Konzern- & Umwandlungsrecht - Exam
Aufgabe 1)
Die Holding GmbH erwirbt 80% der Anteile der Produktions AG und setzt einen neuen Vorstand ein, der die Leitung der gesamten Unternehmensgruppe übernimmt. Beide Unternehmen sind rechtlich selbstständig, agieren jedoch fortan unter einer einheitlichen strategischen Leitung. Des Weiteren koordiniert die Holding GmbH auch die Geschäftsstrategien der Vertriebs GmbH, ohne Eigentumsanteile daran zu besitzen. Ein Beherrschungsvertrag liegt in keinem der beiden Fälle vor.
a)
Welcher Konzerntyp liegt im Fall der Produktions AG vor? Begründe Deine Antwort und erkläre, wie dieser Konzern rechtlich charakterisiert wird.
Lösung:
Im Fall der Produktions AG handelt es sich um einen faktischen Konzern, genauer gesagt um einen Unterordnungskonzern. Dies ergibt sich aus folgenden Gründen:
- Mehrheitlicher Anteilserwerb: Die Holding GmbH hat 80% der Anteile der Produktions AG erworben. Damit hat die Holding GmbH eine beherrschende Stellung innerhalb der Produktions AG.
- Einheitliche Leitung: Mit dem Einsatz eines neuen Vorstands übernimmt die Holding GmbH die Leitung über die Produktions AG und sorgt so für eine einheitliche strategische Ausrichtung.
Rechtlich betrachtet, ist ein Unterordnungskonzern dadurch gekennzeichnet, dass ein Unternehmen (die Muttergesellschaft, hier die Holding GmbH) auf ein anderes Unternehmen (die Tochtergesellschaft, hier die Produktions AG) beherrschenden Einfluss hat.
- Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft: Trotz der rechtlichen Selbstständigkeit der beiden Unternehmen, agieren sie durch die einheitliche Leitung als wirtschaftliche Einheit.
- Kein Beherrschungsvertrag: Es wird kein formeller Beherrschungsvertrag geschlossen, der die Verantwortung und Haftung der Muttergesellschaft weiter regeln würde. Der beherrschende Einfluss resultiert allein aus der Mehrheitsbeteiligung und der praktischen Führung des Unternehmens.
b)
Welcher Konzerntyp liegt im Fall der Vertriebs GmbH vor? Begründe Deine Antwort und erläutere, welche gesetzlichen Bestimmungen für diesen Konzerntyp relevant sind.
Lösung:
Im Fall der Vertriebs GmbH handelt es sich um einen Vertragskonzern, genauer gesagt um einen faktischen Konzern. Dies ergibt sich aus den folgenden Gründen:
- Koordination der Geschäftsstrategien: Obwohl die Holding GmbH keine Eigentumsanteile an der Vertriebs GmbH besitzt, koordiniert sie deren Geschäftsstrategien. Dies deutet darauf hin, dass die Holding GmbH einen Einfluss auf die Vertriebs GmbH ausübt.
- Einheitliche Leitung: Die Vertriebs GmbH agiert unter einer einheitlichen strategischen Leitung, die von der Holding GmbH vorgegeben wird. Dies entspricht dem Charakter eines faktischen Konzerns.
Rechtlich betrachtet, ist ein faktischer Konzern dadurch gekennzeichnet, dass eine Gesellschaft (die Holding GmbH) auf eine andere Gesellschaft (die Vertriebs GmbH) beherrschenden Einfluss ausübt, ohne dass ein Beherrschungsvertrag vorliegt.
- Keine Eigentumsanteile: Obwohl keine Eigentumsanteile vorhanden sind, besteht dennoch eine wirtschaftliche Abhängigkeit durch die strategische Leitung.
- Keine Beherrschungsverträge: Anders als bei vertraglichen Konzernen gibt es keine formellen Beherrschungsverträge, die die Kontrolle und Weisungsbefugnis der Holding GmbH über die Vertriebs GmbH regeln würden.
Die relevanten gesetzlichen Bestimmungen für faktische Konzerne finden sich im Aktiengesetz (AktG), insbesondere in den §§ 311 bis 318, die Bestimmungen über die Verpflichtung zum Verlustausgleich und die Sorgfaltspflichten enthalten.
- § 311 AktG: Regelt die Vertragsfreiheit und das Beherrschungsrecht, auch ohne Beherrschungsvertrag.
