Der kaukasische Kreidekreis

Die meisten Konflikte erfordern Lösungen, an denen das Gericht, die Polizei oder sogar das Militär beteiligt sind. In Bertolt Brechts 1944 veröffentlichtem epischem Drama "Der kaukasische Kreidekreis" geht es auch um einen solchen Konflikt zwischen zwei Menschen, der allerdings durch eine ungewöhnlich intelligente Lösung geschlichtet werden kann.

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Inhaltsverzeichnis
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    Nach dem Zweiten Weltkrieg streiten sich Bäuerinnen und Bauern um die Nutzungsrechte eines Tals. Ein Sänger unterhält beide Parteien im Anschluss mit einer Sage. Diese handelt von einer leiblichen Mutter, der das von ihr eingeforderte Erziehungsrecht auf ihr Kind nicht zuerkannt wird. Dieses Recht wird stattdessen auf ein Küchenmädchen übertragen. Dieses besteht im Unterschied zur leiblichen Mutter die Kreidekreisprobe, die die Fähigkeit der beiden zur Mutterliebe feststellen soll.

    Wie genau die Kreidekreisprobe durchgeführt wird, erfährst Du in der Inhaltsangabe.

    Das epische Theater

    Das epische Theater ist eine Theaterform, in der die Handlung sowohl erzählt als auch, wie in einem Drama, von Figuren dargestellt wird. Das epische Theater vereinigt also die Gattungen Drama und Epik miteinander. Es hat außerdem das Ziel, größere gesellschaftliche Ereignisse, wie u. a. Kriege, Revolutionen und andere Katastrophen, darzustellen. Soziale Gerechtigkeit spielt ebenso häufig eine zentrale Rolle.

    Formal weicht das epische Theater deutlich vom klassischen Drama im Sinne Aristoteles ab. Während das aristotelische Drama in fünf Akte eingeteilt ist und die Einheit des Orts, der Zeit und der Handlung aufweist, fehlen diese Merkmale oft in Brechts epischen Dramen.

    Entwickelt wurde das epische Theater von den deutschen Dramatikern Bertolt Brecht und Erwin Piscator.

    Mehr Information über diese Dramenform findest Du in der Erklärung "Episches Theater" auf StudySmarter.

    "Der kaukasische Kreidekreis" – Inhaltsangabe

    Das epische Drama "Der kaukasische Kreidekreis" besteht aus einer Rahmen- und einer Binnenhandlung. Während das Vorwort bzw. das Vorspiel die Rahmenhandlung ausmacht, gehören die fünf Szenen zur Binnenhandlung.

    Rahmen- und Binnenhandlungen sind Bezeichnungen für verschiedene Teile eines Textes. Eine Rahmenhandlung ist daran zu erkennen, dass sie vor und nach der Binnenhandlung erzählt wird und meist zu einer anderen Zeit stattfindet. Sie umgibt die Binnenhandlung wie ein Rahmen.

    Die Binnenhandlung ist überwiegend aus der Sicht einer Figur geschrieben, die bereits in der Rahmenhandlung vorkommt. Häufig handelt es sich bei der Binnenhandlung um eine Geschichte, die innerhalb der Rahmenhandlung erzählt wird.

    "Der kaukasische Kreidekreis" – Zusammenfassung der Rahmenhandlung

    Die Rahmenhandlung beginnt im Jahr 1944, kurz nach dem Abzug der deutschen Wehrmacht in einer Provinz nahe der Hauptstadt Georgiens.

    An dieser Stelle entzündet sich ein Streit zwischen einem Obstbauernbetrieb namens Rosa Luxemburg und einer Ziegenbauernschaft namens Galinsk um die Nutzungsrechte an einem lokalen Tal.

    Während der Obstbauernbetrieb die Provinz standhaft gegen die deutsche Wehrmacht verteidigt hatte, waren die Ziegenbäuerinnen und Ziegenbauern aus der Provinz geflohen, obwohl diesen das Tal rechtmäßig gehörte. Nachdem die deutsche Armee abgezogen ist, entbrennt ein Streit zwischen den beiden Parteien. In diesem Streit geht es darum, wem die Nutzungsrechte auf das Tal zukommen sollen: denen, die das Risiko der militärischen Verteidigung der Provinz auf sich nahmen oder denen, die zwar rechtmäßige Eigentümer des Tals sind, aber vor dem Krieg geflohen sind.

