung, um Deine Argumentation zu untermauern. Beschreibe, wie diese Verzerrungen in einem forensischen Gutachten berücksichtigt werden sollten.

Lösung:

Verzerrungen und Veränderungen im Gedächtnis bei Zeugenaussagen

Zeugenaussagen können durch verschiedene Arten von Verzerrungen und Veränderungen im Gedächtnis beeinflusst werden. Diese Verzerrungen können die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Aussagen beeinträchtigen. Zwei spezifische Beispiele aus der Forschung, die diese Verzerrungen illustrieren, sind der Misinformation Effect und der Flashbulb Memory.

1. Misinformation Effect

Der Misinformation Effect beschreibt die Tendenz von Personen, falsche Informationen in ihre Erinnerungen zu integrieren, nachdem sie irreführende Informationen erhalten haben. Dies wurde in vielen Studien untersucht, darunter die berühmte Studie von Loftus und Palmer (1974). In diesem Experiment wurden den Teilnehmern Videos von Autounfällen gezeigt, und sie wurden anschließend gefragt, wie schnell die Autos fuhren, als sie zusammenstießen. Die Formulierung der Frage beeinflusste die Antworten der Teilnehmer. Wenn das Wort „smashed“ (zerschmettert) verwendet wurde, berichteten sie höhere Geschwindigkeiten als bei Verwendung des Wortes „hit“ (getroffen). In späteren Tests erinnerten sich einige Teilnehmer sogar an nicht vorhandene Details wie zerbrochenes Glas, wenn ihnen irreführende Informationen gegeben wurden.

Berücksichtigung im forensischen Gutachten: In einem forensischen Gutachten sollte der Einfluss von irreführenden Informationen berücksichtigt werden. Es ist wichtig zu analysieren, ob der Zeuge möglicherweise durch externe Informationen (z.B. Medienberichte, Gespräche mit anderen oder suggestive Befragung) beeinflusst wurde. Dies kann durch gezielte Fragetechniken oder Vergleich der ursprünglichen Aussage mit späteren Aussagen ermittelt werden.

2. Flashbulb Memory

Flashbulb Memories sind lebhafte, detaillierte Erinnerungen an spezifische, emotionale Ereignisse. Ein klassisches Beispiel hierfür sind die Erinnerungen an den 11. September 2001. Obwohl diese Erinnerungen sehr klar und detailliert erscheinen, hat die Forschung gezeigt, dass sie im Laufe der Zeit ungenau werden können. Eine Studie von Talarico und Rubin (2003) fand heraus, dass Menschen zwar glauben, dass ihre Flashbulb Memories unverändert bleiben, diese jedoch genauso anfällig für Verzerrungen und Fehler sind wie alle anderen Erinnerungen. Im Laufe der Zeit können Details verändert oder vergessen werden, und dennoch bleiben die Betroffenen von der Genauigkeit ihrer Erinnerung überzeugt.

Berücksichtigung im forensischen Gutachten: In einem forensischen Gutachten sollte die Natur von Flashbulb Memories berücksichtigt werden. Es sollte untersucht werden, wie emotional die Situation für den Zeugen war und ob die lebhaften Erinnerungen tatsächlich durch wiederholtes Erzählen oder externe Einflüsse verändert worden sein könnten. Es ist wichtig, die zeitliche Nähe der ursprünglichen Aussage zum Ereignis zu bewerten und mögliche Verzerrungen durch den Zeitraum zwischen Ereignis und Befragung zu erkennen.

Zusätzliche Aspekte, die berücksichtigt werden sollten

  • Stress und Angst: Hoher Stress und Angst während eines Ereignisses können die Erinnerungsgenauigkeit negativ beeinflussen. Unter Stress werden oft nur zentrale Details, aber nicht periphere Details gut erinnert, was zu unvollständigen oder verzerrten Erinnerungen führen kann.
  • Rückschauverzerrung (Hindsight Bias): Menschen neigen dazu, Ereignisse in der Vergangenheit als vorhersehbarer zu betrachten, als sie tatsächlich waren. Diese Verzerrung kann sich auf Zeugenaussagen auswirken, indem sie die Erinnerung an frühere Erwartungen oder Vorhersagen verändert.

In einem forensischen Gutachten sollten diese Faktoren sorgfältig geprüft und dokumentiert werden, um die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen fair und fundiert zu bewerten. Psychologische Experten können hierbei helfen, diese Verzerrungen zu erkennen und ihre potenziellen Auswirkungen auf die Aussage zu analysieren.