- § 312 AktG: Beschäftigt sich mit den Regelungen betreffend Abhängigkeitsverhältnisse.
- § 317 und 318 AktG: Überwachung des verantwortlichen Verhaltens der Konzerngesellschaften und deren Leitungsorgane.
c)
Vergleiche die rechtlichen und tatsächlichen Unterschiede zwischen einem faktischen Konzern und einem Vertragskonzern. Beziehe Dich dabei insbesondere auf
- die Anforderungen an die einheitliche Leitung
- die rechtlichen Rahmenbedingungen
- die möglichen Haftungsaspekte
Lösung:
Ein Vergleich zwischen einem faktischen Konzern und einem Vertragskonzern zeigt deutliche Unterschiede in verschiedenen Bereichen:
- Anforderungen an die einheitliche Leitung:
- Faktischer Konzern: Hier erfolgt die einheitliche Leitung durch die Möglichkeit der Einflussnahme der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft, ohne dass ein förmlicher Vertrag vorliegt. Die Kontrolle basiert auf wirtschaftlicher Abhängigkeit oder anderen Mitteln der Einflussnahme.
- Vertragskonzern: Bei einem Vertragskonzern wird die einheitliche Leitung durch einen Beherrschungsvertrag oder einen Gewinnabführungsvertrag formell festgelegt. Diese Verträge enthalten detaillierte Regelungen zur Steuerung und Kontrolle der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft.
- Rechtliche Rahmenbedingungen:
- Faktischer Konzern: Die rechtlichen Bestimmungen für faktische Konzerne finden sich insbesondere in den §§ 311 bis 318 des Aktiengesetzes (AktG). Diese Abschnitte betreffen vor allem die Regelungen über Abhängigkeitsverhältnisse und die Verpflichtung zum Verlustausgleich.
- Vertragskonzern: Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Vertragskonzerne sind in den §§ 291 bis 310 AktG geregelt. Diese Bestimmungen umfassen die Voraussetzungen für den Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen und enthalten ausführliche Vorschriften zur Sicherung der Minderheitsgesellschafter.
- Mögliche Haftungsaspekte:
- Faktischer Konzern: Im faktischen Konzern haftet die Muttergesellschaft in der Regel nicht direkt für Verluste der Tochtergesellschaft. Es gibt jedoch Haftungsaspekte bei Verletzung der Sorgfaltspflicht sowie bei einer missbräuchlichen Beherrschung..
- Vertragskonzern: In einem Vertragskonzern haftet die Muttergesellschaft für die Verluste der Tochtergesellschaft gemäß den vertraglichen Vereinbarungen. Zudem sind die Rechte der Minderheitsgesellschafter in Bezug auf Abfindungs- und Ausgleichszahlungen gesetzlich geregelt, wodurch auch eine entsprechende Haftung der Muttergesellschaft entstehen kann.
Aufgabe 2)
Unternehmensgruppe Mayer AG ist eine Unternehmensgruppe, die aus der Muttergesellschaft Mayer AG und den Tochtergesellschaften Schmidt GmbH und Bauer KG besteht. Die Satzung der Mayer AG sieht vor, dass der Vorstand über weitreichende Befugnisse zur Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführungen der Tochtergesellschaften verfügt. Der Vorstandsvorsitzende der Mayer AG, Herr Müller, hat in der Vergangenheit mündliche Anweisungen an die Geschäftsführer der Schmidt GmbH und der Bauer KG erteilt, was diese auch regelmäßig befolgt haben.
- Herr Müller bezieht sich dabei auf seine faktische Vertretungsmacht innerhalb des Konzerns zwischen den jährlichen Hauptversammlungen.
- Des Weiteren vertritt er die Auffassung, dass nach § 76 Abs. 1 AktG die Leitungsorgane der Tochtergesellschaften ihm gegenüber untergeordnet sind und seinen Anweisungen folgen müssen.
- Das Anliegen von Herrn Müller ist es, die Konsolidierung und die Vereinheitlichung von Geschäftsprozessen konzernweit zu gewährleisten.
Teilaufgabe 1- Analysiere die rechtlichen Rahmenbedingungen der formellen und faktischen Vertretungsmacht von Herrn Müller im Hinblick auf die Konzernstruktur.
- Gehe insbesondere auf die Grenzen und die rechtlichen Implikationen der Vertretungsmacht auf Grundlage der Gesetzgebung und der Satzung der Mayer AG ein.