    Zum Beweis ihres nützlicheren Umgangs mit dem Tal präsentieren die Obstbäuerinnen und Obstbauern ein innovatives Bewässerungskonzept, wovon sie selbst die anfangs skeptischen Ziegenbäuerinnen und Ziegenbauern überzeugen können. Es kommt zu einer Einigung zwischen den beiden Streitenden, die nun die Ziegenbäuerinnen und Ziegenbauern mit einer Theateraufführung feiern wollen. Der zu der Obstbauernschaft gehörende Sänger Arkadi Tscheidse soll dazu eine Geschichte aus dem russisch-persischen Krieg erzählen.

    "Der kaukasische Kreidekreis" – Zusammenfassung der Binnenhandlung

    Diese Erzählung von Arkadi Tscheidse bildet die gesamte Binnenhandlung des Dramas:

    Szene 1: Das Kind Michel

    Der erste Teil schildert einen großangelegten Staatsstreich gegen den georgischen Großfürsten und seine Gouverneure, einschließlich des wohlhabenden Gouverneurs Georgi Abaschwili. Während Georgi einem Anschlag des intriganten Fürsten Kazbeki zum Opfer fällt, gelingt seiner geldgierigen Frau Natella die Flucht.

    Ihren Sohn Michel kann Natella aber nicht mitnehmen, da ihr bei der Flucht die Mitnahme ihrer Wertsachen und Kleider wichtiger ist als ihr Kind. Um Michel kümmert sich nun Grusche, ein Küchenmädchen Natellas. Michel ist der Erbe des getöteten Gouverneurs Georgi Abaschwili.

    Szene 2 und 3: Flucht in das nördliche Gebirge

    Mit Hoffnung auf mehr Sicherheit flieht das Küchenmädchen Grusche in die Berge, da dort ihr Bruder mit seiner Frau wohnt. Aber schon kurz nach ihrer Ankunft wird Grusche enttäuscht, da ihre übermäßig religiöse Schwägerin keine unehelichen Kinder duldet.

    Obwohl Grusche mit Michel bei ihrem Bruder bleiben kann, fühlt sie sich unter Druck gesetzt. Denn zum Zweck der Legitimation ihres Pflegekindes muss Grusche eine Scheinehe mit einem Nachbarn namens Jussup eingehen.

    Die Heirat wird vollzogen, obwohl Grusche bereits mit Simon, einem Bekannten aus ihrer Kindheit, verlobt ist.

    Der erste Teil der Binnenhandlung endet mit einer Begegnung Grusches mit Simon. Dabei bezichtigt er sie der Untreue, auch nachdem Grusche ihm den scheinhaften Charakter der Ehe offenbart. Simon löst daraufhin die Verlobung auf.

    Szene 4: Die Geschichte des Richters

    Der zweite Teil der Binnenhandlung erzählt von einer schicksalhaften Begegnung. Der vor den mordenden Aufständischen fliehende Großfürst begegnet dem Dorfschreiber Azdak. Azdak nimmt den Großfürsten bei sich auf, ohne jedoch zu wissen, dass es sich bei dem Asylsuchenden um seinen eigentlichen Herrn – also den Großfürsten – handelt.

    Als Azdak von der wahren Identität des Großfürsten erfährt, hat er Angst, dass die Aufständischen ihn für die Aufnahme des Großfürsten ebenfalls töten. Daher erstattet er freiwillig eine Anzeige gegen sich selbst bei den aufständischen Soldaten, um so eine Abmilderung der möglichen Strafe für die Aufnahme des verhassten Großfürsten zu erreichen.

    Azdak wird jedoch von den Soldaten freigelassen, da der für solche Fälle zuständige Richter fehlt und daher kein Prozess gegen Azdak erfolgen kann.

    Als der Großfürst nach dem Ende der Unruhen wieder an die Macht kommt, hat Azdak Angst davor, dass er für den Missbrauch des Richterposten bestraft wird. Überraschenderweise ernennt der Großfürst, der einst von Azdak gerettet wurde, Azdak offiziell zum Richter, da er ohne Azdaks Hilfe nicht hätte überleben können.