Aufgabe 2)

Im Rahmen strafrechtlicher Verfahren werden verschiedene Methoden eingesetzt, um Täuschung und Lügen zu erkennen. Folgende Methoden sind dabei besonders bedeutsam:

  • Anamnese: Verhaltensbasierte Analyse.
  • Polygraphie: Messung physiologischer Parameter wie Herzfrequenz (HR), Blutdruck (BP) und Hautleitwert (SMR).
  • Statement Validity Assessment (SVA): Analytische Bewertung der Glaubhaftigkeit von Aussagen.
  • Facial Action Coding System (FACS): und andere non-verbale Indikatoren.
  • Blickrichtungsanalyse: Untersuchung von Blickbewegungen als Täuschungsindikator.
  • Analyse von Mikroexpressionen: Kurzlebige, unwillkürliche Gesichtsausdrücke.
  • Sprachanalyse: Linguistische Merkmale und Muster (Lügendetektor).

a)

Beschreibe die Methode der Polygraphie im Detail. Erkläre dabei, wie die Messung der physiologischen Parameter wie Herzfrequenz (HR), Blutdruck (BP) und Hautleitwert (SMR) zur Erkennung von Lügen beitragen kann. Diskutiere die wissenschaftliche Grundlage sowie mögliche Schwächen und Stärken dieser Methode.

Lösung:

Polygraphie im Detail beschrieben:Die Polygraphie, oft auch als Lügendetektortest bezeichnet, ist ein Instrument und eine Methode zur Messung und Analyse physiologischer Reaktionen einer Person, um Täuschung und Lügen zu identifizieren. Die drei Hauptparameter, die bei der Polygraphie gemessen werden, sind Herzfrequenz (HR), Blutdruck (BP) und Hautleitwert (SMR). Hier ist eine detaillierte Beschreibung, wie diese Parameter zur Erkennung von Lügen beitragen können:

  • Herzfrequenz (HR): Die Herzfrequenz ist die Anzahl der Herzschläge pro Minute. Sie kann sich bei emotionaler Reaktion, Stress oder Angst erhöhen. Während der Polygraphie wird die Herzfrequenz kontinuierlich gemessen, um festzustellen, ob es während der Beantwortung bestimmter Fragen zu Veränderungen kommt. Eine signifikante Erhöhung der Herzfrequenz kann darauf hindeuten, dass die Person lügt oder gestresst ist.
  • Blutdruck (BP): Der Blutdruck misst den Druck des Blutes in den Arterien. Während einer Lügensituation kann eine Person erhöhten Stress erfahren, was zu einem Anstieg des Blutdrucks führt. Polygraphen erfassen diese Veränderungen und analysieren sie, um festzustellen, ob der Blutdruck bei bestimmten Fragen steigt, was auf eine täuschende Antwort hindeuten kann.
  • Hautleitwert (SMR): Der Hautleitwert oder Galvanic Skin Response (GSR) misst die elektrische Leitfähigkeit der Haut, die durch die Aktivität der Schweißdrüsen beeinflusst wird. Bei Stress oder Angst steigt die Aktivität der Schweißdrüsen, was zu einer Erhöhung des Hautleitwerts führt. Ein erhöhter Hautleitwert bei der Antwort auf bestimmte Fragen kann auf eine Lüge hinweisen.
Wissenschaftliche Grundlage der Polygraphie:
  • Die Polygraphie basiert auf der Annahme, dass Lügensituationen physiologische Reaktionen wie Stress und Angst auslösen, die messbare Veränderungen in Herzfrequenz, Blutdruck und Hautleitwert verursachen.
  • Studien und Forschungen weisen darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen physiologischen Reaktionen und der Wahrheitsliebe gibt. Doch es gibt Debatten über die Zuverlässigkeit und Genauigkeit solcher Tests.
Stärken der Polygraphie:
  • Polygrafische Tests können potenziell schnelle und non-invasive Informationen über den emotionalen Zustand einer Person liefern.
  • In Verbindung mit anderen Methoden kann die Polygraphie Teil eines umfassenden Ansatzes zur Erkennung von Täuschung sein.
Schwächen der Polygraphie:
  • Personen mit hoher Selbstkontrolle oder Psychopathen kannt möglicherweise ihre physiologischen Reaktionen kontrollieren oder maskieren.
  • Falsch-positive Ergebnisse können auftreten, wenn eine Person unter großem Stress steht, aber die Wahrheit sagt.
  • Die Ergebnisse eines Polygraphentests sind stark von der Interpretation des Prüfers abhängig, was zu subjektiven Fehlern führen kann.
  • In vielen juristischen Systemen wird die Polygraphie nicht als zuverlässig genug angesehen, um als Beweismittel zugelassen zu werden.
Die Polygraphie kann ein nützliches Werkzeug zur Erkennung von Lügen sein, doch sie sollte stets kritisch und in Kombination mit anderen Methoden betrachtet werden.

b)

Erstelle ein Beispiel einer Aussageanalyse mittels SVA (Statement Validity Assessment). Du erhältst eine Zeugenaussage im folgenden Format: „Ich sah, wie der Verdächtige das Fenster einschlug und in das Haus eindrang. Es war ungefähr 23 Uhr und ich hörte laute Geräusche.“ Analysiere die Aussage auf ihre Glaubhaftigkeit und benutze dabei mindestens drei verschiedene Qualitätskriterien des SVA.