- Berücksichtige auch, ob die wiederholte Befolgung der mündlichen Anweisungen durch die Geschäftsführer der Tochtergesellschaften eine Rolle spielt.
a)
Teilaufgabe 2
- Erörtere die Bedeutung des § 76 Abs. 1 AktG für die Autonomie der Leitungsorgane der Tochtergesellschaften in Bezug auf die Weisungsbefugnis der Muttergesellschaft.
- Gehe auf mögliche Interessenkonflikte ein und wie diese im Rahmen des Konzerns vermieden werden können.
- Bestimme, wie die Sicherstellung der konzernrechtlichen Compliance in diesem Zusammenhang gewährleistet werden kann.
Lösung:
- Analyse der Bedeutung des § 76 Abs. 1 AktG für die Autonomie der Leitungsorgane der Tochtergesellschaften:Gemäß § 76 Abs. 1 AktG obliegt die Leitung der Gesellschaft dem Vorstand. Das bedeutet, dass die Leitungsorgane der Tochtergesellschaften grundsätzlich eine eigenständige und unabhängige Führungsposition innehaben und Entscheidungen ohne Einmischung treffen können sollten. Im Kontext eines Konzerns, wie er hier beschrieben wird, kann die Autonomie jedoch durch konzernrechtliche Besonderheiten eingeschränkt werden. Die Befugnisse des Vorstands der Muttergesellschaft dürfen die eigenverantwortliche Leitung der Tochtergesellschaften nicht vollständig untergraben. Daher ist die Abgrenzung zwischen konzernweiten einheitlichen Weisungen und der Autonomie der Tochtergesellschaften entscheidend.
- Mögliche Interessenkonflikte und deren Vermeidung:Interessenkonflikte können auftreten, wenn Anweisungen der Muttergesellschaft den Geschäftsinteressen der Tochtergesellschaften widersprechen. Ein Beispiel wäre eine Weisung, die kurzfristige Gewinne in der Muttergesellschaft maximieren soll, aber zu langfristigen Nachteilen für eine Tochtergesellschaft führt. Zur Vermeidung solcher Konflikte sollten klare und faire Regelungen getroffen werden. Dazu gehört:
- die Definition von Rahmenbedingungen für zulässige Weisungen,
- die Sicherstellung der Mitbestimmung und Einbeziehung der Leitungsorgane der Tochtergesellschaften bei wesentlichen Entscheidungen,
- die Etablierung von Schlichtungsmechanismen für den Fall von Interessenkonflikten.
- Sicherstellung der konzernrechtlichen Compliance:Damit die Einhaltung aller rechtlichen Vorschriften und internen Richtlinien im Konzern gewährleistet wird, sind unter anderem folgende Maßnahmen notwendig:
- Implementierung von umfassenden Compliance-Programmen, die regelmäßig überprüft und aktualisiert werden,
- Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter und Geschäftsleitungen bezüglich der rechtlichen und konzerninternen Vorgaben,
- Einrichtung von Compliance-Beauftragten in den Einzelgesellschaften, die regelmäßig Berichte an den Vorstand der Muttergesellschaft liefern,
- Durchführung regelmäßiger Audits und Kontrollen zur Überwachung der Einhaltung der Vorgaben.Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Tochtergesellschaften den Weisungen der Muttergesellschaft folgen, ohne gegen ihre eigene rechtliche Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Unternehmensführung zu verstoßen.
b)
Teilaufgabe 3
- Betrachte den Fall, in dem Herr Müller eine jährliche Budgetvorgabe für die Bauer KG festlegt.
- Berechne anhand der folgenden Daten die Abweichung vom Budget:
- Jährliches Budget: 1.500.000 €
- Tatsächliche Ausgaben: 1.800.000 €
- Ermittle die prozentuale Abweichung und diskutiere die möglichen Konsequenzen der Überschreitung im Kontext der Weisungsbefugnis und Vertretungsmacht.