    Szene 5: Der Kreidekreis

    Das Ende der Unruhen ermöglicht auch Natella, der Gouvernantenfrau und leiblichen Mutter von Michel, die Rückkehr in die Provinz. Sie kehrt zurück und macht Ansprüche auf ihren Sohn Michel, der immer noch von ihrem einstigen Küchenmädchen Grusche betreut wird. Durch ihren biologischen Sohn will Natella an das Erbe ihres vermögenden Mannes gelangen, das ihr ohne die Zuerkennung Michels als ihren Sohn verwehrt bleiben würde. Deshalb versuchen Natellas Anwälte, den Richter Azdak zu bestechen.

    Anstatt diesen Ansprüchen brav nachzugeben, erhebt auch Grusche Ansprüche auf Michel, da sie ihn nicht nur gerettet, sondern auch mit viel Mühe und Aufwand behütet hat.

    Die Frage, unter welcher Obhut Michel nun endgültig stehen soll, lässt der Richter Azdak bei einer Probe entscheiden: Die Frau, die Michel aus einem Kreidekreis zuerst zu sich zerren kann, soll Michel zugesprochen werden. Bei dieser mehrmals durchgeführten Probe verzichtet Grusche allerdings darauf, Michel zu berühren. Natella gelingt es folglich, Michel mehrmals aus dem Kreidekreis zu sich zu ziehen.

    Zur Siegerin wird jedoch statt der leiblichen Mutter Natella das Küchenmädchen Grusche erklärt. Der Richter Azdak begründet diese Entscheidung wie folgt: Indem Grusche aus aufrichtigem Mitleid mit Michel darauf verzichtet hat, Michel gewaltsam zu sich zu ziehen, hat sie ihre wahre mütterliche Liebe gezeigt; Natella dagegen war in diesem Kreidekreiskampf nur auf den Sieg aus und nicht auf die Unversehrtheit ihres eigenen Sohnes.

    Aufgrund dieses Tatbestands erklärt Azdak Grusche zur legitimen Mutter Michels. Zusätzlich vollzieht er eine Scheidung zwischen den Scheineheleuten Grusche und Jussup, damit Grusche ihren einstigen Verlobten Simon heiraten kann. Mit der Niederlegung des Richteramtes durch Azdak geht daraufhin die Binnengeschichte zu Ende.

    "Der kaukasische Kreidekreis" – Personen

    Zu den wichtigsten Figuren aus "Der kaukasische Kreidekreis" zählen Grusche, Natella und Azdak.

    Grusche

    • ist das Küchenmädchen der reichen Gouvernantenfrau Natella
    • ist aufrichtig, hilfs- und risikobereit
    • kümmert sich fürsorglich um Natellas Sohn Michel
    • zeigt Aufopferungsbereitschaft, indem sie ihre Verlobung mit Simon zurückstellt
    • demonstriert am Ende mehr Mitleid mit Michel als seine leibliche Mutter selbst
    • wird gegen Ende des Stücks ihre aufrichtige Liebe zu Michel und damit das Erziehungsrecht auf ihn anerkannt

    Natella

    • ist die Frau des reichen Gouverneurs Georgi Abaschwili
    • verliert in den Wirren des Bürgerkriegs ihren Mann
    • ist das Bergen ihrer Wertsachen wichtiger als die Sicherheit ihres Sohns
    • flieht ohne ihren Sohn vor den Aufständischen
    • zeigt ihre Geldgier, als sie zur Vererbung des ehelichen Vermögens Ansprüche auf ihren Sohn macht
    • besteht die Probe auf mütterliche Liebe nicht, weil sie Michel ohne Rücksicht auf seine Gefühle zu sich zerrt
    • verliert am Ende das Erziehungsrecht auf ihren Sohn an ihr einstiges Küchenmädchen Grusche

    Azdak

    • ist der Dorfschreiber in der Binnenhandlung
    • zeigt sich hilfs- und risikobereit, als er den als Bettler verkleideten Großfürsten aufnimmt
    • ist aus Furcht um das eigene Leben solidarisch mit den Aufständischen
    • ist besonders intelligent und kann Taktiken erfinden
    • zeigt mitunter einen Hang zur Willkürlichkeit
    • wird für seine Hilfe gegenüber dem Großfürsten von diesem zum Richter ernannt
    • macht die aufrichtige Liebe zu einem Kind zu der wichtigsten Voraussetzung für das Erziehungsrecht auf das Kind

    "Der kaukasische Kreidekreis" – Textsprache und Aufbau

    Sowohl in sprachlicher als auch in struktureller Hinsicht ist Brechts episches Drama "Der kaukasische Kreidekreis" besonders gestaltet.