Lösung:

Beispiel einer Aussageanalyse mittels SVA (Statement Validity Assessment):Zeugenaussage: „Ich sah, wie der Verdächtige das Fenster einschlug und in das Haus eindrang. Es war ungefähr 23 Uhr und ich hörte laute Geräusche.“Das Statement Validity Assessment (SVA) ist eine Methode zur Bewertung der Glaubhaftigkeit von Aussagen im Rahmen strafrechtlicher Verfahren. SVA basiert auf der Analyse von Qualitätskriterien, die auf die Konsistenz und Detailgenauigkeit der Aussage abzielen. Hier sind drei verschiedene Qualitätskriterien des SVA, die auf die gegebene Aussage angewendet werden:1. Konsistenz der Aussage:

  • Analyse: Die Zeugenaussage ist konsistent in Bezug auf die beobachtete Handlung (Einschlagen des Fensters und Eindringen in das Haus) und den Zeitpunkt des Ereignisses (ungefähr 23 Uhr). Es gibt keine offensichtlichen Widersprüche oder Unklarheiten innerhalb der Aussage.
2. Kontextuelle Einbettung:
  • Analyse: Die Aussage enthält einige kontextuelle Details, wie den Zeitrahmen (ungefähr 23 Uhr) und die lauten Geräusche, die der Zeuge gehört hat. Jedoch fehlen Informationen darüber, was vor oder nach dem Ereignis passiert ist, was die Aussage weniger reich an kontextuellen Details macht.
3. Inkorporation von Emotionen und sensorischen Details:
  • Analyse: Die Aussage „ich hörte laute Geräusche“ fügt ein sensorisches Detail hinzu, das die Glaubhaftigkeit erhöhen kann. Emotionale Reaktionen auf das Ereignis („ich war erschrocken“ oder „ich fühlte mich ängstlich“) fehlen jedoch, was die emotionale Tiefe der Aussage reduziert. Das Vorhandensein von sensorischen Details kann ein Indikator für eine authentische Erfahrung sein.
Zusätzliche Beobachtungen:
  • Spezifität der Details: Die Aussage „ungefähr 23 Uhr“ zeigt eine ungenaue Zeitangabe, was einerseits authentisch wirken kann, da genaue Zeiten oft schwer zu erinnern sind. Andererseits könnte eine präzisere Zeitangabe die Glaubhaftigkeit erhöhen.
  • Spontane Selbstkorrekturen: Es wird nicht erwähnt, ob der Zeuge während seiner Aussage spontan Selbstkorrekturen vorgenommen hat, was ein Hinweis auf eine authentische Erinnerung sein könnte.
Zusammenfassend bewertet die Aussage insgesamt glaubwürdig anhand der SVA-Kriterien, enthält jedoch Verbesserungspotential in Bezug auf kontextuelle Details und emotionale Tiefe. Eine vollständige Analyse würde auch die Prüfung weiterer Kriterien und die Konfrontation des Zeugen mit zusätzlichen Fragen umfassen, um die Aussage weiter zu validieren.

Aufgabe 3)

In der forensischen Diagnostik ist die exakte Bewertung psychischer Störungen von wesentlicher Bedeutung. Dazu werden verschiedene diagnostische Werkzeuge und Kriterien herangezogen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.

  • Verwaltungsstandards wie das DSM-5 und ICD-10 sind standardisierte Handbücher, die klar definierte Kriterien für die Diagnose psychischer Störungen bieten.
  • Klinische Interviews, die entweder strukturiert (wie das Strukturierte Klinische Interview für DSM Störungen, kurz SCID) oder unstrukturiert sein können, ermöglichen eine tiefergehende Untersuchung der Symptome und Geschichte eines Patienten.
  • Psychometrische Tests, einschließlich Fragebögen und Skalen wie dem Beck-Depressions-Inventar (BDI) zur Bewertung von Depression, dienen der standardisierten Erfassung von Symptomen.
  • Beobachtungen und Verhaltensanalysen im klinischen Kontext geben Einblicke in das Verhalten und die Interaktion des Individuums.
  • Biometrische Verfahren wie Neuroimaging und genetische Tests können zur weiteren Objektivierung von Diagnosen beitragen.

a)

Teil 1: Erläutere die grundlegenden Unterschiede zwischen dem DSM-5 und dem ICD-10 in Bezug auf ihre Verwendung und die Struktur der diagnostischen Kriterien für psychische Störungen. Welche Vor- und Nachteile bieten diese beiden Systeme im Kontext der forensischen Diagnostik?