Lösung:
- Fallbetrachtung und Berechnung der Abweichung vom Budget:In dem beschriebenen Fall hat Herr Müller für die Bauer KG eine jährliche Budgetvorgabe von 1.500.000 € festgelegt. Die tatsächlichen Ausgaben betragen jedoch 1.800.000 €. Um die Abweichung und deren prozentuellen Anteil zu berechnen, gehen wir wie folgt vor:
- Jährliches Budget: 1.500.000 €
- Tatsächliche Ausgaben: 1.800.000 €
Die Abweichung in absoluten Zahlen beträgt:\[ \text{Abweichung} = \text{Tatsächliche Ausgaben} - \text{Budget} = 1.800.000 \, \text{€} - 1.500.000 \, \text{€} = 300.000 \, \text{€} \]Um die prozentuale Abweichung zu berechnen, verwenden wir die folgende Formel:\[ \text{Prozentuale Abweichung} = \frac{\text{Abweichung}}{\text{Budget}} \times 100\% \]Setzt man die Werte ein:\[ \text{Prozentuale Abweichung} = \frac{300.000 \, \text{€}}{1.500.000 \, \text{€}} \times 100\% = 20\% \] - Diskussion der Konsequenzen der Überschreitung im Kontext der Weisungsbefugnis und Vertretungsmacht:
- Eine Überschreitung des festgelegten Budgets um 20 % stellt eine signifikante Abweichung dar, die mehrere Konsequenzen haben könnte.
- Im Hinblick auf die Weisungsbefugnis von Herrn Müller könnte die Budgetüberschreitung seine Position innerhalb des Konzerns schwächen, insbesondere angesichts der Notwendigkeit, die finanziellen Ziele einzuhalten.
- Die Leitungsorgane der Bauer KG könnten dies als mangelnde Kontrolle und Aufsicht durch Herrn Müller interpretieren, was die Glaubwürdigkeit seiner Anweisungen und gesamten Leitung gefährden könnte.
- Es entstehen finanzielle Risiken und mögliche Spannungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft, besonders wenn solche Überschreitungen häufiger vorkommen.
- Es könnte auch Fragen über die Wirksamkeit der internen Kontroll- und Compliance-Mechanismen aufwerfen, was wiederum zu verstärkter Überwachung und Anpassung der Governance-Strukturen führen könnte.
Zur Prävention solcher Situationen könnten Maßnahmen wie eine engere Überwachung der Ausgaben, die Implementierung von Frühwarnsystemen und regelmäßigere Berichterstattung an Herr Müller helfen, um die Einhaltung von Budgetvorgaben besser sicherzustellen.
Aufgabe 3)
Die M AG ist die Muttergesellschaft eines Industriekonzerns und hält 100 % der Anteile an ihrer Tochtergesellschaft, der T GmbH. Die T GmbH hat sich in den letzten Jahren finanziell stark verschlechtert und ist nun zahlungsunfähig. Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung der beiden Gesellschaften fragen sich nun die Gläubiger der T GmbH, ob sie ihre Forderungen auch gegen die M AG geltend machen können. Untersuche die rechtlichen Grundlagen und die Haftungsfragen in diesem komplexen Konzernverhältnis unter besonderer Berücksichtigung des Trennungsprinzips und der Durchgriffshaftung gemäß den §§ 15 ff. AktG.
a)
Punkt 1: Analysiere die Haftungsfrage im Hinblick auf das Trennungsprinzip. Erläutere, inwiefern die Gesellschaftsform der GmbH und AG eine Haftung der M AG für die Verbindlichkeiten ihrer Tochtergesellschaft grundsätzlich ausschließt.
Lösung:
Punkt 1: Analysiere die Haftungsfrage im Hinblick auf das Trennungsprinzip. Erläutere, inwiefern die Gesellschaftsform der GmbH und AG eine Haftung der M AG für die Verbindlichkeiten ihrer Tochtergesellschaft grundsätzlich ausschließt.
Trennungsprinzip:
- Das Trennungsprinzip im deutschen Gesellschaftsrecht bedeutet, dass verschiedene Rechtssubjekte auch rechtlich getrennt behandelt werden. Das hat zur Folge, dass eine Gesellschaft (juristische Person) unabhängig von ihren Anteilseignern (natürlichen oder juristischen Personen) ist.
- Die M AG und die T GmbH sind unterschiedliche juristische Personen, wodurch Verbindlichkeiten der T GmbH grundsätzlich nicht der M AG zugerechnet werden können.
Gesellschaftsform GmbH und AG:
- Eine GmbH und eine AG sind Kapitalgesellschaften. Dies bedeutet, dass die Haftung in der Regel auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist. Die Gesellschafter (bei der GmbH) bzw. Aktionäre (bei der AG) haften nicht persönlich.
- Für die Verbindlichkeiten der T GmbH haftet grundsätzlich nur die T GmbH mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Die M AG als alleinige Gesellschafterin haftet nicht mit ihrem eigenen Vermögen für die Verbindlichkeiten der T GmbH.