    Sprache

    Brecht bedient sich im Drama nicht nur zahlreicher Stilmittel, sondern auch manch besonderer von ihm selbst entwickelter Effekte, wie z.B. des Verfremdungseffekts. Ebenso legt er seinen Figuren bestimmte Soziolekte in den Mund.

    Bertolt Brecht hat den Verfremdungseffekt als großen Bestandteil des epischen Theaters hervorgebracht. Der Verfremdungseffekt ist ein Stilmittel, welches die Betrachtenden distanzierter und kritischer werden lässt. Der Effekt sorgt außerdem dafür, dass Vertrautes in ein neues Licht gerückt wird. Hierdurch sollen Widersprüche, die in der Realität existieren, hervorgehoben und sichtbar gemacht werden.

    Ein Soziolekt ist die für eine soziale Schicht typische Sprache, die sich z.B. in Wortwahl und Aussprache von der Sprache anderer Schichten unterscheidet.

    Stilmittel

    Die Sprache im Drama "Der kaukasische Kreidekreis" ist von verschiedenen Stilmitteln geprägt. Neben zahlreichen Metaphern nutzt der Autor Bertolt Brecht sehr viele Vergleiche.

    "Der kaukasische Kreidekreis" – Metapher

    Die Sprache im Drama "Der kaukasische Kreidekreis" ist reich an Metaphern. So benutzt das Küchenmädchen an einer Stelle die Metaphern "Kind des Tigers1" und "Kind der Schlange1", um auf die hohe Herkunft ihres Ziehsohnes hinzuweisen.

    An einer anderen Stelle bindet die Köchin eine Metapher in eine rhetorische Frage ein, die ihre Grobheit andeutet:

    Und ein geborgter Rock hält auch warm, wie?1

    Mit dieser Stichelei möchte die Köchin aussagen, dass sich das kinderlose Küchenmädchen beim Fehlen eines eigenen Nachwuchses auch mit einem Ziehkind behelfen könne. Hier hat Brecht seiner Figur die Metapher zur Provokation in den Mund gelegt.

    Eine Metapher ist ein bildhafter Ausdruck, bei der ein Wort in einen anderen Bedeutungszusammenhang übertragen wird.

    Die rhetorische Frage ist eine Frage, die die Antwort schon in sich trägt oder bei der die Antwort bereits klar ist. Schau Dir gerne die Erklärungen "Metapher" und "Rhetorische Frage" auf StudySmarter an, um mehr über diese Stilmittel zu erfahren.

    "Der kaukasische Kreidekreis" – Vergleich

    Ein weiteres Stilmittel ist der Vergleich, mit dem Brecht Mensch und Gegenstand sowie Mensch und Tier nebeneinander stellt. Als Simon, der Verlobte Grusches, von sich behauptet, unangreifbar zu sein, kommt ein solcher Vergleich zwischen einem Menschen und einem Gegenstand zum Einsatz:

    SIMON: Ist das Stechen etwa gefährlich für das Messer?

    GRUSCHE: Du bist kein Messer, sondern ein Mensch [...].1

    Simon hält sich hier für ein Messer, Grusche hält das für widersinnig. Ein Vergleich zwischen Mensch und Tier liegt außerdem vor, als der Richterposten besetzt werden soll:

    Ihr dürft nicht richtige Verbrecher nehmen, wenn der Richter nicht bestallt ist. Er kann ein Ochse sein, aber er muß bestallt sein [...].1

    Seinem Sinn nach wird hier der zu besetzende Richter mit einem Ochsen verglichen, um so seine Bedeutung zu mindern.

    "Der kaukasische Kreidekreis" – Personifizierung

    Um den Effekt von Vergleichen zu intensivieren, setzt Brecht an einigen Stellen auch Personifizierungen ein. Als ihr Ziehsohn Michel Angst vor dem Winter hat, wird er von seiner Ziehmutter Grusche etwa so beschwichtigt:

    Vor dem Wind mußt du dich nie fürchten, der ist auch nur ein armer Hund.1

    Hier wird ein natürliches Phänomen mit dem Charakter eines geschwächten Lebewesens versehen, um dieses Phänomen so ihrer vermeintlich furchtbaren Eigenschaften zu berauben.

    Die Personifikation verleiht Tieren, Pflanzen oder Gegenständen menschlichen Charakter, indem sie mit menschlichen Eigenschaften oder Handlungen in Verbindung gebracht werden. Sieh Dir doch die Erklärung "Personifikation" auf StudySmarter an, wenn Du mehr über dieses Stilmittel erfahren möchtest!