Lösung:

  • Grundlegende Unterschiede zwischen DSM-5 und ICD-10:
    • Verwendung:
      • DSM-5: Das DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5th Edition) wird hauptsächlich in den USA verwendet und von der American Psychiatric Association (APA) herausgegeben. Es wird hauptsächlich von Psychiatern, Klinikern und Forschern genutzt.
      • ICD-10: Das ICD-10 (International Classification of Diseases, 10th Revision) wird weltweit verwendet und von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben. Es deckt ein breites Spektrum von Krankheiten ab, nicht nur psychische Störungen, und wird von verschiedenen medizinischen Fachleuten, einschließlich Allgemeinärzten, verwendet.
    • Struktur der diagnostischen Kriterien:
      • DSM-5: Das DSM-5 enthält spezifische und detaillierte Kriterien für jede psychische Störung, einschließlich einer Liste von Symptomen, die für die Diagnose erforderlich sind. Es bietet auch diagnostische Merkmale, zugehörige Merkmale, Prävalenzraten, Entwicklung und Verlauf, Risikofaktoren, diagnostische Kriterien und Differenzialdiagnosen.
      • ICD-10: Das ICD-10 ist allgemeiner und enthält weniger detaillierte Kriterien als das DSM-5. Es bietet eine umfassendere Klassifikation von Krankheiten und Bedingungen, einschließlich Kapiteln, die sich auf psychische Störungen konzentrieren. Die diagnostischen Kriterien sind weniger spezifiziert, was es flexibler macht, aber auch zu einer geringeren diagnostischen Konsistenz führen kann.
    • Vor- und Nachteile im Kontext der forensischen Diagnostik:
      • DSM-5 Vorteile:
        • Detaillierte und spezifische diagnostische Kriterien, die die diagnostische Genauigkeit erhöhen.
        • Gut etabliert in der Forschung, was den Zugang zu umfassenden Literaturquellen erleichtert.
      • DSM-5 Nachteile:
        • Hauptsächlich in den USA verwendet, was zu Problemen bei der internationalen Zusammenarbeit führen kann.
        • Kann unnötig komplex und zeitaufwendig sein.
      • ICD-10 Vorteile:
        • Weltweit anerkannt und genutzt, was die internationale Zusammenarbeit erleichtert.
        • Flexibler aufgrund weniger detaillierter Kriterien.
      • ICD-10 Nachteile:
        • Weniger spezifische Kriterien können zu einer geringeren diagnostischen Konsistenz führen.
        • Weniger detailliert, was die diagnostische Genauigkeit beeinträchtigen kann.

b)

Teil 2: Beschreibe die Hauptunterschiede zwischen strukturierten und unstrukturierten klinischen Interviews und erläutere, warum strukturiert diagnostische Interviews wie das SCID in der forensischen Psychologie von Bedeutung sind. Welche Herausforderungen können bei diesen Methoden auftreten?

Lösung:

  • Hauptunterschiede zwischen strukturierten und unstrukturierten klinischen Interviews:
    • Strukturierte klinische Interviews:
      • Diese Interviews folgen einem vorher festgelegten Fragenkatalog. Die Reihenfolge und der Wortlaut der Fragen sind standardisiert.
      • Ein Beispiel für ein strukturiertes Interview ist das Strukturierte Klinische Interview für DSM Störungen (SCID).
      • Sie ermöglichen eine systematische Erfassung der Symptome und erleichtern die Diagnosestellung durch klare und konsistente Kriterien.
      • Sind in der Regel weniger flexibel, da die Fragen vordefiniert sind und wenig Raum für spontane Nachfragen lassen.
    • Unstrukturierte klinische Interviews:
      • Bei unstrukturierten Interviews gibt es keinen festen Fragenkatalog. Der Gesprächsverlauf wird vom Interviewer und den Antworten des Patienten gesteuert.
      • Sie sind flexibler und erlauben es dem Interviewer, auf spezifische Antworten des Patienten einzugehen und eingehende Nachfragen zu stellen.
      • Der Ablauf und die Art der erhobenen Informationen können stark variieren, was die Konsistenz und Vergleichbarkeit der Ergebnisse erschwert.
  • Bedeutung von strukturierten diagnostischen Interviews wie dem SCID in der forensischen Psychologie:
    • Strukturierte Interviews gewährleisten eine hohe Standardisierung und Objektivität, was besonders wichtig ist, um die Zuverlässigkeit und Validität der Diagnosen zu sichern.
    • Sie reduzieren das Risiko von Verzerrungen durch den Interviewer und ermöglichen eine konsistente Erfassung der Daten.
    • Durch ihre Standardisierung können die Ergebnisse strukturierter Interviews leichter verglichen und reproduziert werden, was in der forensischen Psychologie von großer Bedeutung ist.
    • Da in der forensischen Psychologie Entscheidungen oft weitreichende rechtliche Konsequenzen haben, ist die Verwendung valider und zuverlässiger diagnostischer Methoden unerlässlich.
  • Herausforderungen bei strukturierten und unstrukturierten klinischen Interviews:
    • Strukturierte Interviews:
      • Der rigide Fragenkatalog kann es erschweren, auf individuelle Besonderheiten des Patienten einzugehen.
      • Patienten können die standardisierten Fragen als unangenehm oder unpersönlich empfinden, was ihre Antworten beeinflussen kann.
    • Unstrukturierte Interviews:
      • Die Flexibilität kann zu Inkonsistenzen in der Datenerhebung und -interpretation führen.
      • Die Diagnosestellung hängt stark von den Fähigkeiten und der Erfahrung des Interviewers ab, was zu subjektiven Verzerrungen führen kann.
      • Die Ergebnisse sind schwerer zu vergleichen und zu reproduzieren, was die wissenschaftliche Validität vermindert.