- Das Gleiche gilt auch umgekehrt: Die T GmbH haftet nicht für die Verbindlichkeiten der M AG.
Zusammengefasst schließt das Trennungsprinzip und die Rechtsform der GmbH und AG die Haftung der M AG für die Verbindlichkeiten ihrer Tochtergesellschaft, der T GmbH, grundsätzlich aus. Eine Ausnahme kann jedoch im Rahmen der sogenannten Durchgriffshaftung bestehen, die in den §§ 15 ff. AktG geregelt ist. Diese wird separat behandelt.
b)
Punkt 2: Unter welchen Voraussetzungen kann ein Durchgriff auf die Muttergesellschaft (M AG) gerechtfertigt sein? Gehe besonders auf die Bedingungen der Durchgriffshaftung und die relevanten Fälle ein, in denen eine solche Haftung in der Rechtsprechung bejaht wurde.
Lösung:
Punkt 2: Unter welchen Voraussetzungen kann ein Durchgriff auf die Muttergesellschaft (M AG) gerechtfertigt sein? Gehe besonders auf die Bedingungen der Durchgriffshaftung und die relevanten Fälle ein, in denen eine solche Haftung in der Rechtsprechung bejaht wurde.
Durchgriffshaftung: Die Durchgriffshaftung stellt eine Ausnahme vom Trennungsprinzip dar und kommt nur unter bestimmten Voraussetzungen zur Anwendung. Sie dient dazu, Missbrauchsmöglichkeiten zu verhindern und die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit auf die hinter der Gesellschaft stehenden Personen auszuweiten.
Bedingungen der Durchgriffshaftung:
- Vermögensvermischung: Eine Durchgriffshaftung kann gerechtfertigt sein, wenn eine unklare Abgrenzung zwischen dem Vermögen der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft stattfindet, sodass eine wirtschaftliche Einheit entsteht.
- Mangelnde Kapitalausstattung: Wenn die Tochtergesellschaft bewusst und nachhaltig unzureichend kapitalisiert wurde, um die Gläubiger zu schützen (sog. Unterkapitalisierung).
- Existenzvernichtender Eingriff: Ein gezielter und existenzvernichtender Eingriff durch die Muttergesellschaft in die Tochtergesellschaft kann zu einer Durchgriffshaftung führen, wenn z.B. wichtige Vermögenswerte der Tochtergesellschaft zweckentfremdet werden.
- Sittenwidriger Rechtsmissbrauch: Wenn das Gesellschaftsrecht in sittenwidriger Weise missbraucht wird, z.B. durch absichtliche Vermögensverschiebungen zum Schaden der Gläubiger.
Relevante rechtliche Fälle und Rechtsprechung:
- In verschiedenen Urteilen hat die Rechtsprechung die Durchgriffshaftung bestätigt, wenn die oben genannten Bedingungen erfüllt waren. Hier einige Beispiele:
- GmbH-Recht: Ein bekanntes Beispiel ist der sogenannte „Autokran-Fall“ (BGH, Urt. v. 09.06.1980 - II ZR 188/79), in dem der Bundesgerichtshof die Haftung der Muttergesellschaft bestätigte, weil die dominierende Muttergesellschaft das Geschäft der Tochtergesellschaft bewusst in den Zusammenbruch geführt hatte.
- Aktienrecht: Im Fall „Inselfall“ (BGH, Urt. v. 21. April 1997 - II ZR 175/95) entschied der Bundesgerichtshof, dass eine existenzvernichtende Eingriffshaftung auch im Bereich des Aktienrechts möglich ist, wenn eine Muttergesellschaft Vermögenswerte der Tochtergesellschaft entzieht, wodurch diese zahlungsunfähig wird.
- Diese Fälle verdeutlichen, dass die Durchgriffshaftung immer eine Einzelfallprüfung erfordert und von der konkreten Gestaltung des Missbrauchs abhängt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Durchgriffshaftung auf die Muttergesellschaft (M AG) in Fällen in Betracht kommt, in denen Missbrauch des Trennungsprinzips oder sittenwidriges Verhalten vorliegt. Dies erfordert klare Beweise für eine der oben genannten Bedingungen.
c)
Punkt 3: Betrachte die Situation im Fall einer Insolvenz der T GmbH. Unter welchen Umständen kann die M AG trotz des Trennungsprinzips für die Schulden ihrer Tochter haften? Beziehe Dich hierbei auf die relevanten gesetzlichen Regelungen und die Rechtsprechung. Ermittle auch den Umfang der Haftung der M AG, falls die Bedingungen für eine Durchgriffshaftung erfüllt wären.