    Stilmittel im Kontext des Verfremdungseffektes

    Den für das epische Theater kennzeichnenden Verfremdungseffekt kann Brecht nicht ohne bestimmte Stilmittel erreichen. Allen voran sind hier Antithesen, d.h. inhaltliche oder begriffliche Gegensätze zu nennen, die er paarweise in einem bestimmten Satz verwendet.

    Als der Dorfschreiber Azdak den als Bettler verkleideten Großfürsten bei sich aufnimmt, weiß der Schreiber noch nicht, wen er bei sich in Schutz genommen hat. Daher äußert er mittels scheinbarer Antithesen seine ehrliche Meinung über reiche Menschen:

    Schmatz nicht wie ein Großfürst oder wie eine Sau. Ich vertrag’s nicht. Nur einen hochwohlgeborenen Stinker muß man aushalten, wie Gott ihn geschaffen hat.1

    Es handelt sich bei "wie ein Großfürst oder wie eine Sau"1 um eine Antithese, weil sich beide in den Augen Azdaks wegen ihrer verschwenderischen Essgewohnheit kaum voneinander unterscheiden.

    Der Vergleich wirkt verfremdend, weil die Lesenden auf den ersten Blick zumeist nicht denken, dass ein Großfürst einer Sau gleichen kann. Ein Großfürst wird eher mit Luxus, Macht und Niveau assoziiert, während man eine Sau eher mit Schmutz und Schlamm in Verbindung bringt. Dennoch gibt es eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden, weil sie beide verschwenderische Essgewohnheiten aufweisen.

    Soziolekte

    Die Figuren im "Der kaukasische Kreidekreis" sprechen entsprechend ihrer sozialen Herkunft. In der Regel hat Brecht die Sprache der Figuren mit sozialer Macht und hoher Stellung, mit Hohn, Spott, Zynismus und einem gebieterischen Ton versehen. Das trifft etwa auf den Fürsten Kazbeki und die Gouvernante Natella zu.

    So äußert sich der Fürst Kazbeki recht zynisch, als er seine Meinung über die Hinrichtung wiedergibt: #

    […] weil wir in einem verweichlichten Zeitalter leben; früher hieß es einfach: Kopf ab!1

    Insgesamt ist die Sprache in "Der kaukasische Kreidekreis" jedoch leicht verständlich, da sie ohne Fremdwörter auskommt und aus einfachen, oft kürzeren Sätzen besteht.

    Aufbau des Dramas

    Strukturell besteht das Drama aus einer Rahmen- und Binnenhandlung, wobei die Letztere einen wesentlich größeren Teil des Dramas ausmacht. Diesen beiden Handlungsmustern hat Brecht ein Vorwort vorangestellt. Insgesamt hat er das gesamte Werk in sechs Akte eingeteilt und diesem Prinzip folgend sein Drama als "nichtaristotelisch" bezeichnet.

    Ein solcher Aufbau widerspricht dem Prinzip des aristotelischen Dramas, nach dem ein Drama aus fünf Akten bestehen soll. Der charakteristische Handlungsverlauf eines Dramas aus der griechischen Antike folgt diesem Schema: "Exposition - Steigerung - Höhepunkt - Fall/Lösung". Dieses Prinzip wird in "Der kaukasische Kreidekreis" nicht befolgt. Ebenso wenig folgt Brechts Drama dem aristotelischen Dramenideal einer Einheit von Ort, Zeit und Handlung.

    Weitere Details zum aristotelischen Drama findest Du in der StudySmarter-Erklärung "Drama".

    Stattdessen ist Brechts Drama in einer für das epische Theater typischen Weise aufgebaut. Jeder der sechs Akte enthält eine Überschrift, die die Lesenden eher an eine Romanlektüre bzw. an die Lektüre einer epischen Erzählung erinnern soll.

    Ein genauso besonderes Merkmal des Aufbaus in "Der kaukasische Kreidekreis" ist die darin enthaltene Parabel. Bei einer Parabel handelt es sich um eine lehrreiche Geschichte aus der Vergangenheit, die die Lesenden an ihre eigene Lebensrealität erinnern soll.

    Weitere Einzelheiten zum Thema Parabel findest Du in der StudySmarter-Erklärung "Parabel".