c)

Teil 3: Ein Patient zeigt Symptome einer schweren Depression. Wende das Beck-Depressions-Inventar (BDI) an. Wie wird das BDI ausgewertet, und wie erfolgt die Einstufung in verschiedene Schweregrade der Depression basierend auf den Ergebnissen des Fragebogens? Zeige dies anhand eines Beispiels mit einem Score von 29 Punkten.

Lösung:

  • Anwendung des Beck-Depressions-Inventars (BDI):Der Beck-Depressions-Inventar (BDI) ist ein psychometrischer Test, der entwickelt wurde, um die Schwere von Depressionen bei Patienten zu messen. Es besteht aus 21 Fragen, die sich auf verschiedene Symptome und Einstellungen im Zusammenhang mit Depression beziehen. Jeder Punkt wird auf einer Skala von 0 bis 3 bewertet, wobei höhere Werte auf schwerwiegendere Symptome hinweisen.
    • Jede der 21 Fragen hat vier Antwortmöglichkeiten (0-3), die den Schweregrad der Symptome angeben.
    • Nach der Beantwortung werden die Punkte jeder Frage summiert, um einen Gesamtscore zu erhalten.
  • Auswertung des BDI:Nach Beantwortung des Fragebogens wird der Gesamtscore berechnet, indem die Punkte aller 21 Items addiert werden. Der höchste mögliche Score beträgt 63, und der niedrigste 0.
    • Gesamtscore-Bereiche und deren Interpretation:
      • 0–9: Minimale Depression
      • 10–18: Leichte Depression
      • 19–29: Mittelschwere Depression
      • 30–63: Schwere Depression
  • Beispielauswertung mit einem Score von 29 Punkten:Ein Patient hat im BDI einen Score von 29 Punkten erreicht.
    • Der Score von 29 fällt in den Bereich von 19 bis 29, was auf eine mittelschwere Depression hinweist.
    • Dies bedeutet, dass der Patient deutliche Symptome einer Depression zeigt, die vermutlich das tägliche Leben und das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen.
  • Zusammenfassung:Ein Score von 29 im BDI zeigt, dass der Patient an mittelschwerer Depression leidet. Dies erfordert weitere klinische Bewertung und möglicherweise eine Intervention, um die Symptome zu lindern und das Wohlbefinden des Patienten zu verbessern.

d)

Teil 4: Diskutiere die Rolle biometrischer Verfahren in der forensischen Diagnostik. Welche spezifischen Vorteile bieten Neuroimaging und genetische Tests bei der Identifikation und Bewertung psychischer Störungen? Welche ethischen Bedenken könnten hierbei auftauchen?