Lösung:
Punkt 3: Betrachte die Situation im Fall einer Insolvenz der T GmbH. Unter welchen Umständen kann die M AG trotz des Trennungsprinzips für die Schulden ihrer Tochter haften? Beziehe Dich hierbei auf die relevanten gesetzlichen Regelungen und die Rechtsprechung. Ermittle auch den Umfang der Haftung der M AG, falls die Bedingungen für eine Durchgriffshaftung erfüllt wären.
Haftung der M AG trotz Trennungsprinzip:
- Das Trennungsprinzip besagt, dass die M AG und die T GmbH getrennte juristische Personen sind und daher die M AG grundsätzlich nicht für die Verbindlichkeiten der T GmbH haftet.
- Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht jedoch im Rahmen der Durchgriffshaftung, die unter bestimmten Voraussetzungen zur Anwendung kommt.
Relevante gesetzliche Regelungen:
- Die §§ 15 ff. AktG (Aktiengesetz) regeln die Konzernhaftung und die Voraussetzungen, unter denen eine Haftung der Muttergesellschaft für ihre Tochtergesellschaft begründet werden kann.
- Gemäß § 17 AktG kann eine Konzernverbindung vorliegen, wenn eine abhängige Gesellschaft (T GmbH) und eine herrschende Gesellschaft (M AG) existieren.
- § 302 AktG sieht eine Verlustübernahme der herrschenden Gesellschaft vor, wenn ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag besteht.
Umstände für eine Durchgriffshaftung:
- Mangelnde Kapitalausstattung: Wenn die T GmbH von der M AG bewusst unzureichend kapitalisiert wurde. Dies wird auch als „qualifizierte Unterkapitalisierung“ bezeichnet.
- Vermögensvermischung: Wenn es keine klare Trennung der Vermögenswerte zwischen M AG und T GmbH gibt, was dazu führt, dass diese als wirtschaftliche Einheit betrachtet werden.
- Sittenwidriger Rechtsmissbrauch: Wenn das Gesellschaftsrecht missbraucht wurde, z.B. durch absichtliche Vermögensverschiebungen von der T GmbH zur M AG, die zu deren Zahlungsunfähigkeit führen.
- Existenzvernichtender Eingriff: Wenn die M AG durch gezielte Maßnahmen das wirtschaftliche Überleben der T GmbH gefährdet oder verhindert hat.
Rechtsprechung:
- In der Rechtsprechung gibt es zahlreiche Fälle, die diese Voraussetzungen und die Durchgriffshaftung betreffen, wie z.B. der „Autokran-Fall“ (BGH, Urt. v. 09.06.1980 - II ZR 188/79) und der „Inselfall“ (BGH, Urt. v. 21. April 1997 - II ZR 175/95).
Umfang der Haftung der M AG:
- Wenn die Bedingungen für eine Durchgriffshaftung erfüllt sind, kann die M AG für die Verbindlichkeiten der T GmbH in dem Umfang haften, wie sie die Gläubiger durch ihr rechtswidriges Verhalten geschädigt hat.
- Die Haftung könnte sich auf alle offenen Verbindlichkeiten der T GmbH erstrecken, die durch den missbräuchlichen Umgang der M AG mit der T GmbH entstanden sind.
Zusammengefasst kann die M AG im Fall der Insolvenz der T GmbH für deren Schulden haften, wenn die Voraussetzungen einer Durchgriffshaftung erfüllt sind. Dies erfordert den Beweis von missbräuchlichem Verhalten seitens der M AG, wie z.B. Unterkapitalisierung, Vermögensvermischung, sittenwidrigem Rechtsmissbrauch oder existenzvernichtenden Eingriffen. In solchen Fällen könnte die M AG für die gesamten Verbindlichkeiten der T GmbH haften, die durch ihr Verhalten verursacht wurden.
Aufgabe 4)
Die ABC GmbH plant, ihre Geschäftsstruktur zu ändern, um verschiedene strategische Ziele zu erreichen. Das Unternehmen hat drei Tochtergesellschaften: die DEF GmbH, die GHI GmbH und die JKL GmbH. Die ABC GmbH beabsichtigt, die DEF GmbH in die Muttergesellschaft zu integrieren, Teile der GHI GmbH auf eine neu zu gründende Gesellschaft zu übertragen und die JKL GmbH in eine Aktiengesellschaft (AG) umzuwandeln.