    "Der kaukasische Kreidekreis" – Interpretation

    Für Brechts "Der kaukasische Kreidekreis" bieten sich drei Interpretationsansätze an:

    • Wahre Mutterliebe gegen leibliche Mutterschaft.
    • Rechtssystem und Gerechtigkeit.
    • Brechts Vorstellung von einer idealen Gesellschaft

    Wahre Mutterliebe gegen leibliche Mutterschaft

    Das Motiv der Mutterliebe ist im Drama allgegenwärtig. Brecht gelingt darin die Darstellung der Botschaft, dass leibliche Mutterschaft nicht immer mit wahrer Mutterliebe einhergeht. Obwohl die vermögende Gouvernante Natella die leibliche Mutter Michels ist, ist ihr sein Leben gleichgültig; daher erscheint ihr die Mitnahme ihrer Kleider und Wertsachen viel wichtiger als die Mitnahme ihres Sohnes.

    Im Gegensatz zu Natella kümmert sich das Küchenmädchen Grusche fürsorglich um Michel; für sein Überleben setzt sie sogar ihr eigenes Leben aufs Spiel, obwohl er "nur" der Sohn ihrer Dienstherrin ist. Auch bei der Kreidekreisprobe lässt Grusche die Gouvernante siegen, damit Michel durch das beidseitige Zerren keine körperliche Verletzung erleidet.

    Daher bekommt Grusche am Ende des Dramas auch das Recht, Michel zu erziehen. Somit zeigt Brecht auf, dass wahre Mutterliebe etwas anderes als leibliche Mutterschaft ist.

    Das bestehende Rechtswesen und fehlende Gerechtigkeit

    Im Drama wird auch die Frage ausgehandelt, ob eine Rechtsbrechung zugunsten der Gerechtigkeit erlaubt sein soll. Der Richter Azdak legt die Gesetzte oft eigenmächtig aus, nur um damit den Armen und Benachteiligten helfen zu können. Mit einer korrekten und vorschriftsmäßigen Auslegung der Gesetze würde er immer den bereits Privilegierten und Mächtigen helfen, was er aber als eine Ungerechtigkeit gegenüber den Armen empfindet. Daher findet er Gerechtigkeit für die Armen wichtiger als eine korrekte Auslegung der Gesetze.

    Das Drama als Gesellschaftskritik

    Mit der Darstellung des Konflikts zwischen den Menschen in der Provinz sowie des negativen Verhaltens etlicher Figuren in "Der kaukasische Kreidekreis", kritisiert Brecht die westlichen Gesellschaften der 1940-er Jahre.

    Diese waren seiner Auffassung nach vorwiegend eigennützig-materialistisch geprägt und als solche kaum für Ideen der sozialen Gleichheit und Gerechtigkeit empfänglich.

    Als Musterbeispiel präsentiert Brecht aber auch einige Figuren, die durch ihr sozial wohlwollendes Verhalten und einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit den Figuren, die negatives Verhalten aufweisen, vollkommen entgegengesetzt sind. So ist die Figur der Grusche trotz ihrer Armut und damit begrenzter Ressourcen dazu willig, den von seiner Mutter skrupellos verlassenen Michel nicht nur bei sich aufzunehmen, sondern ihn später sogar großzuziehen.

    Die Figur Azdak kann seinen Posten als Richter sehr wohl zu seinem persönlichen Vorteil ausnutzen, tut es aber nicht. Er geht scheinbar willkürlich mit den Gesetzen um, damit ein Vorteil der Armen entsteht. Auch ist er am Ende ehrlich genug, das Richteramt niederzulegen, da er sich seines wohlwollenden Missbrauchs bewusst ist.

    Die Figuren Grusche und Azdak sind somit nach Brecht ein Beispiel dafür, wie verantwortungslose Bürgerinnen und Bürger sein sollten. Die Figuren, die negatives Verhalten aufweisen, veranschaulichen hingegen, wie aufgeklärte und wohlwollende Bürger und Bürgerinnen nicht sein sollten. Eine solche "negative Figur" ist z. B. Natella, da sie ihr eigenes Kind hinter materielle Bedürfnisse stellt.