Lösung:

  • Rolle biometrischer Verfahren in der forensischen Diagnostik:Biometrische Verfahren spielen eine zunehmend wichtige Rolle in der forensischen Diagnostik. Diese Verfahren helfen, objektive Daten über den biologischen Zustand eines Individuums zu liefern und können somit zur Unterstützung der Diagnose und Bewertung psychischer Störungen eingesetzt werden.
  • Spezifische Vorteile von Neuroimaging und genetischen Tests:
    • Neuroimaging (z. B. fMRT, PET):
      • Ermöglicht die Visualisierung von strukturellen und funktionellen Veränderungen im Gehirn, die mit bestimmten psychischen Störungen in Verbindung stehen.
      • Hilft, Hypothesen über die neurobiologischen Grundlagen psychischer Störungen zu testen und zu validieren.
      • Kann zur Früherkennung beitragen und die Behandlungsplanung verbessern, indem bestimmte Hirnregionen identifiziert werden, die Ziel einer Therapie sein könnten.
      • In der forensischen Psychologie kann Neuroimaging helfen, neurologische Beweise zu liefern, die den Gemütszustand und die Verantwortlichkeit einer Person zum Zeitpunkt einer Tat beurteilen.
    • Genetische Tests:
      • Können genetische Prädispositionen für bestimmte psychische Störungen identifizieren, was die Diagnostik und Prävention verbessern kann.
      • Tragen zur Erforschung der genetischen Basis psychischer Störungen bei und helfen, individuelle Risiko- und Resilienzfaktoren zu verstehen.
      • In der forensischen Diagnostik können genetische Tests verwendet werden, um genetische Beiträge zu Verhaltensweisen oder psychischen Zuständen zu untersuchen, die im Zusammenhang mit kriminellen Handlungen stehen könnten.
  • Ethische Bedenken bei der Anwendung biometrischer Verfahren:
    • Privatsphäre und Vertraulichkeit:
      • Die Erhebung und Speicherung biometrischer und genetischer Daten werfen Datenschutzprobleme auf, da sensible Informationen über die biologischen und genetischen Merkmale einer Person offengelegt werden.
      • Es besteht das Risiko des Missbrauchs oder unbefugten Zugriffs auf diese Daten, was zu Stigmatisierung und Diskriminierung führen kann.
    • Stigmatisierung und Diskriminierung:
      • Biometrische Daten könnten verwendet werden, um Personen mit bestimmten biologischen oder genetischen Merkmalen zu stigmatisieren oder zu diskriminieren.
      • Es könnte zu deterministischen Ansichten führen, dass Menschen mit bestimmten genetischen oder neurobiologischen Merkmalen unangemessen als gefährlich oder unzurechnungsfähig angesehen werden.
    • Freiwilligkeit und informierte Zustimmung:
      • Die Nutzung biometrischer Verfahren erfordert die informierte Zustimmung der Individuen. In forensischen Kontexten kann es schwierig sein, sicherzustellen, dass die Zustimmung freiwillig und nicht unter Zwang erfolgt.
    • Ethische Implikationen in der Rechtsprechung:
      • Der Einsatz biometrischer Daten kann zu ethischen Dilemmas führen, wenn diese Daten verwendet werden, um das Verhalten einer Person vorherzusagen oder in rechtlichen Entscheidungen über die Schuld oder Strafe zu berücksichtigen.
      • Es gibt Bedenken, dass biometrische Beweise in Gerichtsverfahren möglicherweise überinterpretiert oder missbraucht werden könnten, ohne angemessene Berücksichtigung ihrer Begrenzungen.

Aufgabe 4)

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein forensischer Psychologe und wurden beauftragt, das Rückfallrisiko eines Straftäters zu bewerten. Unter Berücksichtigung der evidenzbasierten Risikofaktoren und der Verwendung evaluierter Instrumente wie LSI-R (Level of Service Inventory-Revised), HCR-20 (Historical Clinical Risk Management-20), und PCL-R (Psychopathy Checklist-Revised), führen Sie eine umfassende Analyse durch. Der Straftäter, eine 35-jährige männliche Person mit einer umfangreichen kriminellen Vorgeschichte, hat kürzlich einen Drogenentzugsprozess begonnen und berichtet über finanzielle Schwierigkeiten.

a)

Zuordnung von Risikofaktoren: Identifizieren Sie die statischen und dynamischen Risikofaktoren bei dem genannten Straftäter. Welche der aufgeführten Faktoren sind veränderbar und welche sind es nicht?

Lösung:

Zuordnung von Risikofaktoren:

  • Statische Risikofaktoren: Diese Faktoren sind unveränderlich und basieren auf der Vergangenheit des Individuums. Sie umfassen:
  • Kriminelle Vorgeschichte: Die Tatsache, dass der Straftäter eine umfangreiche kriminelle Vorgeschichte hat, ist ein statischer Risikofaktor.
  • Alter: Das Alter des Straftäters (35 Jahre) ist ebenfalls ein statischer Risikofaktor.
  • Dynamische Risikofaktoren: Diese Faktoren sind veränderbar und können durch Interventionen beeinflusst werden:
  • Drogenmissbrauch: Da der Straftäter gerade einen Drogenentzugsprozess begonnen hat, ist dies ein dynamischer Risikofaktor, der sich durch erfolgreiche Behandlung ändern kann.
  • Finanzielle Schwierigkeiten: Die berichteten finanziellen Schwierigkeiten sind ein weiterer dynamischer Risikofaktor, der durch finanzielle Beratung und Unterstützung verändert werden kann.
  • Fazit:
    • Unveränderbare Faktoren: Kriminelle Vorgeschichte, Alter
    • Veränderbare Faktoren: Drogenmissbrauch, finanzielle Schwierigkeiten

b)

Einsatz von Instrumenten: Erklären Sie, wie das LSI-R, HCR-20 und PCL-R in der Bewertung des Rückfallrisikos verwendet werden können. Welche spezifischen Dimensionen werden in jedem dieser Instrumente berücksichtigt?