Berücksichtige die relevanten gesetzlichen Vorschriften der §§ 2 ff., §§ 123 ff., §§ 174 ff., und §§ 190 ff. UmwG. Analysiere und beantworte die folgenden Fragen:
a)
a) Beschreibe den rechtlichen Prozess der Verschmelzung der DEF GmbH mit der ABC GmbH. Welche Anforderungen und Schritte sieht das Umwandlungsgesetz (UmwG) hierfür vor?
Lösung:
- Analyse: Die Verschmelzung der DEF GmbH mit der ABC GmbH stellt eine Verschmelzung durch Aufnahme dar. Hierfür ist das Umwandlungsgesetz (UmwG) relevant, insbesondere §§ 2 ff. UmwG.
- Schritte:
- Verschmelzungsvertrag: Zunächst muss ein Verschmelzungsvertrag zwischen der DEF GmbH und der ABC GmbH abgeschlossen werden (§ 4 UmwG). Dieser Vertrag muss notariell beurkundet werden (§ 6 UmwG).
- Verschmelzungsbericht: Die Geschäftsführung der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften muss einen Verschmelzungsbericht erstellen (§ 8 UmwG). Dieser Bericht muss schriftlich abgefasst und von den Geschäftsführungen unterzeichnet werden.
- Prüfung der Verschmelzung: Die Verschmelzung muss durch einen Verschmelzungsprüfer geprüft werden (§ 9 UmwG). Der Prüfer wird vom Gericht bestellt (§ 10 UmwG). Es gibt jedoch Ausnahmen von der Prüfungspflicht (§ 9 Abs. 2 UmwG), etwa wenn alle Gesellschafter auf die Prüfung verzichten.
- Verschmelzungsbeschluss: Sowohl die Gesellschafterversammlung der DEF GmbH als auch die Gesellschafterversammlung der ABC GmbH müssen der Verschmelzung zustimmen (§ 13 UmwG). Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals (§ 13 Abs. 1 UmwG). Es kann jedoch in den Satzungen eine geringere Kapitalmehrheit vorgesehen sein (§ 13 Abs. 2 UmwG).
- Anmeldung und Eintragung: Schließlich muss die Verschmelzung zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden (§ 16 UmwG). Die Verschmelzung wird mit der Eintragung wirksam (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG).
- Rechtliche Wirkungen: Nach der Eintragung geht das Vermögen der DEF GmbH inklusive sämtlicher Rechte und Pflichten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die ABC GmbH über (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Die DEF GmbH erlischt.
- Schutz der Gläubiger: Es sind zudem Regelungen zum Schutz der Gläubiger vorgesehen, insbesondere das Recht der Gläubiger, Sicherheiten zu verlangen (§ 22 UmwG).
b)
b) Erläutere den Vorgang der Aufspaltung der GHI GmbH, bei dem Teile des Unternehmens auf eine neu zu gründende Gesellschaft übertragen werden sollen. Welche besonderen Regelungen gelten nach dem UmwG für eine solche Spaltung, und welche Schritte müssen beachtet werden?
Lösung:
- Analyse: Die Aufspaltung der GHI GmbH, bei der Teile des Unternehmens auf eine neu zu gründende Gesellschaft übertragen werden, stellt eine Form der Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG) dar, genauer eine Abspaltung (§ 123 Abs. 2 Nr. 1 UmwG).
- Schritte und Anforderungen:
- Spaltungsplan: Erstellung eines Spaltungsplans durch die Geschäftsführung der GHI GmbH (§ 125 UmwG). Dieser Plan muss notariell beurkundet werden (§ 126 UmwG).
- Spaltungsbericht: Die Geschäftsführung der GHI GmbH muss einen schriftlichen Spaltungsbericht erstellen, in dem die rechtlichen und wirtschaftlichen Gründe für die Spaltung dargelegt werden (§ 127 UmwG).
- Prüfung der Spaltung: Die Spaltung muss von einem Spaltungsprüfer geprüft werden (§ 128 UmwG). Der Prüfer wird vom Gericht bestimmt (§ 129 UmwG). Es gibt jedoch Ausnahmen von der Prüfungspflicht, etwa wenn alle Anteilsinhaber auf die Prüfung verzichten (§ 128 Abs. 2 UmwG).