    "Der kaukasische Kreidekreis" – Bertolt Brecht

    Bertolt Brecht wurde am 10.Februar 1898 in Augsburg geboren und starb am 14.August 1956 in Berlin. Er zählt zu den wichtigsten Dramatikern und Schriftstellern Deutschlands. Außerdem ist er für die Entwicklung des epischen Theaters, aber auch für zahlreiche weltberühmte Gedichte und Dramen bekannt. Einige davon sind:

    • "Trommeln in der Nacht" (1922)
    • "Baal" (1923)
    • "Die Dreigroschenoper" (1928)
    • "Mutter Courage und ihre Kinder" (1941)
    • "Der kaukasische Kreidekreis" (1944)

    Ab 1928 kann Brechts Interesse am Marxismus belegt werden. Als die Nationalsozialisten im Jahr 1933 die Macht in Deutschland ergriffen, musste Brecht aufgrund seiner politischen Gesinnung ins Exil flüchten. Als Anhänger des Marxismus wurde er im nationalsozialistischen Deutschland verfolgt.

    Der Marxismus ist eine politische Lehre des deutschen Philosophen Karl Marx. Sie zielt auf die ökonomische und soziale Gleichheit der Menschen ab.

    Zunächst hielt sich Brecht in Prag, dann in Wien, Zürich, Paris und Dänemark auf. Nachdem aber das nationalsozialistische Deutschland sich ab 1941 immer weiter in Europa ausgebreitet hatte, musste Brecht in die USA fliehen und kehrte erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 nach Europa zurück.

    "Der kaukasische Kreidekreis" – Epoche

    Brechts Drama "Der kaukasische Kreidekreis" spielt in Regionen des damaligen Georgiens, die aber im heutigen Aserbaidschan zu verorten sind. Georgien gehörte von 1921 bis lange danach zur Sowjetunion. Im Jahr 1943, also während des Zweiten Weltkriegs, wurde das Land durch die deutsche Armee angegriffen, was sich auch im Vorwort des Dramas widerspiegelt. Die Obstbäuerinnen und Obstbauern müssen sich gegen die zerstörerisch vorgehende deutsche Wehrmacht verteidigen, was ihnen schließlich auch gelingt:

    Genossen, im letzten Winter, als wir als Partisanen hier in den Hügeln kämpften, haben wir davon gesprochen, wie wir nach der Vertreibung der Deutschen unsere Obstkultur zehnmal so groß wiederaufbauen können.1

    Da Brecht das Drama während seiner Zeit im Exil verfasste, wird das Stück heute in die Exilliteratur eingeordnet. Am Drama selbst arbeitete er von der Zeit seines Aufenthalts in Schweden im Jahr 1939 bis 1944. Aber auch die für seine der Exilliteratur zugeordneten Werke und die darin typischen Merkmale sind ein Grund für diese Einordnung. Eines dieser Merkmale ist etwa eine allgemeine Tendenz zur Gesellschaftsanalyse und -kritik im Werk selbst und zum unterschwelligen Entwurf einer idealen Gesellschaft.

    Mehr Information zur Epoche der Exilliteratur findest Du in der StudySmarter-Erklärung "Exilliteratur".

    Als konkrete Vorlage für das Drama "Der kaukasische Kreidekreis" diente Brecht das Theaterstück "Der Kreidekreis" des deutschen Dichters Alfred Henschke. Dieser hatte das Theaterstück von einer chinesischen Sage entlehnt. Brecht hat den Stoff an die eigene Zeit angepasst, indem er die Handlung nicht etwa im mittelalterlichen China, sondern in Georgien kurz nach dem Abzug der deutschen Armee verortet.

    Damit hat Brecht wohl Rücksicht auf das historische Wissen der Mehrheit seines Publikums nehmen wollen, da diesem damals die europäische Geschichte sicherlich vertrauter gewesen sein dürfte, als z. B. Einzelereignisse aus dem chinesischen Mittelalter.

    "Der kaukasische Kreidekreis" – Bedeutung für die Gegenwart

    Brechts "Der kaukasische Kreidekreis" gehört zu seinen bekanntesten Werken, das auch heute noch auf deutschen Bühnen aufgeführt wird. Daher kann das Werk Bedeutung im Sinne von Zeitrelevanz beanspruchen, denn die darin behandelten Themen sind auch wichtig für viele Menschen in der Gegenwart. Einige dieser Themen sind z.B. die aufrichtige Mutterliebe und soziale Gerechtigkeit durch Bekämpfung sozialer Ungleichheit.

    Auch für viele grundlegendere Fragen wie beispielsweise die Kluft zwischen Arm und Reich oder der Umgang mit Menschen, die ihre Kinder vernachlässigen, kann der Stoff in "Der kaukasische Kreidekreis" eine Anregung sein.