Lösung:

Einsatz von Instrumenten:

  • LSI-R (Level of Service Inventory-Revised): Dieses Instrument wird verwendet, um das Risiko und die Bedürfnisse von Straftätern zu bewerten. Es hilft dabei, das Rückfallrisiko einzuschätzen und geeignete Interventionen zu planen.
    • Die spezifischen Dimensionen, die im LSI-R berücksichtigt werden, umfassen:
      • Kriminelle Vorgeschichte
      • Schul- und Beschäftigungsstatus
      • Finanzielle Situation
      • Familien- und Eheverhältnisse
      • Wohnsituation
      • Freizeit und Erholung
      • Begleiter und soziale Netzwerke
      • Alkohol- und Drogenprobleme
      • Emotionale und persönliche Situation
      • Haltung und Einstellung
  • HCR-20 (Historical Clinical Risk Management-20): Dieses Instrument wird verwendet, um das Gewalt- und Rückfallrisiko zu bewerten. Es berücksichtigt historische, klinische und risikomanagementbezogene Faktoren.
    • Die spezifischen Dimensionen im HCR-20 umfassen:
      • Historische Faktoren (z. B. kriminelle Vorgeschichte, frühere Gewalt)
      • Klinische Faktoren (z. B. psychische Gesundheitsprobleme, Substanzmissbrauch)
      • Risikomanagement (z. B. fehlende soziale Unterstützung, mangelnde Einsicht)
  • PCL-R (Psychopathy Checklist-Revised): Dieses Instrument wird verwendet, um das Ausmaß der Psychopathie zu bewerten. Es korreliert stark mit dem Risiko von Rückfälligkeit und antisozialem Verhalten.
    • Die spezifischen Dimensionen im PCL-R umfassen:
      • Interpersonelle Merkmale (z. B. oberflächlicher Charme, grandioses Selbstwertgefühl)
      • Affektive Merkmale (z. B. Mangel an Empathie, oberflächliche Emotionen)
      • Lebensführung (z. B. parasitärer Lebensstil, mangelnde Ziele)
      • Antisoziale Merkmale (z. B. frühes Verhaltensproblem, kriminelle Vielseitigkeit)
  • Fazit:
    • Das LSI-R hilft dabei, sowohl risiko- als auch bedarfsorientierte Aspekte zu identifizieren und zu behandeln.
    • Das HCR-20 legt Wert auf historische, klinische und managementorientierte Faktoren, die das Rückfallrisiko beeinflussen können.
    • Das PCL-R fokussiert sich auf die Bewertung der Psychopathie als Schlüsselfaktor für Rückfälligkeit.

    c)

    Berechnung der Rückfallwahrscheinlichkeit: Angenommen, Sie haben die folgenden Scores für den Straftäter: LSI-R Score: 30, HCR-20 Score: 25 und PCL-R Score: 20. Wie können diese Scores interpretiert werden und was sagen sie über das Rückfallrisiko aus? Berechnen und erläutern Sie die Gesamtbewertung des Rückfallrisikos unter Berücksichtigung dieser verschiedenen Scores.

    Lösung:

    Berechnung der Rückfallwahrscheinlichkeit:

    • Interpretation der einzelnen Scores:
    • LSI-R Score: Ein Score von 30 auf der LSI-R-Skala deutet auf ein mäßig bis hohes Risiko hin. Der LSI-R umfasst 54 Items, jeder Score über 25 wird oft als Hinweis auf ein hohes Rückfallrisiko gesehen.
    • HCR-20 Score: Ein Score von 25 auf der HCR-20-Skala zeigt ebenfalls ein mäßiges bis hohes Risiko für zukünftige Gewalt und kriminelles Verhalten. Der maximale Score beträgt 40, und Scores über 20 gelten als kritisch.
    • PCL-R Score: Ein Score von 20 auf der PCL-R-Skala deutet auf eine moderate Psychopathie hin. Die PCL-R-Skala hat einen maximalen Score von 40, wobei Scores über 30 als hohe Psychopathie angesehen werden.
    • Gesamtbewertung des Rückfallrisikos: Die Kombination der Scores aus den drei Instrumenten kann dazu beitragen, ein umfassenderes Bild des Rückfallrisikos zu zeichnen:
      • LSI-R Score (30): Mäßig bis hohes Risiko
      • HCR-20 Score (25): Mäßig bis hohes Risiko
      • PCL-R Score (20): Moderates Risiko
    • Berechnung der Gesamtbewertung: Da jedes Instrument unterschiedliche Aspekte des Rückfallrisikos misst, ist es nicht einfach eine Durchschnittsberechnung. Vielmehr sollte der höchste Score den kritischsten Indikator darstellen. Hier könnte eine qualitative Gesamtbewertung wie folgt aussehen:
      • Die Scores zeigen konsistent ein erhöhtes Risiko an. Insbesondere der LSI-R und der HCR-20 weisen auf ein mäßig bis hohes Risiko hin.
      • Die moderate Psychopathie-Wertung im PCL-R deutet darauf hin, dass antisoziale Merkmale vorhanden sind, jedoch nicht extrem hoch sind.
      • Zusammengefasst deutet die Kombination dieser Scores darauf hin, dass der Straftäter ein hohes Risiko für Rückfälligkeit hat, vor allem unter Berücksichtigung seiner umfangreichen kriminellen Vorgeschichte und laufenden finanziellen Schwierigkeiten.

    d)

    Evaluierung der Validität und Reliabilität: Diskutieren Sie die Bedeutung der Validität und Reliabilität in der Praxis der Rückfallprognose. Wie können Sie sicherstellen, dass Ihre Bewertungen und Prognosen sowohl valide als auch reliabel sind?

    Lösung:

    Evaluierung der Validität und Reliabilität:

    • Bedeutung der Validität:

    Die Validität (Gültigkeit) eines Instruments bezieht sich darauf, inwieweit das Instrument das misst, was es zu messen vorgibt. In der Praxis der Rückfallprognose bedeutet dies, wie akkurat das Instrument das tatsächliche Rückfallrisiko des Straftäters vorhersagen kann. Es gibt mehrere Arten der Validität:

    • Inhaltsvalidität: Das Instrument deckt alle relevanten Dimensionen des Rückfallrisikos ab.
    • Kriteriumsvalidität: Die Ergebnisse des Instruments korrelieren mit externen Kriterien, wie tatsächlichen Rückfallraten.
    • Konstruktvalidität: Das Instrument misst tatsächlich das theoretische Konstrukt 'Rückfallrisiko', das es zu messen vorgibt.
    • Bedeutung der Reliabilität:

    Die Reliabilität (Zuverlässigkeit) eines Instruments bezieht sich darauf, wie konsistent die Ergebnisse des Instruments sind. Bei der Rückfallprognose bedeutet das, dass das Instrument bei wiederholter Anwendung unter den gleichen Bedingungen dieselben Ergebnisse liefert. Wichtige Aspekte der Reliabilität sind:

    • Interrater-Reliabilität: Unterschiedliche Anwender des Instruments kommen zu denselben Ergebnissen.
    • Test-Retest-Reliabilität: Das Instrument liefert bei mehrfacher Anwendung mit derselben Person konsistente Ergebnisse.
    • Innere Konsistenz: Verschiedene Teile des Instruments messen dasselbe Konstrukt und korrelieren untereinander.
    • Wie man Validität und Reliabilität sicherstellt:

    Um sicherzustellen, dass die Bewertungen und Prognosen valide und reliabel sind, können die folgenden Schritte unternommen werden:

    • Schulung und Zertifizierung: Stellen Sie sicher, dass die Anwender der Instrumente entsprechend geschult und zertifiziert sind. Dies erhöht die Interrater-Reliabilität.
    • Standardisierung der Anwendung: Stellen Sie sicher, dass die Instrumente gemäß den standardisierten Anweisungen und in den vorgegebenen Kontexten angewendet werden.
    • Überprüfung von Normstichproben: Vergleichen Sie die Ergebnisse mit normierten Stichproben, um die Kriteriumsvalidität zu überprüfen.
    • Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Instrumente: Stellen Sie sicher, dass die Instrumente regelmäßig überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden, um ihre Gültigkeit und Zuverlässigkeit zu gewährleisten.
    • Datenanalyse: Führen Sie regelmäßige Analysen der erhobenen Daten durch, um die interne Konsistenz und die Übereinstimmung mit externen Kriterien zu überprüfen.
    • Fazit:
      • Validität und Reliabilität sind entscheidend für die Genauigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Rückfallprognosen.
      • Durch umfassende Schulung, Standardisierung und kontinuierliche Bewertung der Instrumente können valide und reliable Prognosen sicherstellt werden.
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