- Anmeldung und Eintragung: Der Spaltungsplan muss beim Handelsregister eingereicht und von diesem veröffentlicht werden (§ 125 UmwG).
- Spaltungsbeschluss: Die Gesellschafterversammlung der GHI GmbH muss der Spaltung mit einer Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals zustimmen (§ 13 UmwG, § 125 Abs. 1 UmwG). Der Spaltungsbeschluss muss notarielle beurkundet werden.
- Gründung der neuen Gesellschaft: Die neu zu gründende Gesellschaft muss nach den Regelungen der entsprechenden Rechtsform, z.B. GmbH oder AG, gegründet werden. Dies beinhaltet die Erstellung von Satzung oder Gesellschaftsvertrag und die Bestellung der Geschäftsführung.
- Anmeldung der Spaltung: Die Spaltung muss zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden (§ 138 UmwG). Die Spaltung wird mit der Eintragung wirksam (§ 140 UmwG).
- Rechtliche Wirkungen: Nach der Eintragung gehen die Teile des Vermögens der GHI GmbH, die im Spaltungsplan festgelegt wurden, auf die neu gegründete Gesellschaft über. Dies geschieht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG).
- Schutz der Gläubiger: Auch hier sind Regelungen zum Schutz der Gläubiger vorgesehen, insbesondere das Recht der Gläubiger, Sicherheiten zu verlangen (§ 133 UmwG).
c)
c) Die ABC GmbH möchte die JKL GmbH in eine Aktiengesellschaft (AG) umwandeln. Beschreibe den rechtlichen Ablauf des Formwechsels, inklusive der notwendigen Zustimmungserfordernisse und der Rolle der beteiligten Gremien gemäß §§ 190 ff. UmwG.
Lösung:
- Analyse: Die Umwandlung der JKL GmbH in eine Aktiengesellschaft (AG) stellt einen Formwechsel nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes (UmwG) dar, insbesondere gemäß §§ 190 ff. UmwG.
- Schritte und Anforderungen:
- Umwandlungsplan: Erstellung eines Umwandlungsplans durch die Geschäftsführung der JKL GmbH (§ 192 UmwG). Dieser Plan muss notariell beurkundet und beinhaltet die wesentlichen Punkte des Formwechsels (§ 193 Abs. 1 UmwG).
- Umwandlungsbericht: Die Geschäftsführung der JKL GmbH muss einen detaillierten schriftlichen Bericht über den Formwechsel erstellen und darin die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen erläutern (§ 194 UmwG).
- Prüfung des Umwandlungsplans: Der Umwandlungsplan und die Umwandlungsbilanz müssen durch einen sachverständigen Prüfer, der von dem Gericht bestellt wird, geprüft werden (§ 195 UmwG). Eine Ausnahme von der Prüfung kann bestehen, wenn die Anteilsinhaber der JKL GmbH darauf verzichten (§ 194 Abs. 1 UmwG).
- Umwandlungsbilanz: Erstellung einer Umwandlungsbilanz, die nicht älter als acht Monate sein darf (§ 196 UmwG).
- Einreichung und Offenlegung: Der Umwandlungsplan und der Bericht müssen rechtzeitig im Handelsregister eingereicht und offengelegt werden (§ 191 Abs. 3 UmwG).
- Beschlussfassung: Die Gesellschafterversammlung der JKL GmbH muss dem Formwechsel zustimmen. Es ist eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich (§ 50 Abs. 1 GmbHG, § 191 Abs. 3, 4 UmwG).
- Satzung der AG: Die Satzung der künftigen AG muss erstellt und notariell beurkundet werden (§ 23 AktG). In der Satzung sind beispielsweise der Name der Gesellschaft, der Unternehmenszweck, die Höhe des Grundkapitals und die Form der Aktien festzulegen.
- Eintragung in das Handelsregister: Der Formwechsel wird erst mit der Eintragung der AG in das Handelsregister wirksam (§ 198 UmwG). Zu diesem Zweck muss die Satzung der Aktiengesellschaft zusammen mit dem Umwandlungsbeschluss und allen weiteren erforderlichen Unterlagen beim Handelsregister eingereicht werden.
- Rechtliche Wirkungen: Mit der Eintragung der AG in das Handelsregister endet die Existenz der JKL GmbH und die AG tritt rechtlich an deren Stelle. Alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten der JKL GmbH gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die AG über (§ 202 UmwG).