    Der kaukasische Kreidekreis - Das Wichtigste

    • "Der kaukasische Kreidekreis" ist ein episches Theater des deutschen Dramatikers Bertolt Brecht und wurde im Jahr 1944 veröffentlicht.
    • "Der kaukasische Kreidekreis" – Inhaltsangabe: Die Rahmenhandlung erzählt von einem Rechtsstreit zwischen zwei Parteien um die Nutzungsrechte an einem Tal einer georgischen Provinz kurz nach dem Abzug der deutschen Wehrmacht.
    • Die Binnenhandlung ist eine Parabel aus der Zeit des russisch-persischen Krieges, die einen Streit zwischen zwei Frauen um das Erziehungsrecht auf einen Jungen thematisiert.
    • "Der kaukasische Kreidekreis" – Textsprache und Aufbau: Aufgebaut ist das Drama in fünf Szenen, denen ein Vorspiel vorangeht.
    • "Der kaukasische Kreidekreis" – Metapher: Sprachlich und stilistisch ist das Drama reich an Stilmitteln wie u. a. der Metapher, rhetorischen Fragen und diversen Soziolekten.
    • "Der kaukasische Kreidekreis" – Interpretation: Wahre Mutterliebe im Unterschied zur bloßen Mutterschaft und konkrete Gerechtigkeit durch gerechte Rechtsbrechung sind die wichtigsten Themen des Werks.
    • Ferner übt das Drama Gesellschaftskritik aus. Es thematisiert den Konflikt um erbliche Angelegenheiten und zeigt dabei auf, wie manche Menschen nur aus Eigennutz handeln.
    • "Der kaukasische Kreidekreis" – Epoche: Da Brecht das Drama während seines Exils verfasste, wird das Stück heute der Exilliteratur zugeordnet.
    • "Der kaukasische Kreidekreis" – Bedeutung: Einige der im Werk behandelten Themen, die auch heute nicht an Aktualität verloren haben, sind z.B. aufrichtige Mutterliebe und soziale Gerechtigkeit durch Bekämpfung sozialer Ungleichheit.


    Nachweise

    1. Bertolt Brecht (1898): Der kaukasische Kreidekreis. Text und Kommentar. Suhrkamp Verlag.
    2. Franz-Josef Payrhuber: Lektüreschlüssel zu: Bertolt Brecht „Der kaukasische Kreidekreis". Reclam Verlag.
    3. Michael Duchart: Erläuterungen und Dokumente zu: Bertolt Brecht „Der kaukasische Kreidekreis“. Reclam Verlag.
    Häufig gestellte Fragen zum Thema Der kaukasische Kreidekreis

    Wer hat "Der kaukasische Kreidekreis" geschrieben?

    Bertolt Brecht hat das Drama "Der kaukasische Kreidekreis" geschrieben. 

    Warum hat Brecht "Der kaukasischen Kreidekreis" geschrieben? 

    Brecht wollte mit dem Drama "Der kaukasische Kreidekreis" etliche Fragen der sozialen Gerechtigkeit literarisch verarbeiten. Dazu zählt z.B. die Frage, ob eine leibliche Mutter das Recht auf die Erziehung ihres Sohnes behalten darf, wenn sie ihn in Wahrheit nicht liebt. Auch Brechts Vorstellung von der optimalen Lösung erblicher Konflikte kommt in diesem Drama zum Ausdruck.

    Wann wurde "Der kaukasische Kreidekreis" veröffentlicht? 

    Das Drama "Der kaukasische Kreidekreis" wurde im Jahr 1944 veröffentlicht. 

    Was ist die Bedeutung von einem kaukasischen Kreidekreis? 

    "Der kaukasische Kreidekreis" ist der Titel eines epischen Dramas von Bertolt Brecht. Der Titel bezieht sich auf einen Kreidekreis, der bei einer Probe zur wahren Mutterliebe gezeichnet wird. 

    Was ist eine Grusche? 

    Grusche ist der Name einer der Hauptfiguren in Brechts Drama "Der kaukasische Kreidekreis". 

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    Wer schrieb "Der kaukasische Kreidekreis"? 

    Bei dem Drama "Der kaukasische Kreidekreis" handelt es sich um ein dramatisches Theater. 

    In welche Literaturepoche wird das Drama "Der kaukasische Kreidekreis" eingeordnet?

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